Dienstag, 18. September 2012

Schönefeld: Ein Freund, ein guter Freund, das ist das Schönste, was es gibt auf der Welt.

Der Berliner IHK-Präsident Eric Schweitzer verteidigt den Aufsichtsratsvorsitzenden Klaus Wowereit.


Schoenefeld_160912
Kommt er oder kommt er nicht, der "modernste" Flughafen Europas?

Während die Zahl der BER-Witze inzwischen Legion (ursprünglich: Römische Heereseinheit mit 3000–6000 Soldaten) ist, und jüngst in der B.Z. ein Friedhofs-Witz ("Großflughafen BER, halb so groß wie der Friedhof von San Francisco, doppelt so tot") seine Neuauflage feierte, schien die Zahl der Freunde von Klaus Wowereit in der letzten Zeit doch stark abgenommen zu haben.

Umfragewerte sanken, und auch die schonungslose Selbstkritik des Regierenden Bürgermeisters und Aufsichtsratsvorsitzenden der Flughafen Berlin Brandenburg GmbH (FBB), Klaus Wowereit, im Berliner Abgeordnetenhaus ("... es sind Fehler gemacht worden, auch große und ärgerliche!") brachte KW vom politischen Gegner und der Öffentlichkeit nur Häme ein.

Damit ist nun Schluß!

Laut "Tagesspiegel" vom 17.9.12, "Wirtschaft stellt sich hinter Wowereit", sprang nun mit dem Präsidenten der IHK-Berlin, Eric Schweitzer, KW ein wahrer Freund mit den folgenden Worten zur Seite:

„Klaus Wowereit trägt keine persönliche Schuld, und er hat als Aufsichtsratsvorsitzender, soweit ich das beurteilen kann, keine entscheidenden Fehler gemacht“.

Und:

Als der Eröffnungstermin im Mai abgesagt wurde, habe sich Wowereit "sofort und intensiv auf die Suche nach den Ursachen gemacht und die richtigen Konsequenzen gezogen."

Diese Worte kommen einem vor wie die Stellungnahme eines Fußballtrainers, dessen Mannschaft gerade nach hecktischen Umstellungen und Auswechslungen 0:7 vor heimischem Publikum verloren hat, und der anschließend von „vielen guten Ansätzen“ spricht. Fußball-Kommentatoren sagen dann deutlich, daß der Trainer wohl ein anderes Spiel gesehen haben muß.

Ähnlich verhält es sich mit den Aussagen des Berliner IHK-Präsidenten.

Wir möchten daher Herrn Schweitzer nur noch einmal stichpunktartig an die großartige und „fehlerfreie“ Arbeit des Aufsichtsratsvorsitzenden KW erinnern:
  • Der offensichtlich überforderte Flughafenchef Schwarz wurde von KW ausgesucht und mit einem fürstlichen Gehalt bedacht.
  • Auf die Einstellung eines Geschäftsführers Finanzen wartet man bis heute.
  • Der angesehene Technikchef Thomas Weyer verließ 2008 die Flughafengesellschaft und baut jetzt die 3. Piste in MUC.
  • Fehlende Nachfragen zur Terminierung des BBI/BER, ob denn in Berlin tatsächlich schneller gebaut werden könne als beim vergleichbaren Neubauprojekt in München: In Berlin wollte man zwischen Richtfest und Inbetriebnahme nur die halbe Zeit benötigen.
  • Mangelnde Präsenz vor Ort. Laut B.Z. war der Aufsichtsrat mit seinem Vorsitzenden KW in 4 Jahren nur zweimal auf der BER-Baustelle.
  • Kein entschiedenes Vorgehen gegen die vielfach berichtete Schwarzarbeit - womit nicht die Tätigkeit des Flughafenchefs gemeint ist - auf der BER-Baustelle.
  • Schließung Tempelhofs mit der unwahren Begründung, daß eine Offenhaltung von THF zu einem Baustopp des BBI/BER führen würde. Leichtfertige Aufgabe von Reservekapazitäten in THF mit der Folge einer riskanten Überlastung von Tegel.
  • Kurz vor der Absage des BBI/BER-Eröffnungstermins 17.3.13 am 8.5.12, als die Berliner Spatzen sich schon heißer gepfiffen hatten, wurde dieser überholte Termin noch vielfach bestätigt - ohne Rücksicht auf die Planungen der gewerblichen Mieter. 

Wie heißt es doch im Lied "Ein Freund, ein guter Freund" der "Comedian Harmonists" von 1930:

"Ein Freund, ein guter Freund,
das ist das Schönste, was es gibt auf der Welt.
Ein Freund bleibt immer Freund,
und wenn die ganze Welt zusammenfällt.
Drum sei auch nicht betrübt,
wenn dein Schatz dich nicht mehr liebt.
Ein Freund, ein guter Freund,
das ist der größte Schatz, den's gibt."

Schön für KW und ES, schlecht für Berlin!

Und haben es die unvergessenen "Comedian Harmonists" verdient, mit KW und ES in einem Atemzug genannt zu werden? Nein, das haben sie nicht!

Ihr Thema-Tempelhof Team
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Montag, 17. September 2012

Königreich Spanien: Überraschender Rücktritt der Ministerpräsidentin der Region Madrid

Esperanza Aguirre.
Esperanza Aguirre, Ministerpräsidentin des Landes Madrid

Heute Mittag um 14 Uhr trat überraschend die Ministerpräsidentin des Landes Madrid, Esperanza Aguirre, zurück. Nach den persönlichen Beweggründen, die sie angeführt hatte, sind inzwischen  neuere Versionen über die Rücktrittsgründe von Esperanza Aguirre als Ministerpräsidentin der Region Madrid bekanntgeworden.

Die persönlichen Gründe, die auch verständlich wären, insbesondere, nachdem sie vor ca. einem Jahr wegen Brustkrebses operiert worden war, nach ihren eigenen Aussagen aber erfolgreich und ohne weitere Folgen, liegen politische Gründe näher.

Schon 2008, nach den Parlamentswahlen, die Mariano Rajoy damals zum zweiten Male verloren hatte, wurde Aguirre als mögliche Gegenkandidatin für den Parteitag gehandelt, um die Partei anzuführen, hatte aber nicht ausreichende Delegierte auf ihrer Seite, so daß die Sache nicht weiterbetrieben wurde.


In den letzen Wochen und Monaten wurde die Kritik Aguirres an der Regierung Rajoy stärker, insbesondere gegen die Mehrwertsteuererhöhung, die noch vor einem Jahr Aguirre und Rajoy bekämpften, als es hieß, Rodríguez Zapatero würde diese planen. Nach erfolgter Steuererhöhung krisisierte Aguirre die Entscheidung Rajoys öffentlich. Sie als Liberale sieht in Steuererhöhungen mehr Nach- als Vorteile.


Scgon die sozialistische Vorgängerregierung unter Rodríguez Zapatero zahlte der Madrider Landesregierung nicht die Steuern aus, die ihr zustanden, und Rajoy ist da nicht besser, obwohl er von der gleichen Partei ist. Bei der letzten Zahlung behielt die Zentralregierung 1 Mrd. Euro ein, und das wurde ihm von Aguirre am 3. September scharf kritisiert, denn so würde das defizit der Landesregierung erhöht.


Außerdem gab es Anfang September interne Streitigkeiten. Mayor Oreja, baskischer PP-Politiker und Innenminister unter der Regierung Aznar, der die Terroristenbande ETA stark bekämpfte, sowie Esperanza Aguirre widersetzten sich der ETA-freundlichen Politik Rajoys, die so ganz im Widerspruch zur bisherigen Politik der Volkspartei steht. Die kürzliche Genehmigung der Freilassung des ETA-Mörders und Geiselnehmers Bolinaga wegen angeblicher Endphase seiner Nierenkrebserkrankung, was durch die Gerichtsmediziner bestritten wird, hat in der PP für großen Unmut gesorgt. Dies wird die PP in den baskischen Landtagswahlen am 21. Oktober viele Stimmen kosten, denn es ist ein verrat an den Terroropfern und den PP-Wählern dort und überall. Aber auch bei den am gleichen Tag stattfindenden vorgezogenen Landtagswahlen in Galicien, wo die neue Partei des ehemaligen Banesto-Präsidenten Mario Conde, der auch Galicier ist, antritt, werden der PP sehr wahrscheinlich einen Denkzettel für die verfehlte Handhabung der Krise verpassen.


Die Landtagswahlen in Madrid im Mai 2011 gewann Aguirre zum driten Male seit 2003 mit einer historischen absoluten Mehrheit. Viele wählten Esperanza Aguirre, nicht die PP, die unter der Führung Rajoys profillos ist und keine wegweisenden Entscheidungen trifft. Solche Ergebnisse wird die PP nie mehr einfahren.


Unwahrscheinlich erscheint, daß Aguirre zusammen mit anderen unzufriedenen Leuten aus der PP eine neue Partei aufbauen wird. Wie sie selbst heute gesagt hat, dachte sie stets, die Politik sei eine vorübergehende Beschäftigung, und acht Jahre seien eigentlich genug. Aber wie das so ist, war sie am Ende 36 Jahre aktiv in der Politik:

Bis 1996 war sie Stadträtin in Madrid, unter Aznar Kultusministerin und dann auch Senats-Vorsitzende, bis sie dann 2003 Ruiz Gallardón als Ministerpräsidenten von Madrid ablöste, der zur gelciehn Zeit Oberbürgermeister der Stadt Madrid wurde, was er bis Ende 2011 blieb, als Rajoy ihn zum Justizminister ernannte (seine Nachflgerin im Amt ist Ana Botella, die Ehefrau José María Aznars).

Nachfolger Aguirres wird ihr Vize Igancio González, ein klarer Gegner Rajoys, allerdings mit viel weniger Charisma.


Eins ist klar: Aguirre hat einen guten Zeitpunkt für einen Nachfolger gewählt, der bis 2015 Zeit hat, sich bekannt und beliebt zu machen. Ihre Entscheidung ist aber auch ein Schlag ins Kontor Rajoys, denn die Folgen der verfehlten Krisenpolitik der PP-Zentralregierung bei den zwei Landtagswahlen Ende Oktober werden von Bedeutung sein und könnten eventuell verheerend für Rajoys Zukunft als Premierminister sein.



Donnerstag, 13. September 2012

Die Null steht!

Wowereit__

Die Regierungserklärung von Klaus Wowereit zum ProblemBER



Am 12. September verkündete das Bundesverfassungsgericht sein ESM-Urteil, Apple Inc. präsentierte seinen mutmaßlich nächsten Megaverkaufsschlager iPhone 5 - und heute präsentierte nun Klaus Wowereit seinen ProblemBer, unseren heißgeliebten Phantom-Flughafen 2.0.

Daß die Null steht, war lange Zeit ein Qualitätsnachweis für die effektive Verteidigungsstrategie einer Fußballmannschaft. Wenn jedoch die Null auf beiden Seiten des Doppelpunktes stand, war das immer der Beweis für einen rasenden Stillstand - und die Punkteausbeute war entsprechend mager.

Wir meinen nun, daß Klaus Wowereit ein torloses Unentschieden der schlechten Sorte zu verantworten hat, da noch nicht einmal von einem abschließenden oder nachprüfbaren Ergebnis gesprochen werden kann, obwohl die 90 Minuten + Verlängerung + Nachspielzeit + ungenauer Zeitmessung schon lange vorbei sind.

Was bot Klaus Wowereit also dem Obersten Souverän, dem Wahl-Bürger, als Erklärung für das im Brandenburger Sand vergrabene Steuergeld an?

Wenig! Angelehnt an die Werbeaussage des iPhones 5 kann man nicht unbedingt vom Größten sprechen, was den Berlinern im Zusammenhang mit der offenbar permanenten BER-Terminverschieberei passieren konnte.

Als der Regierende Bürgermeister und Aufsichtsratsvorsitzende der Flughafengesellschaft dann schließlich das Wort ergriff, ging auf die Anwesenden im Berliner Abgeordnetenhaus ein wahres Phrasengewitter nieder.

"Ja, es sind Fehler gemacht worden, auch große und ärgerliche!", war da zu hören, und Klaus Wowereit verriet der Welt, dass sich Termine nicht aus dem Votum von Politikern, sondern aus dem von Fachleuten ergeben würden, und gab somit dem katastrophalen Ablauf die erwartet schicksalshafte Note.

Und "Flughäfen dieser Größe kauft man nicht von der Stange", offenbarte Klaus Wowereit seinen Zuhörern, um "Fairness und Faktentreue" anzumahnen. Nach einer "schonungslosen Analyse" seien jetzt die entsprechenden "Handlungsbedarfe" ermittelt worden. Insgesamt bezeichnete Klaus Wowereit das Flughafenprojekt als Erfolgsgeschichte. 

Daß sich ein seit 2001 amtierender Aufsichtsratsvorsitzender in diese Allgemeinplätze flüchtet, kann nur als skandalös bezeichnet werden.

Vorab wurde bekannt, daß das vom Länderfinanzausgleich hochsubventionierte Land Berlin einen Nachtragshaushalt von 444 Millionen Euro für den BER verabschiedetet hatte, ohne daß dafür neue Schulden hatten aufgenommen werden müssen - wobei die über 60 Milliarden Euro Bestandsschulden Berlins davon selbstverständlich vollkommen unberührt blieben.

Und inklusive der bisher eingeräumten Mehrkosten von 1,2 Milliarden Euro ergibt sich ein vorläufiger Gesamtbetrag von 4,3 Milliarden Euro für den BER Schönefeld.

Als das private Bauträger-Konsortium 2003 einen Kostenvoranschlag von 4 Milliarden Euro vorlegte, brachen Wowereit & Platzeck die Gespräche ab und erklärten, den Flughafen in Eigenregie - zu einem geringeren Betrag -  errichten zu wollen.

Das Ergebnis ist jetzt zu besichtigen, und man ahnt, daß die Zukunft weitere Erhöhungen des Gesamtbetrags bringen wird - und daß auch das jetzt genannte Eröffnungsdatum weiterhin als unsicher gelten muß.     

Ihr Thema-Tempelhof Team


P. S.
Wir sind übrigens inzwischen nicht zum "Thema Wowereit" mutiert, auch wenn die gehäufte Verwendung entsprechenden Fotomaterials diese Vermutung entstehen lassen könnte.
Da aber auch die Luftverkehrspolitik in Berlin von Beginn an allein vom Regierenden Bürgermeister durchgesetzt worden ist, kommen wir an einer gehäuften Verwendung des entsprechenden Materials nicht vorbei - leider!


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Dienstag, 3. Juli 2012

Preußen in Algerien im Zuge der Kolonialisierung

Frankreich versuchte, die Kolonialmacht auch mit anderen Weißen zu festigen

Postkarte aus dem algerischen La Stidia: Ursprünglich war Brasilien
das Ziel der deutschen Auswanderer gewesen.

Algerien feiert am 3. Juli den 50. Jahrestag seiner Unabhängigkeit. Fast 7000 Deutsche hatten sich ab 1830 überreden lassen, das Siedlungswerk Frankreichs in Nordafrika zu unterstützen. Mit der Unabhängigkeit verließen die Nachkommen Algerien und gingen nach Frankreich.

Am 12. Juni 1830 landete Frankreich mit seiner Kriegsflotte und einer 37.000 Mann starken Armee an der algerischen Küste, nahm die Stadt Algier nach einer Belagerung am 4. Juli ein. Algerien wurde französische Kolonie. Um ihren Einfluß zu festigen, versuchten die französischen Kolonialbehörden, Landsleute für eine Auswanderung nach Algerien zu gewinnen und sie dort anzusiedeln. Ebenfalls mit dem Ziel, die neue Kolonie an der Nordküste Afrikas mit Franzosen zu bevölkern, beschloß die französische Nationalversammlung im September 1848 spezielle Gesetze, welche die Auswanderung in die Kolonien fördern sollten, wie beispielsweise freier Transport, freie Unterkunft und freies Ackerland in der Größenordnung zwischen zwei und zehn Hektar, kostenlose Überlassung von Vieh und Saatgut. Nur 100.000 Franzosen ließen sich von diesem Angebot bis 1870 anlocken.

Da die Bemühungen derart wenig Erfolg zeitigten, warben Auswanderungsagenten in den 1840er Jahren auch in Frankreichs Nachbarländern, den deutschen Staaten, Luxemburg, Belgien, der Schweiz für eine Auswanderung nach Algerien. Zwischen 1820 und 1882 hatten insgesamt nur 380.000 Franzosen ihre Heimat verlassen, allerdings mehr als vier Millionen Deutsche in Übersee eine neue Heimat gesucht. Viele preußische Untertanen wurden mit Tricks zur Auswanderung nach Algerien überredet. Dabei spielten die französischen Auswandererhäfen Le Havre und Dünkirchen eine wichtige Rolle.

Anfang Mai 1846 hatten sich etwa 200 arme Familien aus der Mosel- und Eifelregion und dem Trierer Raum ins nordfranzösische Dünkirchen begeben, um von dort nach Brasilien auszuwandern. In Dünkirchen mussten sie erfahren, daß für die Überfahrt nach Brasilien keine Schiffe bereitstanden und sie einem Schwindler aufgesessen waren. Eine Rückkehr in die Heimat war unmöglich; dort hatten sie alles aufgegeben, einschließlich ihrer preußischen Staatsangehörigkeit. Am 16. Juni 1846 entschied der französische Ministerrat in Paris, die Preußen nach Algerien zu verschiffen.

Da die französische Kolonialmacht gerade die strategisch wichtige Küstenstraße von Mostaganem nach Oran ausbauen ließ, wurden die Preußen zu deren Sicherung in zwei an ihr gelegenen Siedlungen angesiedelt. Eines der „deutschen“ Dörfer war „La Stidia“ östlich von Oran, nahe bei dem Verwaltungssitz Mostaganem, direkt am Mittelmeer. Das zweite deutsche Dorf war St. Leonie. Es lag etwa fünf Kilometer vom Verwaltungssitz Arzew entfernt, etwas im Landesinnern.

In La Stidia errichteten 1846/47 die Auswanderer, unterstützt von französischen Soldaten, 66 Häuser, eine Schule, ein Bürgermeisteramt, eine kleine Kapelle, einen Waschplatz sowie Straßen und Wasserleitungen. Gärten und Obstbaumplantagen wurden angelegt. 1848 hatte das Dorf 467 Einwohner, hauptsächlich Menschen aus dem Raum Trier, dem Kreis Daun, und den Altkreisen Prüm, Bitburg, Bernkastel und Wittlich. Mit den 438 Preußen lebten noch 25 Franzosen und vier Spanier in La Stidia.

Das Dorf St. Leonie war etwas kleiner. 1851 bildeten 168 Preußen und 26 Franzosen die Dorfgemeinschaft. Ein Dorfplan zeigt, dass der Ort wie eine Kolonialsiedlung sehr planmäßig angelegt war, versehen mit einer Stadtmauer, zwei Stadttoren und vier Wachtürmen.

Die meisten Familien lebten von der Landwirtschaft. Die Felder, die man ihnen zugewiesen hatte, waren vom Dorf drei bis vier Kilometer entfernt, die klimatischen Verhältnisse für die Eifelländer ungewohnt, die Erträge in den Anfangsjahren gering. Am Anfang versuchten sie, die traditionellen europäischen Pflanzen anzubauen. Mißernten durch Trockenheit verschlimmerten die Lage. Von den Sumpfgebieten breitete sich die Malaria aus. Täglich präsentieren sich daher im „Consulate« Preußen, die nichts inniger wünschten, als in ihr Vaterland zurückzugelangen.

Das ungewohnte, heiße Klima und der Wassermangel führten zu einer Abkehr von der traditionellen Landwirtschaft. Man experimentierte und pflanzte schließlich Eukalyptus, Palmen, Oliven, Mandeln und Wein an. Allmählich brachte die Umstellung kleine Erfolge, gewöhnten sich die jüngeren Auswanderer an das neue Land, und es entstanden Verbindungen zu den nichtpreußischen Mitbewohnern. Viele Elsässer, aber auch manche Franzosen nahmen die Lebensgewohnheiten der Eifelländer an und integrierten sich in die deutschen Siedlungen. Das führte dazu, daß in La Stidia und St. Leonie über Jahrzehnte die deutsche Sprache und auch Gebräuche und Sitten aus der alten Heimat der Deutschen das Dorfleben bestimmten. Bis 1900 war die deutsche Sprache in diesen Dörfern noch dominant. Auch die Verwaltung wurde zeitweise von Einwanderern aus Preußen beziehungsweise deren Nachfahren geleitet. Der Bürgermeister von La Stidia war von 1884 bis 1890 Nikolaus Etten. Die französischen Behörden versuchten jedoch, die „Preußen“ möglichst bald einzubürgern.

Der Deutsch-Französische Krieg von 1870/71, bis zu dem zwischen 6000 und 7000 Deutsche ins französische Algerien eingewandert waren und rund jeder 20. Weiße ein Deutscher war, bedeutete eine Zäsur. Während Deutsche und Franzosen sich in Europa umbrachten, hatten die deutschen Auswanderer im französischen Afrika mit Repressalien zu kämpfen. Viele entschieden sich deshalb, ihre Staatsangehörigkeit aufzugeben und stattdessen die französische anzunehmen. So kämpften im Ersten Weltkrieg Enkel der Auswanderer aus Deutschland auf Seiten Frankreichs gegen das Land ihrer Vorväter.

Nach dem Deutsch-Französischen Krieg wurden per Gesetz vom 21. Juni 1871 100.000 Hektar Land in Algerien den für Frankreich optierenden Elsaß-Lothringern zur Verfügung gestellt. Etwa 6000 zu großen Teilen deutschsprachige Elsaß-Lothringer hatten von diesem Angebot Gebrauch gemacht. Sie gründeten etwa 60 Dörfer im Departement Algier im elsässischen Stil. Nach 1871 war man vor allem auf die Stärkung der französischen Bevölkerung bedacht, die Begünstigung fremder Einwanderer hörte auf. 1880 lebten bereits 350.000 Franzosen in Nordafrika.

Bei der Unabhängigkeit Algeriens 1962 gab es eine Million Weiße in Algerien, die nach oft fünf bis sechs Generationen das Land verlassen mußten, unter ihnen auch die Nachkommen der Preußen. Die meisten dieser „Pieds Noirs“ (Schwarzfüße) fanden in Südfrankreich eine neue Heimat, nur durch das Mittelmeer von ihrer alten Heimat getrennt.    

(sprachlich und grammatisch leicht korrigiert)

Donnerstag, 31. Mai 2012

Der Brünner Todesmarsch vor 67 Jahren

Höhepunkt der »wilden Vertreibungen«

Vor 67 Jahren begann der Brünner Todesmarsch – Schlimmstes Nachkriegsverbrechen bis »Srebrenica«

Der Brünner Todesmarsch, der am 31. Mai 1945 begann, gilt als das schlimmste Verbrechen in Europa zwischen dem Ende des Zweiten Weltkriegs und dem Massaker von Srebrenica 1995. Rund 27000 Deutsche aus der mährischen Hauptstadt wurden in einem Gewaltmarsch nach Niederösterreich ausgetrieben, rund 5200 starben.

„Kurz vor neun Uhr abends marschierten junge Revolutionäre der tschechischen Nationalgarde durch die Straßen und riefen alle deutschen Bürger auf, um neun vor ihren Häusern zu stehen, ein Gepäckstück in jeder Hand, bereit, die Stadt auf immer zu verlassen. Den Frauen blieben zehn Minuten, die Kinder zu wecken, sie anzuziehen, ein paar Habseligkeiten zusammenzupacken und sich auf die Straße zu stellen. Hier mussten sie allen Schmuck, Uhren, Pelze und Geld den Nationalgardisten ausliefern, bis auf den Ehering; dann wurden sie mit vorgehaltenen Gewehren in Marsch gesetzt, der österreichischen Grenze entgegen.


Es war stockfinster, als sie die Grenze erreichten; die Kinder weinten, die Frauen stolperten vorwärts. Die tschechischen Grenz­wachen drängten sie über die Grenze den österreichischen Grenzwachen entgegen. Da kam es zu neuer Verwirrung. Die Österreicher weigerten sich, die Leute aufzunehmen, die Tschechen, sie wieder ins Land zu lassen. Sie wurden für die Nacht auf ein offenes Feld getrieben. Am nächsten Morgen erschienen ein paar Rumänen als Wache. Sie sind immer noch auf diesem Feld, das zum Konzentrationslager geworden ist. Sie haben nur zu essen, was ihnen die Wachen gelegentlich bringen. Rationen erhalten sie nicht … Jetzt wütet eine Typhusepidemie unter ihnen, und es heißt, dass täglich 100 sterben. 25000 Männer, Frauen und Kinder haben diesen Gewaltmarsch aus Brünn mitgemacht, darunter eine Engländerin, die mit einem Nazi verheiratet ist, eine Österreicherin von 70 Jahren, eine 86-jährige Italienerin.“
Mit diesem Bericht informierte die britische Journalistin Rhona Churchill bereits in der „Daily Mail“ vom 6. August 1945 die Öffentlichkeit der Siegermächte. Was in dem Bericht noch fehlt, ist das Ende der Aktion: Nach längerem Zögern wurde im Juni 1945 die Grenze zum damals sowjetisch besetzten Niederösterreich dann doch noch geöffnet. Viele starben allerdings noch auf dem weiteren Weg bis nach Wien an Krankheiten. Nachdem jahrzehntelang die Zahl der Teilnehmer und Opfer des Todesmarsches unklar war, erlauben neuere Forschungen ziemlich präzise Angaben: 27000 Menschen mussten den Marsch antreten, rund 5200 überlebten ihn nicht. Die seit dem hohen Mittelalter bis 1918 mehrheitlich deutsche Stadt Brünn verlor ihre deutsche Prägung.


Der Brünner Todesmarsch stellt einen Höhepunkt der sogenannten wilden Vertreibungen vor der Potsdamer Konferenz der alliierten Siegermächte Ende Juli 1945 dar. Der Begriff „wilde Vertreibungen“ ist etwas problematisch, weil er auch so verstanden werden kann, dass diese Aktionen unkoordiniert gewesen seien – ein Missverständnis, dem tschechoslowakische und tschechische Regierungen spätestens seit dem Jahre 1948 nur zu gerne Vorschub geleistet haben. Tatsächlich waren auch diese Aktionen fast ausnahmslos bestens organisiert und von der Staatsspitze in Prag, wenn nicht direkt angeordnet, so doch gerne unterstützt. Zahlreiche Aufrufe der damaligen Verantwortlichen in aller Öffentlichkeit sprechen eine eindeutige Sprache. Kein anderer als Staatspräsident Edvard Benesch forderte am 16. Mai 1945 auf dem Altstädter Ring in Prag die kompromisslose „Liquidierung der Deutschen“.

Ohne Wissen und Wollen hoher Regierungsstellen und der anwesenden sowjetischen Besatzungsmacht wären die „wilden Vertreibungen“ ohnehin nicht möglich gewesen. Dies zeigt auch die Lage im von US-Truppen eroberten Westböhmen, wo es keine einzige dieser Aktionen gab.

Im Falle des Brünner Todesmarsches lässt sich die maßgebliche Verstrickung der Staatsspitze besonders gut belegen. Das vorwiegend von tschechischen Arbeitern der „Brünner Waffenwerke“ durchgeführte Verbrechen wurde maßgeblich von einem tschechischen Hauptmann („Stabskapitän“) namens Bedřich Pokorný organisiert. Der Geheimdienstoffizier der Zwischenkriegstschechoslowakei, der in der Protektoratszeit als Gestapo-Spitzel tätig gewesen sein soll, hat nach der Wiederherstellung der ČSR seine Tätigkeit fortgesetzt. Nach dem Sieg der Roten Armee wurde er in die Kommunistische Partei der Tschechoslowakei (KSČ) und zudem in das „Korps der nationalen Sicherheit“ (Sbor národní bezpecnosti, SNB) aufgenommen.

Nicht einmal zwei Wochen vor dem Brünner Todesmarsch, am 18. Mai 1945, erhielt er das Kommando des SNB in Mähren und war als solcher unmittelbar für die Vertreibung der Brünner Deutschen verantwortlich. Einen Monat nach der Tat, am 2. Juli 1945, wurde er auf persönliche Weisung des kommunistischen Innenministers Václav Nosek in die Spitze von dessen Inlandsgeheimdienst „Obranné zpravodajství“ (OBZ) gerufen. Nachdem Pokorný zuvor nur faktisch den Dienst geleitet hatte, übernahm der vormalige Stellvertreter am 15. Januar 1946 auch offiziell die Leitung des OBZ, welcher bei der kommunistischen Gleichschaltung der ČSR eine unrühmliche Bedeutung gewinnen sollte.
Zuvor organisierte er im Juli 1945 aus dem Prager Innenministerium heraus das Massaker von Aussig am 31. Juli. Dieses Verbrechen forderte zwar weit weniger Tote, war aber in der Durchführung besonders grausam: Teilweise wurden Kinderwagen von einer Aussiger Elbbrücke gestoßen und anschließend mit MG beschossen. 

Das Massaker von Aussig nimmt auch deswegen eine Sonderstellung ein, weil die tschechoslowakische Regierung am 16. Juli, dem Vortag des Beginns der Potsdamer Konferenz, zunächst die öffentlichen Massaker aussetzte. „Aussig“ war insofern auch vom Termin her eine Ausnahme. Wegen des Tatablaufs war schon seit jeher klar, dass das dortige Massaker staatlich organisiert war, doch erst seit den 1990er Jahren weiß man, dass ein und der selbe Mann – eben Bedřich Pokorný – bei beiden Verbrechen die Fäden zog. Infolge interner Flügelkämpfe und Intrigen verbrachte er trotz seiner „Verdienste“ bei der Vertreibung der Sudetendeutschen die Jahre 1953 bis 1958 in tschechoslowakischer Haft, doch später wurde er mit Entschädigung und neuen Ämtern rehabilitiert. Am 31. März 1968, auf dem Höhepunkt des Prager Frühlings, wurde der inzwischen 64-Jährige bei Brünn erhängt aufgefunden – ob er von eigener Hand starb oder ermordet wurde, ist unklar.     

M.R./K.B.




Samstag, 19. Mai 2012

Russenpiste Schönefeld: BBI, der Flughafen in Gedanken

Dem Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit entgleiten die Ereignisse


BBI_I_

Der Titel ist dem Filmtitel „Was nützt die Liebe in Gedanken“ entlehnt, weil wir uns nun schon seit Jahren fragen, was ein „Flughafen in Gedanken“, sprich der BBI, nutzt, da doch die Region einen realen Großflughafen mit einem realen Ergänzungsflughafen benötigt.

Wir hatten auch überlegt, Klaus Wowereit im Untertitel zu zitieren, da er nun wieder obenauf ist und im Berliner Abgeordnetenhaus ganz dringend eine Botschaft loswerden mußte, die da lautete: "Die Bürgerinnen und Bürger konnten sich am Tag der offenen Tür anschauen, was für ein toller Flughafen das wird", Spiegel Online 18.5.12.

BBI_II_

Diese Worte als Realitätsverlust zu bezeichnen, wäre wohl schon zu viel der Ehre, angesichts der Tatsache, daß die Genehmigungsbehörden dem „tollen Flughafen“ von Herrn Wowereit wegen Brandschutzdefiziten ein „No Go!“ erteilt haben.

Und daß Herr Wowereit die Unverfrorenheit besitzt, nach den schon erfolgten Terminabsagen von 2007, 2010 und 2011 – die allesamt in seiner Amtszeit als Aufsichtsratsvorsitzender der Flughafengesellschaft stattfanden – die Verantwortung weiter zu schieben, macht uns fassungslos.

Spätestens nach der Terminabsage 2010 hätte eine gründliche Fehleranalyse stattfinden müssen, die sicher zu dem Ergebnis gelangt wäre, daß - wie wir schon damals berichteten - der Flughafenneubau um ca. 18 (!) Monate hinter dem Zeitplan lag und daß es kein Indiz dafür gab, daß dieser Rückstand wesentlich verkürzt werden könnte.

Aber nein, da mutmaßlich nicht sein konnte, was politisch nicht sein durfte, verkündete man den nächsten unrealistischen Eröffnungstermin.  Da die Medien dieses Spielchen mitmachten, fand dieses Theater erst sein Ende, als eine Genehmigungsbehörde den Daumen senkte.

In diesem Zusammenhang ist es auch vollkommen uninteressant, was Klaus Wowereit wann nicht gewußt hat – die einzig sinnvolle Frage lautet jetzt, warum der Regierende Bürgermeister von Berlin, in seiner Funktion als Aufsichtsratsvorsitzender der Flughafengesellschaft, nicht nachgefragt hat.

Eins ist jedenfalls glasklar:

Die Mauer des Schweigens, die in den letzten Jahren rund um das regionale Flughafensystem hochgezogen worden ist, beginnt zu wanken, und insbesondere außerhalb der Berliner Stadtgrenzen gibt es offensichtlich Genehmigungsbehörden, die Sachverhalte fachlich und nicht politisch bewerten.

Und daß sich diese Instanzen von gelungenen oder nicht gelungenen Publikumstagen beeindrucken lassen könnten, ist u. E. mehr als unwahrscheinlich. Klaus Wowereit verliert zunehmend die Kontrolle über die Ereignisse.

Und am Ende des Tages fehlt nicht „nur“ ein funktionsfähiger Brandschutz für den BBI, sondern es fehlt eine planungssichere Luftverkehrskapazität für Millionen Menschen in der Region, da man mit Tempelhof, dem als „Flughafen der Millionäre“ geschmähten Ergänzungsflughafen, leichtfertig und ohne rechtlichen Zwang eine Entlastungsmöglichkeit aus der Hand gegeben hat.

Und um das Versagen und die Unfähigkeit der Berliner Landespolitik komplett zu machen, hält man nun stur - und erneut wider besseres Wissen - an der Schließung Tegels fest.

Mit den besten Grüßen
Ihr Thema-Tempelhof Team


P. S.

Auf der Website der Flughafengesellschaft war übrigens kurzzeitig als vermeintlich neues Eröffnungsdatum der 17. März 2012 (!) zu lesen. Tja, dieses Datum ist inzwischen verfallen, wie auch andere Daten davor und danach ohne Ergebnis verfallen sind.

Veranstaltungshinweis:

Berliner Flughafenfreunde und das Aktionsbündnis www.be-4-tempelhof.de laden ein zur Demonstration:

Nein zum Einzelflughafen-Konzept! Berlin braucht mehr als einen Flughafen! Gegen die Schließung des Flughafens Berlin-Tegel (TXL)

Datum: Sonntag, den 20.05.2012
Uhrzeit und Ort: 15:00 Uhr bis 18:30 Uhr im Flughafen Tegel (Haupthalle)

Bitte zeitnah unter www.be-4-tempelhof.de aktuelle Informationen abfragen.

Der Newsletter „Das Thema Tempelhof“ - die Fachinformation zum Flughafen Tempelhof und zum Flughafensystem der Region Berlin-Brandenburg, wird herausgegeben vom Verein „Das Thema Tempelhof e.V.“ 

Pressekontakt / V. i. S. d. P.

Wolfgang Przewieslik, 0176-223 550 70, 030-231 30 318, wolfgang.przewieslik@das-thema-tempelhof.de


Freitag, 11. Mai 2012

Schönefeld: Nichts sagen, nichts sehen, nichts hören!

Wer trägt die Verantwortung für das Flughafendesaster?

Russenpiste Schönefeld - Der Fluch des Rosinenbombers
Während inzwischen der böse Scherz kursiert, "Niemand hat die Absicht, einen Flughafen zu errichten", und ein umfassender "Willy-Brandt-Schutz" für den Namenspatron des Pannen-Flughafens gefordert wird, läuft die Rechtfertigungsmaschine für das Flughafendesaster auf Hochtouren.

Erstaunt erfahren wir nun von Wowereit, Schwarz und der Berliner CDU, daß beim neuen Flughafen die Sicherheit Vorrang haben würde und daher die aktuellen Defizite ohne Zeitdruck abgearbeitet würden.

Das kommt uns so vor, als ob ein PKW-Hersteller die verzögerte Markteinführung seines neuen Spitzenmodells mit dem nachträglichen Einbau von Bremsen begründen würde.

Aber ohne couragierte Menschen, die dem neuen Flughafen ohne „Bremse“ die technische Freigabe verweigerten, wäre wohl auch hier alles seinen sozialistischen Gang gegangen. Die „Bremsen“ wären mutmaßlich – wenn überhaupt - still und heimlich bei laufender Fahrt eingebaut worden, und im äußersten Fall hätte man nicht darüber, sondern über verlorene Menschenleben reden müssen.

Wie u. a. die BILD-Zeitung am 9.5.12 berichtete, sollte der „modernste Flughafen“ Europas mit handbetriebenen Brandschutztüren und Sprinkleranlagen eröffnet werden. Die zuständige Bauaufsichtschefin verweigerte daraufhin die notwendige Freigabe.

Man ahnt in diesem Zusammenhang, daß demnächst weitere schockierende Fakten ans Tageslicht kommen werden, die die grundsätzliche Frage aufwerfen werden, ob die Struktur des gesamten Flughafens leistungsfähig genug, sprich sicher, ist und ob der neue Flughafen überhaupt betriebsfähig ist.

Während diese vitalen Fragen von der Landespolitik abgehandelt werden, als ob es sich um eine Ampelschaltung handeln würde, verblüfft uns der Geschäftsführer der Berlin Tourismus GmbH und vormalige Sprecher der Flughafengesellschaft, Burkhard Kieker, mit der folgenden Beschwichtigung: „Jetzt sagen alle: Ach guck mal an, bei denen geht auch mal was schief.“

Das Netzportal des Berliner Senats, berlin.de, baut dieses Zitat in einen Beitrag mit dem Titel „Flughafen-Panne kann sympathisch wirken“ ein. Weiter heißt es dort: „Korrekt, zuverlässig, technikaffin- so sieht die Welt die Deutschen. Gut, daß die Flughafenpanne mit diesem drögen Vorurteil aufräumt.“

Wir fragen uns, ob man diese Äußerungen nur als dumm oder sogar als fahrlässig bewerten muß, da das Kalauern über Sicherheitsdefizite wohl nicht zum Anforderungsprofil von Führungskräften zählt.

Unterdessen redet sich das mutmaßlich erste Bauernopfer dieses Skandals, der Flughafenchef Dr. Rainer Schwarz, um Kopf und Kragen.

Im RBB-Inforadio vom 9.5.12 ließ uns Herr Dr. Schwarz wissen: "In der Tat hat es da - das ist auch unsere Erkenntnis - offensichtlich lange Zeit eine völlig falsche Einschätzung gegeben, was in der Restzeit bis zum 3.6. noch geschafft werden kann und was nicht geschafft werden kann." Gleichzeitig erklärte Herr Dr. Schwarz, daß er für den Flughafen seit Jahren gekämpft habe und das auch weiterhin tun werde.

Uns bleibt da nur noch übrig, auf die äußerst überzeugenden Ergebnisse seiner Arbeit hinzuweisen.

Übrigens haben alle Beteiligten „vergessen“, daß es sich bei der aktuellen Verschiebung nicht erst um die zweite Terminabsage, sondern schon um die vierte handelt, da schon für 2007, für 2010 und für 2011 die Flughafeneröffnung angekündigt worden war.  

Wir hoffen jedenfalls, daß am Ende nicht der Hausmeister als Schuldiger ausgemacht werden wird, sondern der Chef, da der Fisch erfahrungsgemäß immer am Kopf zu stinken anfängt und nicht vom Schwanz.  

Und wir werden sehen, mit welchen „drögen Vorurteilen“ (berlin.de) der Flughafenskandal demnächst noch aufräumen wird.  

Mit den besten Grüßen
Ihr Thema-Tempelhof Team
 
P. S.

Wir verwenden für den Newsletter und für unsere Website eine neue Grafik:

Der erste und einzige BER: Berlin-Tempelhof. Bis zur Eröffnung von TXL 1974 war Tempelhof der einzige Berliner Flughafen und trug daher das IATA-Kürzel BER. Zu sehen ist ein Koffer-Anhänger für einen PAN AM-Flug aus dem Mai 1971.


© Das Thema Tempelhof e.V. 2012: Direkte und indirekte Textzitate sind nur mit einer vollständigen Quellenangabe zulässig.

Der Newsletter „Das Thema Tempelhof“ - die Fachinformation zum Flughafen Tempelhof und zum Flughafensystem der Region Berlin-Brandenburg, wird herausgegeben vom Verein „Das Thema Tempelhof e.V.“ 

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Mittwoch, 9. Mai 2012

Gurkensalat auf der Berliner Russenpiste

General Potemkins Russenpiste in Schönefeld
Selten so gelacht. Welch eine Erfrischung. Da saßen sie nun, diese Gurken von bolschewistischen Revanchisten, und wußten nicht, wie sie erklären sollten, daß die Russenpiste nun doch nicht wie geplant am 3. Juni 2012 in Betrieb genommen werden kann. 

Das war ja abzusehen. Vor sechs Monaten sah es dort in der östlichen Zonenpampa nicht viel besser aus als jetzt, mit dem einfallslosen Glaskasten der Flughafenhaupthalle des ehemaligen Interflug-Standortes noch halb im Rohbau. Das sah doch schon ein Laie, daß dort in sechs Monaten kein Flugverkehr stattfinden konnte.

Die beiden Cornichons neben den Obergurken blickten auch sehr erschrocken drein, vor allem der Sprecher der Geschäftsführung. Und der Chefplaner sah genauso aus wie man es von einer Gurke erwartet. Und man fragt sich doch, was denn so ein Chefplaner eigentlich macht. Ist er denn nicht täglich auf dem Gelände, auf dem angeblich ein Flughafen entsteht? Oder plante er nur die Feiern für den Partybolschewiken Wowereit?

Saure Gurken und bolschewistisches Chaos
Das haben die beiden roten Gurken nun von ihrer Tempelhofschließung. Das ganze Chaos ist außerdem ein Warnhinweis dafür, daß eine Hauptstadt wie Berlin nicht auf Ausweichflughäfen verzichten kann. Die Schließung Tempelhofs und Tegels ist verantwortungslos, da man die Stadt nicht nur ihrer Steuereinnahmen beraubt, die jetzt nach Brandenburg gehen, sondern auch, weil zwei voll betriebsfähige und weltbekannte Flughäfen nicht sinnlos geschlossen werden dürfen. Gerade Tempelhof ist mit seinen zwei Pisten und dem viertgrößten Gebäudekomplex der Welt der bequemste und ausbaufähigste Flughafen überhaupt, der nur einer umfangreichen Modernisierung bedürfte, um wieder ein Aushängeschild für Berlin anstatt zum Bolzplatz des Mobs umgewandelt und zerstört zu werden.

Das Chaos auf der Russenpiste wird auch noch nicht bedachte Folgen haben. Während man noch vor zwei Wochen selbst seitens der Tempelhofverräter Lufthansa und Air Berlin versicherte, die Eröffnung am 3. Juni werden ohne Zweifel stattfinden, ist jetzt mit millionenschweren Schadensersatzforderungen zu rechnen, denn Fluggesellschaften haben bereits neue Flüge geplant und verkauft, die Läden haben sich auf die Eröffnung vorbereitet und viele sind schon zum Umzug von Tegel in die Ostzone gezwungen worden. 

Vielleicht sollte man den Namen des Flugplatzes ändern: Wie wäre es mit General Potemkins Russenpiste? Der würde doch besser passen als der des unehrenhaft gegangenen ehemaligen Bundeskanzlers und ebenso unfähigen ehemaligen Regierenden Bürgermeisters Berlins. 

Bei soviel Dilettantismus ist es an der Zeit, daß die Hauptverantwortlichen zur Verantwortung gezogen und zum Rücktritt gezwungen werden. Und dann wundern die sich noch über den Erfolg der Piraten.

Montag, 12. März 2012

Das Preußenlied




Das patriotische Lied der Preußen, welches sogar zwischendurch den Stand der Nationalhymne erkor, bestand ursprünglich aus 6 Strophen. Gedacht als Geburtstagsgeschenk für Friedrich Willhelm III.

Bernhard Thiersch schrieb den Text 1830 in Halberstadt. 1832 vertonte August Neithardt die Strophen.
1851 wurde das Preußenlied um die 7. Strophe erweitert.

Hier der Text in deutscher Schrift, weiter unten in lateinischer Schrift, dazwischen ein Video mit dem gesungenen Lied und Text der preußischen Nationalhymne:





Ich bin ein Preuße, kennt ihr meine Farben?
Die Fahne schwebt mir weiß und schwarz voran;
daß für die Freiheit meine Väter starben,
das deuten, merkt es, meine Farben an.
Nie werd ich bang verzagen,
wie jene will ich's wagen
|: Sei's trüber Tag, sei's heitrer Sonnenschein,
   Ich bin ein Preuße, will ein Preuße sein. :|

Mit Lieb' und Treue nah' ich mich dem Throne,
Von welchem mild zu mir ein Vater spricht;
Und wie der Vater treu mit seinem Sohne,
So steh' ich treu mit ihm und wanke nicht.
Fest sind der Liebe Bande;
Heil meinem Vaterlande!
|: Des Königs Ruf dring in das Herz mir ein:
   Ich bin ein Preuße, will ein Preuße sein! :|

Nicht jeder Tag kann glühn im Sonnenlichte;
Ein Wölkchen und ein Schauer kommt zur Zeit;
Drum lese keiner mir es im Gesichte,
Dass nicht der Wünsche jeder mir gedeiht.
Wohl tauschten nah und ferne
Mit mir gar viele gerne;
|: Ihr Glück ist Trug und ihre Freiheit Schein:
   Ich bin ein Preuße, will ein Preuße sein! :|

Und wenn der böse Sturm mich wild umsauset,
Die Nacht entbrennet in des Blitzes Glut;
Hat's doch schon ärger in der Welt gebrauset,
Und was nicht bebte, war der Preußen Mut.
Mag Fels und Eiche splittern,
Ich werde nicht erzittern;
|: Es stürm' und krach', es blitze wild darein!
   Ich bin ein Preuße, will ein Preuße sein! :|

Wo Lieb' und Treu' sich so den König weihen,
Wo Fürst und Volk sich reichen so die Hand,
Da muss des Volkes wahres Glück gedeihen,
Da blüht und wächst das schöne Vaterland.
So schwören wir auf's Neue
Dem König Lieb' und Treue!
|: Fest sei der Bund! Ja schlaget mutig ein!
   Wir sind ja Preußen, lasst uns Preußen sein. :|

Und wir, die wir am Ost- und Nordseestrande,
Als Wacht gestellt, gestählt von Wog' und Wind,
Wir, die seit Düppel durch des Blutes Bande
An Preußens Thron und Volk gekettet sind,
Wir woll'n nicht rückwärts schauen,
Nein, vorwärts mit Vertrauen!
|: Wir rufen laut in alle Welt hinein:
   Auch wir sind Preußen, wollen Preußen sein! :|

Des Preußen Stern soll weithin hell erglänzen,
Des Preußen Adler schweben wolkenan,
Des Preußen Fahne frischer Lorbeer kränzen,
Des Preußen Schwert zum Siege brechen Bahn.
Und hoch auf Preußens Throne
Im Glanz von Friedrichs Krone
|: Beherrsche uns ein König stark und mild,
   Und jedes Preußen Brust sei ihm ein Schild! :|


Freitag, 9. März 2012

Die unerträgliche Betulichkeit der Republik

Der lächerlich anmutende Abgang des Präsidenten der Bundesrepublik in der Gestalt eines kleinbürgerlichen Spießers

An was erinnert diese Inszenierung?

Gestern fand ein weiterer Trauerakt der Republik statt: Die Verabschiedung des zurückgetretenen Bundespräsidenten Christian Wulff war nicht nur übertrieben feierlich, sie war Grund für fremdes Schamgefühl. Inmitten einer vuvuzelatrötenden Masse, die das Schloß Bellevue in Berlin -aus sicherer Ferne für die Teilnehmer an der Trauerfeier- gewissermaßen umzingelt hatte, um die protokollarisch-zynische Heuchelei vor dem Schloß zu stören, ließ sich der unter mehr als fragwürdigen Umständen zum Rücktritt gezwungene Wulff Liedchen von der Bundeswehr vorspielen, wobei der ganze Aufmarsch der Musiktruppen mit Wehrmachtshelmen und Fackeln eher an die theatralischen Aufzüge der Diktatur erinnerte als an eine Traditionsfeier. Schon alleine der Zapfenstreich ist eine gähnend langweilige Spießbürgerparade, die, kombiniert mit der von Wulff gewünschten und so ganz fehl am Platze erscheinenden Tanzsaloneinlage, zur unerträglichen Betulichkeit einer heruntergekommenen Republik geworden ist. Eher wäre hier Chopins Trauermarsch angesagt gewesen, denn die Lage der republikanischen Staatsform in Deutschland ist nicht gerade Anlaß zum Feiern.

Schloß Bellevue im roten Schimmer der Geschmacklosigkeit
Ist denn der Abgesang auf den unehrenhaft scheidenden Bundespräsidenten so etwas wie ein Rundfunkwunschkonzert? Und wie ist es möglich, daß ein ehrlos gegangen gewordener Bundespräsident, der nicht einmal die volle Amtsperiode absolviert hat, sich ein solches Spektakel leisten kann? Eher wäre angesagt gewesen, den Abschied von Schloß Bellevue auf eine morgendliche Kurzparade mit Nationalhymne und Ansprache zu beschränken.

Verdient hatte es die Republik, daß man das ganze Heucheltheater mit Vuvuzelas und Trillerpfeifen niedertönte. Das ferngehaltene Volk hat auf diese Weise der abgehobenen Politikerriege seine Mißgunst gezeigt, aber das schien wohl die wenigsten der Gäste wirklich zu beeindrucken, während die Soldaten recht nervös wirkten. Im Grunde hätte es die ganze feine Gesellschaft der Europadiktatur und des Landesverrats verdient, von den Massen überrollt und in den Teich geworfen zu werden.

Eine Republik, die so wenig Respekt seitens der Bevölkerung gezeigt bekommt, müßte sich ernsthaft überlegen, ob sie überhaupt noch eine Daseinsberechtigung besitzt. Noch beschämender ist, daß bei den Protesten -wie sollte es auch anders sein- wildgewordene Ausländer beim Lärmmachen mitwirkten. Welche Berechtigung hat hier ein Ausländer, gegen den Staatschef eines Landes zu protestieren, das nicht das seine ist? Das zeigt doch auch, wie weit der Staat sich in Auflösung befindet.

Die vier Vorgänger, jeder zu 200.000 € im Jahr plus Zulagen plus Pensionen aus ihren anderen Regierungsämtern: Horst Köhler, Richard von Weizsäcker, Walter Scheel und Werner Herzog. Nur Köhler hat darauf verzichtet.

Genauso merkwürdig wie beschämend ist die Tatsache, daß die Bundesrepublik inzwischen fünf noch lebende ehemalige Bundespräsidenten hat, die alle auf Lebenszeit ein beachtliches Jahresgehalt bekommen (200.000 Euro plus Büro plus Dienstwagen plus Sekretärin) und weiterhin in das Staatsprotokoll eingebunden sind. Bei Herrn Wulff dürfte das bei seinem Alter auch die nächsten dreißig Jahre noch so sein. Und da sage noch jemand, die Monarchie sei teuer!

Apropos Monarchie: Die kommt selbst in Deutschland immer mehr ins Gespräch, ist sie doch die Staatsform der Stabilität und des Ansehens. Der König ist König bis ans Ende seines Lebens, es gibt keine ehemaligen Könige in der Monarchie. Die königliche Familie ergänzt das oberste Amt und macht es repsäsentativer, sowohl protokollarisch als auch aus der Sicht der Identität zwischen Volk und Monarch, Volk und Staat, denn die Krone repräsentiert den Staat in seiner monarchischen Form auf natürlichste und unfassendste Weise, deren Träger und seine Familie im gleichen Verhältnis zum Volk stehen wie das Volk aus Familien gebildet wird. Und so wie der Familienvater als solcher bis zu seinem Tode geachtet wird, kommt auch dem König als Vater der Nation und des Volkes der gleiche Respekt zu. Ein Präsident der Republik, den im Land schon nur wenige, aber die Menschen im Ausland kaum kennen, kann den Mangel an Volksverbundenheit und historischer Legitimität nicht ausgleichen.

Wulff war als Bundespräsident das Produkt eines politischen Kompromisses zwischen zwei Regierenden. ZWEI! Er war nicht die Wahl des Volkes. Die Republikaner in Monarchien führen immer an, das Oberhaupt des Staates solle vom Volke gewählt werden, nur ist diese Idealvorstellung eine Augenwischerei, denn in keiner Republik ist das tatsächlich der Fall, denn das Volk wählt nicht eine Persönlichkeit, in der es sich repräsentiert sieht, sondern es sind die großen Parteien, die das Sagen haben und entscheiden, wer als neue Marionette ihrer Politik an die Spitze des Staates gelangt. 

Bei dem Nachfolger Wulffs wird das nicht anders sein, wenngleich hier vielleicht fünf statt nur zwei Politiker die Entscheidung treffen oder bereits getroffen haben, bevor das Kaspertheater der Bundesversammlung stattfindet, um die Entscheidung scheindemokratisch abzusegnen.

Die Totengräber der Nation

Die Republik hat abgewirtschaftet. Das Trauerspiel des Fackelregiments der Wehrmachtshelme hat gezeigt, daß die von Wulff buntgewünschte Republik in Auflösung begriffen ist. Es ist Zeit zum Umdenken, zur Neugründung, zum Umbau eines Staatswesens, das wie alle Kunstgebilde zum Untergang verurteilt ist.

Sonntag, 19. Februar 2012

Friedrich II. und das Apothekenwesen

Im Dienste von Staat und Volksgesundheit

Schon seine Vorgänger hatten das Apothekenwesen gefördert, aber Friedrich der Große setzte neue Akzente


König Friedrich der Große war ein König, der umfassend volks-, aber auch betriebswirtschaftlich denken konnte. Sein Vater, der Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I., dem das wirtschaftliche Gedeihen Preußens gleichfalls sehr am Herzen lag, hatte auf dem Gebiet des Apothekenwesens bereits zweckmäßige, fruchtbringende Regelungen getroffen. So wurde in dem zu dessen Regierungszeit erlassenen „Allgemeinen und neu geschärften Medicinal-Edict“ von 1725 erstmalig im deutschsprachigen Raum eine wissenschaftliche Ausbildung und amtliche Prüfung für die Apotheker zumindest der größeren Städte Preußens vorgeschrieben. Preußen wurde dadurch weltweit zum Initiator eines wissenschaftlichen Studiums der Pharmazie. Bereits am 12. Februar 1698, also noch zur Regierungszeit von Friedrichs des Großen Großvater Kurfürst Fried­rich III., dem späteren König Fried­rich I. in Preußen, war unter dem Titel „Dispensatorium Brandenburgicum oder Vorschrift wie gemäß in den Provinzen der Grafschaft Brandenburg Medikamente zu bereiten sind“ ein mustergültiges pharmazeutisches Handbuch erschienen. Darin waren rund 1000 wesentliche Arzneimittel (davon 906 Mischungen) erfasst und übersichtlich in ihrer Zusammensetzung und Anwendung aufgeführt, was der Entlastung gerade der kleineren Apotheken in Preußen und damit dem Nutzen des „gemeinen Mannes“ dienen sollte.

Mit dem „Neu geschärften und von Sr. Kgl. Majestät in Preußen gnädig revidierten Hof-Apotheken-Reglement“ vom 23. November 1763 konnte König Friedrich II. folglich auf wichtige Vorleistungen seines Vaters und Großvaters aufbauen. Das Verdienst Friedrichs des Großen bestand vor allem darin, nicht nur wie seine Vorgänger wichtige Forderungen an das Apothekenwesen in Preußen zu dekretieren, sondern durch eine fördernde und kontrollierende, volkswirtschaftlich ausgerichtete Tätigkeit in allen mittleren und kleinen Städten Preußens Apotheken zu etablieren. Dies kam nämlich nicht nur der Gesundheit der dortigen Stadtbewohner zugute, sondern auch der umwohnenden Landbevölkerung. Dass König Friedrich wirtschaftlich zu denken verstand und Nutzen aus jener Tätigkeit sowohl für den Staat wie für den einzelnen Apotheker, aber auch für die gesamte Bevölkerung Preußens in pharmazeutischer Hinsicht schlagen wollte, soll anhand dreier Beispiele aus der Mark Brandenburg belegt werden.

„Es ist allhier zu Oranienburg noch niemalen eine Apotheke geweßen“, mit diesen Worten begann ein Gesuch des aus Oranienburg gebürtigen Apothekers Johann Friedrich Patze an den König. Er wolle deshalb in der nahe Berlin gelegenen Kleinstadt eine Apotheke „etablieren“. Patze hatte den Apothekerberuf acht Jahre lang erlernt und bat geschäftstüchtig darum, neben seiner Apotheke auch eine „Materialwarenhandlung“ betreiben zu dürfen. König Friedrich ließ unverzüglich durch seine Beamten sowohl die Notwendigkeit einer Apotheke in Oranienburg wie auch den Umstand prüfen, ob durch den Betrieb einer „Materialwarenhandlung“ in Oranienburg etwa die dortigen Kaufleute in ihren Geschäften Abbruch erleiden können. Danach mußte Patze, weil er „im Ausland“ die Apothekenkunst erlernt hatte, sich vor dem zuständigen „Collegio Medico“ in Berlin der amtlichen, im Dekret von 1725 vorgeschriebenen Prüfung unterziehen und durfte sich nach bestandener Prüfung stolz „Pharmazie-Candidatus“ nennen. Nun erhielt Patze 1753 das erstrebte Apotheken-Privileg für Oranienburg, in dem ihm der König zusicherte, die einzige für Oranienburg zugelassene Apotheke betreiben zu dürfen. Damit sich der Apotheker aber mangels Konkurrenz nicht etwa gehen ließ, wurde er in jenem Privileg zugleich verpflichtet eine „rechtschaffene“ Apotheke anzulegen und stets „tüchtige und frische“ Medikamente im Vorrat zu haben. Damit auch die Staatskasse etwas profitierte, musste Patze zehn Taler für die Ausstellung des Dokuments berappen und der Oranienburger Stadtphysikus (Amtsarzt) erhielt den Auftrag, regelmäßig den Zustand der neuen Oranienburger Apotheke zu überprüfen.

Über die Notwendigkeit eines „Apothekenmonopols“ in preußischen Kleinstädten hatte der damals noch junge König Friedrich bereits 1747 ausführlich nachgedacht, als der Apotheker Heller für seine ererbte Apotheke in Lenzen an der Elbe um die Gewährung desselben bat. Der König erkannte in seinen recht modern anmutenden Überlegungen durchaus an, dass die Erteilung eines Monopols immer Schäden infolge mangelnder Konkurrenz hervorrufen könne, andererseits aber in Kleinstädten mit 800 bis 2000 Einwohnern nicht zwei Apotheken nebeneinander bestehen können.

Umsichtig reagierte der König auch im Falle des Apothekers Prätorius aus der Kleinstadt Grabow im benachbarten Mecklenburg, der reichlich 25 Jahre später die Absicht äußerte, aus wirtschaftlichen Gründen nach Preußen überzusiedeln. Prätorius wollte sich im bisher apothekenlosen Kleinstädtchen Putlitz als Apotheker niederlassen. König Friedrich gewährte ihm 1774 sehr gern diese Bitte und förderte ihn nicht nur mit der zeitweiligen Befreiung von gewissen Steuern, sondern subsidierte sogar dessen Zuzug mit finanziellen Mitteln. Der volkswirtschaftlich denkende König wusste genau, dass diese Subsidien aus der Staatskasse gut angelegt waren, lockte er doch damit einen bemittelten Neubürger in seine Lande, förderte dadurch das Gesundheitswesen und gewann für die Zukunft nach Ablauf der dreijährigen Steuerbefreiung einen neuen, guten Steuerzahler. Nicht erlassen wurde Prätorius natürlich die für Apotheker in Preußen obligatorische Prüfung vor dem „Collegio Medico“ über seine pharmazeutischen Fachkenntnisse. Als guter Preuße starb der frühere Mecklenburger Untertan Christian Prätorius 1808 im Alter von 74 Jahren in Putlitz, nachdem er neben seiner Tätigkeit als Apotheker sogar lange Jahre als Bürgermeister jener Kleinstadt in der Prignitz gewirkt hatte. 

Jürgen W. Schmidt


Samstag, 18. Februar 2012

Verraten und verkauft: Rußlands Angebot für eine Rückgabe Königsbergs


Offenbar hat Moskau Deutschland nicht erst 1991, sondern auch bereits im Mai 1990 Verhandlungen über das nördliche Ostpreußen angeboten. Das Angebot wurde sofort und ohne jede weitere Sondierung von einem subalternen Diplomaten abgewiesen.

Keine Tabus: Offenbar hat Michail Gorbatschow Helmut Kohl das nördliche Ostpreußen sogar mehrfach angeboten.
War das ernst gemeint oder war es eine Falle, fragt das Nachrichtenmagazin „Spiegel“ und spielt damit schon fast die Nachricht als solche herunter: 
Im Mai 1990 suchte Generalmajor Geli Batenin, ein wichtiger Militärberater Gorbatschows, einen Gesprächstermin mit einem Vertreter der deutschen Botschaft in Moskau. Am 2. Juli findet das Gespräch mit Joachim von Arnim, dem Leiter der politischen Abteilung der Botschaft statt, zunächst geht es nur um die Nato-Mitgliedschaft des bis zu Oder und Neiße wiedervereinten Deutschlands. 

Doch dann sprach Batenin „unter dem Siegel der Verschwiegenheit“ das Thema nördliches Ostpreußen an, es sei „ein in jeder Beziehung zurückgebliebenes Gebiet, nicht nur im Vergleich zum Vorkriegsstand“. 


Es gebe eine „Frage des nördlichen Ostpreußens“ und „dieses Problem werde sich für die Sowjetunion und Deutschland über kurz oder lang stellen“, erklärt Batenin und verweist auf die damaligen Unabhängigkeitsbestrebungen im Baltikum. „Batenins Worte lassen nur eine Deutung zu. Er will Verhandlungen über das nördliche Ostpreußen anstoßen“, so der „Spiegel“. Glaubt man dem Magazin, und alles spricht dafür, so hat von Arnim die Avance des Gorbatschow-Beraters sofort und ohne Rücksprache mit Bonn abgewehrt. „Wenn die Sowjetunion Probleme mit der Entwicklung des nördlichen Ostpreußens habe, so sei das ihre Sache“, fertigt er seinen Gesprächspartner laut „Fernschreiben 2585“ ab.

Als eines der wenigen Dokumente dieser Art sei es damals als geheim eingestuft worden. Noch am selben Abend sei das Schreiben nach Bonn übermittelt worden, wo das Verhalten von Arnims offenbar gebilligt wurde. Das interessante Dokument ist nun beim „Spiegel“ gelandet – sei es durch Schlamperei im Archiv des Auswärtigen Amtes oder durch „unwiderstehliche Argumente“ des Magazins oder aber nach bewußter Freigabe im Vertrauen auf eine kaum mehr vorhandene demokratische Rechte in Deutschland, die sich über den damaligen Umgang mit einer solchen Initiative noch empören würde. Immerhin geschah der Vorstoß zu einem Zeitpunkt, als Ostpreußen völkerrechtlich noch zu Deutschland gehörte. 


Der „Spiegel“ ist allerdings um „gute Gründe“ für das Verhalten von Arnims nicht verlegen: „Briten, Amerikaner und Franzosen hätten niemals einen sowjetisch-deutschen Ostpreußen-Deal akzeptiert, der Polen in eine Zangenlage gebracht hätte“, wenn nicht sogar überhaupt der ganze Vorstoß eine trickreiche Intrige gegen Michail Gorbatschow gewesen sei, unkt das Magazin, um diesem dann „vorwerfen zu können, er verrate russische Interessen“. 

Konrad Badenheuer

 
KONRAD BADENHEUER: 
Mantel Gottes

Wie sensationell ist die Meldung, Moskau habe im Mai 1990 Verhandlungen über das Königsberger Gebiet gesucht und sei in Bonn auf Granit gestoßen? Der „Spiegel“ selbst berichtete ja schon 1999 „von einem Gerücht, das nie überzeugend dementiert wurde“: Gorbatschow habe 1991 Bundeskanzler Kohl den Verkauf von „Kaliningrad“ für 70 Milli- arden Mark angedient, Jelzin habe diese Offerte später erneuert. Kohl sei „nicht bereit, zu diesem Thema etwas zu sagen“. 

Leser dieser Zeitung wissen mehr: Schon im Mai, Juli und August 1991 berichtete das Ostpreußenblatt über entsprechende Sondierungen Moskaus, die damals Hans-Dietrich Genscher ablehnte. Ostpreußen-Sprecher v. Gottberg erklärte in einem Interview 2002: „Damals stand die konkrete Kaufpreisforderung von 48 Milliarden D-Mark im Raum, wobei Genschers Ausspruch überliefert ist, daß er ,Königsberg nicht einmal geschenkt’ haben wolle.“ 

Neu an der jetzigen Meldung ist der frühe Zeitpunkt: Die Ablehnung einer solchen Initiative noch vor der Unterzeichnung des 2+4-Vertrages am 12. September 1990 ist auch rechtlich überaus pikant, weil Ostpreußen bis zu diesem Tage de iure zu Deutschland gehörte. 

Selbst wenn es stimmen sollte, daß ein Bonner Eingehen auf diese Initiative die „kleine“ Wiedervereinigung verhindert hätte, stockt einem bei der Lektüre der Atem. Wie erklärte v. Gottberg auf dem Deutschland-Treffen 2000: „Ob noch einmal in absehbarer Zeit – wie beim Gorbatschow-Angebot – der Mantel Gottes vorbeirauscht, wissen wir nicht. Wir erhoffen es, aber es muß dann auch jemand da sein, der sich bemüht, einen Zipfel des Mantels zu erhaschen.“ 


Quelle: Preußische Allgemeine 29.05.2010