Hier finden Sie einen historischen Abriß der preußischen Ostgebiete:
Schlesien, Ostpreußen, Westpreußen, Ostbrandenburg, Hinterpommern.
Der Text stammt von der Österreichischen Landsmannschaft (siehe unten) 
Schlesien
Schlesien – das ist geographisch das  Stromgebiet der oberen und mittleren Oder mit ihren vielen Nebenflüssen  zwischen Sudeten und Polnischem Jura, Beskiden und Spreewald – nimmt im  östlichen kontinentalen Mitteleuropa eine Mittellage ein. Es liegt etwa  im Schnittpunkt der Süd-Nord-Verbindung von der nördlichen Adria zur  preußisch-baltischen Ostseeküste und der West-Ost-Achse von der  niederländischen Nordseeküste zum Schwarzen Meer. Beiden Liniensystemen  entsprechen, fußend auf den natürlichen Gegebenheiten, alte  geschichtliche und vorgeschichtliche Handelsstraßen, Wanderwege von  Menschen und Kultur, politische Einflüsse. Am Breslauer Oderübergang  kreuzten sich seit der Frühzeit die vielbegangene Bernsteinstraße und  die später sogenannte Hohe Straße: an dieser strategisch wie  wirtschaftlich wichtigen Stelle entstand als politisches, dynastisches,  kirchliches und kulturelles Zentrum des schlesischen Oderlandes die  Stadt Breslau.
Auf  Grund seiner geographischen Lage kommt Schlesien so im großen  europäischen Rahmen gewissermaßen eine Schlüsselstellung und eine  natürliche Mittlerfunktion zu. Man hat es daher mit Recht als Brücken-  und Begegnungslandschaft zu beschreiben und charakterisieren versucht.  Als solche hat es im Laufe seiner Geschichte immer wieder Einwirkungen  von allen Seiten der Windrose erfahren, es hat aber auch nach allen  Seiten ausgestrahlt. Im kleineren nationalen, staatlichen Bereich  dagegen befand es sich stets in exponierter Randlage – ganz gleich, ob  es zu Böhmen, Polen, Ungarn, Österreich oder Preußen gehörte – und hatte  mit Schwierigkeiten zu kämpfen, sobald seine rundum ausgreifenden  Verbindungen durch geschlossene Grenzen, wirtschaftliche oder politische  Spannungen behindert wurden.
Das Land an der oberen und mittleren  Oder hat seinen Namen von den Silingen, einem Teilstamm der germanischen  Wandalen. Sie kamen aus dem skandinavischen Norden und siedelten von  etwa 100 v. Chr. bis 400 n. Chr. um ihr Heiligtum auf dem Zobten, dem  Silingberg, wie er noch in Quellen des 13. Jahrhunderts heißt. An dieses  Silingen erinnern auch der Silingfluss, das ist die Lohe, die am Zobten  vorbeifließt, und der Silinggau, der später von den Slensanen, den  Silinggaubewohnern, eingenommen wurde.
In der Völkerwanderung zogen die Silingen zum größten Teil mit den Wandalen – aus unbekannten Gründen – nach Westen ab. Sie gingen 406/7 bei Mainz über den Rhein und gelangten über Frankreich und Spanien nach Nordafrika, wo ihr Reich 533/37 zerstört wurde.
In die in Schlesien durch den Abzug der Silingen freigewordenen Wohnsitze sickerten im 6. und 7. Jahrhundert von Osten her Slawen, aus ihrer Urheimat im Dnjepr-Pripjet-Gebiet kommend, in kleinen Gruppen ein. Sie übernahmen mit dem Land auch die Landesbezeichnung: denn das lateinische Wort Silesia der Geschichtsquellen, der deutsche Name Schlesien, das polnische Slask und das tschechische SIezsko bedeuten nichts anderes als “Silingenland”. Die noch vorhandenen Silingenreste wurden von den einwandernden Slawen – so Prokop – entweder ausgerottet oder von ihnen aufgesogen, assimiliert.
Zankapfel zwischen Böhmen und Polen
Im 9. Jahrhundert siedelten in Schlesien  – ohne dass wir Näheres wüssten – mehrere slawische Kleinstämme: die  Golensizen im Gebiet um Troppau, die Opolanen um Oppeln (die spätere  Stadt Oppeln ist nach ihnen benannt), die Slensanen südlich von Breslau  im alten Silingengau, die Dedosizen um Glogau, die Trebowanen zwischen  Liegnitz und Trebnitz und die Boboranen im Bobergebiet. Sie gerieten im  10. Jahrhundert zum überwiegenden Teil in böhmische Abhängigkeit: Der  tschechische PremysIidenfürst Wratislaw I. (894-921) gründete die Burg  Breslau und gab ihr den Namen “Wratislawia”, der dann auf die später  entstehende Stadt überging: Das lateinische “Wratislawia” wurde in  deutschem Munde zu Breslau. Über Böhmen erhielt Schlesien in der 2.  Hälfte des 10. Jahrhunderts das Christentum. Wenig später, im Jahre  1000, wurde unter Mitwirkung Kaiser Ottos III. das Bistum Breslau für  den schlesischen Raum gegründet, nachdem das Land kurz zuvor (um 990)  durch kriegerische Eroberung zeitweise an den Staat der polnischen  Piasten angeschlossen worden war. Es blieb jedoch weiterhin zwischen  Böhmen und Polen umstritten und wechselte mehrfach die Herrschaft.
| Breslau, Blick auf den Dom | 
In der ersten, vom Ende des 10. bis  in die Mitte des 12. Jahrhunderts reichenden Periode bildete das  Oderland einen Zankapfel zwischen Böhmen und Polen. Es befand sich kraft  militärischer Eroberung bald in der Hand des einen, bald des anderen.  Die Bevölkerung war damals slawisch, aber weder tschechisch, noch  polnisch. Dieser Abschnitt endete mit dem Glatzer Pfingstfrieden 1137,  der Schlesien zum größten Teil bei Polen und nur die Grafschaft Glatz,  Leobschütz, Jägerndorf und Troppau mit Umgebung bei Böhmen beließ.
Im polnischen Staatsverband
Die nun beginnende zweite Periode  innerhalb des polnischen Staatsverbandes von 1137 bis 1335 war zugleich  die der größten politischen Selbständigkeit und entscheidender innerer  Veränderungen des Oderlandes. Bereits 1138 wurde es beim Tode des  Polenherzogs Boleslaw III. durch Erbteilung zu einem plastischen  Teilfürstentum erhoben, dessen Zugehörigkeit zu Polen sich zunehmend  lockerte. Wenige Jahre nach Amtsantritt wurde der erste schlesische  Herzog aus dem Piastenhause, Wladislaw, von seinen Brüdern vertrieben  (1146). Er flüchtete mit seiner Familie zu seinem Schwager, Kaiser  Konrad III., ins Deutsche Reich. 1163 kehrten die Söhne Wladislaws nach  17-jährigem Exil in Deutschland mit Unterstützung Kaiser Friedrich  Barbarossas in ihre väterliche schlesische Herrschaft zurück. Sie  lehnten sich fortan nicht nur politisch an das Reich an und heirateten  deutsche Frauen, sondern nahmen auch ihnen ergebene deutsche Ritter und  Mönche, denen Kaufleute, Handwerker und Bauern folgten, als Helfer mit  in ihr Land. Mit Hilfe in großer Zahl herbeigerufener deutscher Siedler  wie einheimischer Slawen und der Organisationsformen des deutschen  Rechtes wurde das nur dünn besiedelte, kaum erschlossene Oderland im  Laufe des 13. Jahrhunderts gerodet und kultiviert, fruchtbar und  volkreich gemacht. Neben zahllosen Kirchen und Klöstern entstanden bis  zum Ausgang des 14. Jahrhunderts mehr als 130 Städte und 1200 Dörfer  deutschen Rechtes. Aus eingesessenen Slawen und eingewanderten  Deutschen, die gemeinsam unter vorteilhaftem deutschen Dorfsiedel- oder  deutschem Stadtrecht lebten, entwickelte sich in friedlichem Miteinander  allmählich der ostdeutsche Neustamm der Schlesier. Das wirtschaftlich  und kulturell durch unermüdliche Arbeit und Leistung seiner Menschen  aufblühende Schlesien trennte sich – innerlich längst deutsch geworden –  von Polen auch staatsrechtlich im Vertrag von Trentschin 1335.
Zu Beginn des 13 Jahrhunderts war es den  energischen Herzogen Heinrich l., dem Gemahl der hl. Hedwig, und ihrem  Sohn Heinrich II für kurze Zeit gelungen, ein politisches schlesisches  Kraftzentrum aufzubauen, das weite Teile Polens, der Lausitz und der  angrenzenden Gebiete oderabwärts an sich zog. Mit dem jähen Tode  Heinrichs II auf der Wahlstatt bei Liegnitz im Kampf gegen die Mongolen  1241 brach das machtvoll aufstrebende “schlesische Reich” unter seinen  unmündigen Söhnen zusammen und zerfiel durch fortwahrende Teilungen in  eine Vielzahl kleiner und kleinster Teilfürstentümer. Da es im ebenfalls  zersplitterten Polen an einer bestimmenden Zentralgewalt fehlte, begann  Böhmen in das an seiner Ostflanke entstehende machtpolitische Vakuum  einzudringen. Seit dem Ende des 13 Jahrhunderts unterstellten sich die  schlesischen Plasten schutzsuchend einer nach dem anderen der böhmischen  Oberhoheit der Premysliden und nach ihrem Aussterben der Luxemburger  und schieden so mit ihren weithin eingedeutschten Territorien aus dem  Verbande Polens aus. Im Vertrage von Trentschin 1335, ratifiziert 1339,  wurde diese Entwicklung vom polnischen König Kasimir III in aller Form  anerkannt. Er erklärte für sich, seine Erben, Miterben und Nachfolger  urkundlich unter Eid, Berührung der heiligen Evangelien und  automatischem Verfall der Exkommunikation bei Zuwiderhandlung, dass er  keinerlei Anspruche auf Schlesien habe, noch jemals in Zukunft erheben  werde.
| Burg Tschochau | 
Schlesien war damit seit dem 13.  Jahrhundert nicht nur ein in friedlichem und rechtlichem Prozess deutsch  besiedeltes und kulturell deutsch geprägtes Land geworden, sondern  gehörte auch seit der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts als böhmisches  Nebenland staatsrechtlich zum Deutschen Reich. 1348 wurde es von Karl IV  als deutscher König, 1355 als römischer Kaiser feierlich in die Krone  Böhmens inkorporiert. Die Krone Böhmen aber war bis 1806 Bestandteil des  Deutschen Reiches, der König von Böhmen deutscher Kurfürst.
Die böhmische Periode
In der dritten, der böhmischen Periode  von 1335-1526, konnte Schlesien zunächst im 14. Jahrhundert unter der  sicheren Regierung der Luxemburger seine Aufwärtsentwicklung, seine  wachsende wirtschaftliche und kulturelle Blüte ungestört fortsetzen. Ein  spürbarer Rückschlag setzte erst im 15. Jahrhundert mit den  Hussitenkriegen und den böhmischen Thronstreitigkeiten ein. 1420 wurde  in Breslau als Ausdruck der Reichszugehörigkeit von Kaiser Sigismund ein  Reichstag abgehalten, der das Oderland in der Rolle eines  Hauptwiderstandszentrums gegen die reichs- und kirchenfeindlichen  Hussiten bestätigte und bestärkte. Die folgenden beiden Jahrzehnte waren  ganz von den Hussitenkämpfen erfüllt und sahen bald verheerende  hussitische Einfälle in Schlesien, bald Schlesier kämpfend in Böhmen.  Auch die anschließenden langen Regierungswirren in Prag ließen das  ausgeblutete schlesische Land nicht zur Ruhe kommen. Ganz im Gegenteil:  Jetzt schaltete sich der Nachbar im Süden, Ungarn, ein. Seinem  energischen König Matthias Corvinus gelang es, Mähren, Schlesien und die  Lausitz zu erobern (1469), sie verwaltungsmäßig zu zentralisieren und  bis zu seinem Tode (1490) als ungarische Nebenländer zu behaupten.
Teil Österreichs
Das 16. Jahrhundert brachte den Beginn  der vierten, der österreichischen Periode der schlesischen Geschichte.  1526 erbten die Habsburger sowohl die ungarische wie die böhmische  Königskrone und damit auch die Herrschaft über Schlesien. Seine  politische, kulturelle und wirtschaftliche Ausrichtung nach Süden in den  Donauraum blieb also weiterhin erhalten, der eigentliche politische und  kulturelle Bezugspunkt aber verlagerte sich nun von Prag und Budapest  in die große Kaiserstadt Wien. Die österreichische Zeit Schlesiens  dauerte rund 220 Jahre, von 1526 bis 1742/63, und war damit rund 20  Jahre länger als die nachfolgende Zugehörigkeit Schlesiens zu Preußen.  Sie hat dem Lande entscheidende Züge aufgeprägt, in der Konfessionsfrage  zum Beispiel.
Luthers Reformation hat in Schlesien  früh Fuß gefaßt und sich rasch über das ganze Land ausgebreitet. Am  Ausgang des 16. Jahrhunderts durften schätzungsweise neun Zehntel der  Schlesier dem Luthertum, das sich allerdings anfänglich in seinen  äußeren Formen nur unscharf von der alten Kirche abhob, zugeneigt haben.  Da die Wittenberger Reformation im Osten vorwiegend von der deutschen  Bevölkerung angenommen wurde, ist dies ein deutlicher Hinweis auf den  damals deutschen Charakter der schlesischen Bevölkerung. Erst im 17.  Jahrhundert gelang es der erneuerten katholischen Kirche in der  Gegenreformation mit Unterstützung des habsburgischen Staates die  Abfallbewegung aufzufangen und den kleineren Teil der Gläubigen sowie  zahlreiche verlorengegangene Kirchen und Klöster zurückzugewinnen oder  wiederzuerrichten. Dabei wurden nicht immer nur missionarische  pastoral-seelsorgerische Überzeugungsmethoden angewendet, sondern hier  und da auch mit Verlockungen, ja selbst mit mehr oder minder starkem  Druck, der bis zu Flucht und Auswanderung führen konnte, gearbeitet.  Hatten in der Anfangsphase der Reformation der katholische Klerus, die  Ordensgeistlichkeit und der katholisch bleibende Bevölkerungsteil  Benachteiligungen und Bedruckungen zu erleiden, so waren es später die  Evangelischen, die infolge des reichsrechtlich festgelegten Grundsatzes  “cuius regio, eius religio” in ihrer freien Religionsausübung behindert  wurden. Als sich die Schweden dann ihrer schlesischen  Religionsverwandten annahmen und ins habsburgisch-kaiserliche Schlesien  mit ihren Truppen eindrangen, trugen sie damit den großen 30-jährigen,  europäischen Macht- und Religionskonflikt in das Oderland. Er suchte es  schwer heim und dezimierte die Bevölkerung grausam. Die Katholiken  lernten die siegreichen Schweden, die Protestanten das Kriegsglück der  Kaiserlichen fürchten. Das von beiden kriegsführenden Parteien  unterschiedslos ausgeplünderte Land, das nach alter Gewohnheit den Krieg  ernähren mußte, litt in jedem Falle und immer.
| Oppeln | 
Die vielfältigen Spannungen,  Unsicherheiten, Widersprüche und beklagenswerten Leiden der Zeit  gerieten aber nicht nur zum Unheil, sie bewirkten eine tiefe  Verinnerlichung und Vergeistigung, die in der Hochblute der schlesischen  Mystik und Barockdichtung ihren sichtbaren Ausdruck fand. Mit  klangvollen Namen wie Martin Opitz, Andreas Gryphius, Hofmann von  Hofmannswaldau, Friedrich von Logau, Daniel Caspar von Lohenstein, Jakob  Böhme und Angelus Silesius übernahm Schlesien für Jahrzehnte die  Führung in der deutschen Literatur und wirkte anregend und  beispielgebend weit über das deutsche Sprachgebiet hinaus. Da erst 1702  in Breslau eine Universität errichtet wurde, war die studierwillige  schlesische akademische Jugend bis dahin gezwungen, die deutschen und  europäischen hohen Schulen außerhalb des Landes zu besuchen, das Eigene  wurde so immer wieder hinaus-, und das Fremde hineingetragen.  Aufgeschlossenheit und Toleranz waren die natürliche Folge.
In Parallele zum Geistesleben nahmen  bald nach dem 30-jährigen Krieg auch die Baukunst, Malerei und Skulptur  im gegenreformatorischen Barock einen ungeahnten glanzvollen Aufschwung.  Landauf landab entstanden bald prächtige Neubauten von ganzen  Klosterkomplexen, von Kirchen und Kapellen, bald wurden bestehende  Anlagen und Gotteshäuser in barocken Formen prächtig neu aus- und  umgestaltet. Selbst die vergleichsweise bescheidenen evangelischen  Friedens- und Gnadenkirchen zeigten ein anderswo ungewohntes barockes  Gewand.
Auf politischem Gebiet schließlich fällt  in die österreichische Zeit ein erster Versuch der Hohenzollern, sich  in Schlesien festzusetzen. Dies geschah in einer Zangenbewegung  gleichzeitig von Süden und von Norden her. Die fränkisch-ansbachischen  Hohenzollern erwarben 1523 das südschlesische Herzogtum Jägerndorf sowie  bald darauf die Pfandschaften Oderberg, Beuthen, Oppeln und Ratibor,  also den größten Teil Oberschlesiens. Sie verloren ihn aber bis zum  Ausbruch des 30-jährigen Krieges wieder, als sie von den Habsburgern  abfielen und sich auf die Seite des Winterkönigs Friedrich von der Pfalz  schlugen. Die brandenburgischen Hohenzollern schlossen mit Friedrich II  von Liegnitz-Brieg-Wohlau 1537 einen Erbvertrag, der freilich vom  habsburgischen Oberherrn des Herzogs aus guten Gründen nicht anerkannt  wurde. Die Hohenzollern scheiterten so vorerst mit ihrem Doppelgriff  nach Schlesien.
Mit dem Regierungsantritt Maria  Theresias 1740 wurde Schlesien unter Berufung auf (umstrittene) alte  Rechtstitel Preußen angeschlossen. Es bedurfte dreier verlustreicher  schlesischer Kriege Friedrichs II. des Großen (1740-42, 1 744-45 und  1756-63), um den Wechsel des schlesischen Oderlandes vom katholischen  österreichisch-deutschen Süden zum protestantischen preußisch-deutschen  Norden durchzusetzen. Dieser gewaltsame Wechsel – Österreich hatte  Schlesien seinerzeit legitim erheiratet – erfolgte außerdem um den Preis  der Teilung des Landes in das größere Preußisch Schlesien, das etwa  sechs Siebentel ausmachte, und das kleinere Österreichisch-Schlesien,  das nur ein Siebentel umfasste. Der Übergang an Preußen wurde von den  vorwiegend in Niederschlesien ansässigen Protestanten freudig begrüßt,  von den zumeist in Oberschlesien lebenden Katholiken dagegen beklagt und  mit gemischten Gefühlen hingenommen. Durch den Verlust Schlesiens, der  damals bestindustrialisierten, industriereichsten Provinz der  Habsburgermonarchie, wurde Österreich spürbar geschwächt, Preußen aber  so nachhaltig gestärkt, dass es Schritt für Schritt zur Vormacht in  Deutschland aufsteigen konnte.
Teil Preußens
Sofort mit dem Beginn der fünften, der  preußischen Periode (1724/63), setzte eine umfassende Neuorganisierung  des schlesischen Landes im Geiste Preußens und seinen Staatsbedürfnissen  entsprechend ein. Die Reste der alten ständischen Selbstverwaltung  wurden beseitigt, dafür Kriegs- und Domänenkammern errichtet. Die  preußische Kreiseinteilung mit dem Landrat an der Spitze löste die alte  Weichbildverfassung ab. Die bisher frei aus Privatinitiative operierende  Wirtschaft erfuhr eine kräftige und zielstrebige Förderung und Lenkung.  Die oberschlesische Industrie – in Ansätzen bereits in der ausgehenden  österreichischen Zeit vorhanden – nahm mit staatlicher Hilfe und Planung  einen gewaltigen Aufschwung zum zweitgrößten deutschen Industrierevier.  Das Verkehrsnetz wurde zeit- und bedürfnisgerecht ausgebaut.
| Schloß Moschen | 
Für kurze Zeit schlug das nationale  Herz Deutschlands in den Befreiungskriegen in Schlesien, von wo 1813 der  Aufruf “An mein Volk” erging. Die liberale Bewegung, vor allem in  Breslau, tat sich – trotz mancher Erfolge – bald schwer. Die  Weberunruhen zu Beginn der 1840er Jahre und die Revolution 1848/49  offenbarten wirtschaftliche Mißstände und politische Unzufriedenheit.  Der Kulturkampf (1872 – 1878) riss tiefe konfessionelle Wunden, die  teils falsch, teils nachlässig behandelten nationalen und sozialen  Probleme Oberschlesiens häuften unnötigen Konfliktstoff an.
Nach dem Ersten Weltkrieg fand eine  Volksabstimmung zum staatlichen Verbleib Schlesiens statt. Trotz der  erfolgreich für Deutschland verlaufenen Volksabstimmung im Jahre 1921  mit 60 % deutschen Stimmen musste der wertvollste Teil des  oberschlesischen Industriegebietes auf Veranlassung der Alliierten an  das wiedererstandene Polen abgetreten werden. Die dadurch geschaffenen  Probleme, insbesondere die polnischen Übergriffe auf deutsche  Schlesier, belasteten die Nachkriegszeit schwer. Im Zuge des Zweiten  Weltkrieges wurde Schlesien von der Roten Armee überflutet, ihr folgte  die polnische Miliz. Diese waren verantwortlich für unfassbare  Greueltaten wie Mißhandlung, Vergewaltigung und Mord und schließlich für  die Vertreibung der Deutschen: Millionen von Schlesiern mußten mit den  übrigen Ostdeutschen ihre angestammte, in Jahrhunderten harter Arbeit  geschaffene Heimat verlassen.  Sie wurden entschädigungslos enteignet.  Tausende überlebten die Strapazen der Vertreibung und weitere  Greueltaten nicht. Der preußische Staat wurde 1947 durch alliierten  Kontrollratsbeschluss formell aufgehoben.
Heute
Mit der Übernahme der Verwaltung  Schlesiens durch Polen 1945 hat eine neue, sechste, polnische Periode  der schlesischen Geschichte begonnen. Schlesien hat im Laufe der letzten  1000 Jahre im Wechsel reihum zu allen seinen Nachbarn (Böhmen, Polen,  Ungarn, Österreich, Preußen) gehört und – in ihrem Interessenbereich  gelegen – zugleich eine gewichtige Rolle in der deutschen wie der  europäischen Geschichte, in die es unentrinnbar hineingebettet ist,  gespielt. Es ist mehrfach zerstört und wieder aufgebaut, entvölkert und  wiederbevölkert, verlorengegangen und wiedergewonnen worden.
Josef Joachim Menzel (gekürzt), Landsmannschaft Schlesien, Nieder- und Oberschlesien e.V., Königswinter
Ostpreußen
Von den ältesten Bewohnern
Das Land entlang der Ostseeküste  zwischen Weichsel und Memel ist in frühgeschichtlichen Zeiten niemals  Siedlungsgebiet slawischer Stämme gewesen. Sicher wissen wir, dass sich  in den Jahrhunderten vor und nach Christi Geburt im unteren  Weichselgebiet, nach Osten bis etwa zur Passarge, Goten und im Süden  Ostpreußens, in der Gegend von Neidenburg/Soldau, Vandalen ausgebreitet  hatten. Diese germanischen Stämme zogen in der Zeit der großen  Völkerwanderungen (etwa ab 200 n. Chr.) nach Süden ab. Im übrigen  Ostpreußen saß um diese Zeit ein Volk, das der baltischen Volksgruppe,  einem Zweig der großen indogermanischen Sprach- und Völkergemeinschaft,  angehörte. Die baltische Volksgruppe begann sich allmählich in Völker  und Stämme zu gliedern, so in Litauer, Letten, Kuren und Prußen.  Letztere wohnten im späteren Ostpreußen. Griechische, römische und  angelsächsische Berichterstatter nannten sie zunächst Aestier, Easten,  später Brus, Borussi, Pruteni, in späteren Chroniken werden sie als  Brus, Pruzzi, Prusci, Prutones bezeichnet. Sie wurden im Gegensatz zu  den germanischen Stämmen nicht von der Völkerwanderung erfasst und  breiteten sich nach Westen hin bis zur Weichsel aus.
Das  Prußenterritorium gliederte sich nach deren „Klans“ in elf Gaue, deren  altpreußische Namen sich bis in die Gegenwart erhalten haben:  Pomesanien, Pogesanien, Natangen, Nadrauen, Samland, Sudauen, Galinden,  Warmien, Sassen, Schalauen und Barten. Ihre Sprache kennen wir aus den  zahlreichen erhaltengebliebenen Orts- und Personennamen, aus dem  „Elbinger Vokabular“, einem 800 Wörter umfassenden Verzeichnis mit  deutscher Übersetzung, und der in der Zeit des Herzogs Albrecht  angefertigten Übersetzung des lutherischen Katechismus in die prußische  Sprache.
Die ungefähr ab 1200 von polnischer  Seite durchgeführten Versuche kriegerischer Christianisierung der Prußen  wurden von diesen wiederholt abgewehrt. Im Gegenangriff vertrieben die  Prußen die Missionare aus ihrem Land, ja sie eroberten sogar das  Kulmerland und behielten es in Besitz. Von hier aus griffen sie das  Gebiet des polnischen Teilfürstentums Masowien an und verwüsteten große  Teile seines Landes.
Im Winter 1225/26 rief Konrad von  Masowien den Deutschen Orden zu Hilfe, der 1198 in Palästina aus einer  Hospitalgenossenschaft als geistlicher Ritterorden mit  Missionsverpflichtung entstanden war. Der Ordenshochmeister Hermann von  Salza nahm den Ruf an. Kaiser Friedrich II. und Papst Gregor IX.  billigten die neue Aufgabe des Ordens und statteten ihn mit Rechten und  Privilegien aus (Goldene Bulle von Rimini 1226, Bulle von Rieti 1234).  Auch Herzog Konrad gab dem Orden seinen Auftrag (Vertrag von Kruschwitz  1230). Danach wurde der Orden Herr des Kulmer Landes und der Teile des  Prußenlandes, die er dem Christentum gewinnen würde. Diese Gebiete nahm  der Papst in das Eigentum des Heiligen Stuhles und verlieh sie dem Orden  zu ewigem freien Besitz. Der Orden wurde damit im Auftrag der höchsten  Autoritäten der damaligen Welt mit dem Prußenland betraut. Kaiser und  Papst waren nach damaliger Anschauung berechtigt, über heidnisches  Gebiet zu verfügen.
Eroberung und Besiedlung
Die Anlage von Burgen und eine  planmäßige deutsche Besiedlung folgten. Der Orden setzte im Frühjahr  1231 über die Weichsel, gründete die Burg Thorn, folgte dem Fluss über  Kulm im Jahre 1232, über Marienwerder im Jahre 1233 bis zur Abzweigung  der Nogat. Er folgte dann der Nogat bis zum Haff und errichtete 1237 die  Burg Elbing, 1239 die Burg Balga und 1241 die Burg Braunsberg. Von  dieser Burgenlinie aus stieß der Orden in das Innere des Landes vor und  eroberte die fünf prußischen Gaue Pomesanien, Pogesanien, Ermland,  Natangen und Barten. Nach einem Prußenaufstand 1243 und nach  mehrjährigen Kämpfen kam im Februar 1249 der Friede von Christburg  zustande, in dem die pomesanischen Prußen Vertragspartner des Ordens  waren und gegen die Verpflichtung, sich zum Christentum zu bekennen und  die Herrschaft des Ordens anzuerkennen, alle persönlichen Rechte  erhielten.
Im Jahre 1255 wurde die Burg Königsberg  als „castrum de Coningsberg“ gegründet, die ihren Namen zu Ehren des  Königs von Böhmen, Ottokar II., erhielt, der im selben Jahr ein  böhmisches Kreuzheer nach Preußen geführt und das Samland unterworfen  hatte. In den 1270er Jahren befriedete der Orden die Randlandschaften  Schalauen, Nadrauen und Sudauen. Im Jahre 1283 kamen die Eroberungen zu  einem Ende. Der Orden hatte nun die Aufgabe, das Erworbene zu sichern  und einen Staat aufzubauen.
| Haus Kopernikus in Allenstein | 
Die Christianisierung des  Prußenlandes durch den Deutschen Orden war kein isoliertes Unternehmen.  Während die Skandinavier Finnland missionierten, taten die Dänen dies in  Estland, Bremen engagierte sich in Riga, und der Schwertbrüderorden  wurde in Livland eingesetzt. An der Eroberung und an den folgenden  Kämpfen gegen die Litauer beteiligten sich Fürsten, Ritter und  Kreuzfahrer aus vielen europäischen Völkern. Zu Unrecht wird dem  Deutschen Orden zuweilen vorgeworfen, die einheimische prußische  Bevölkerung ausgerottet zu haben. Sicher waren die Opfer nicht  unbeträchtlich. Dem Interesse des Ordens, der in dem eroberten Land  einen Staat gründen wollte, konnte es aber nicht dienlich sein, ein  leeres Land in Besitz zu nehmen. Auch seine missionarische Aufgabe, die  prußischen Heiden zum Christentum zu bekehren, verbot es, sie als  auszurottende Feinde zu betrachten. Dass eine vollständige Ausrottung  der Prußen nicht erfolgt ist, beweisen Urkunden, aus denen sich die  Einsetzung von Prußen in Hofstellen ergibt. Belegt wird dies auch durch  die Vielzahl von prußischen Orts- und Personennamen und die Tatsache,  dass sich die prußische Sprache bis in das 17. Jahrhundert erhalten hat.  Noch zur Zeit Herzog Albrechts, Anfang des 16. Jahrhunderts, sah man  sich genötigt, den lutherischen Katechismus in die prußische Sprache zu  übersetzen.
Nicht allein das Schwert, sondern auch  die kolonisatorische Kraft des Ordens führte zu einem großen Aufschwung  des Landes. Besondere Begünstigungen – kostenlose Zuweisung von Land,  Saatgut und Vieh, längerfristiger Steuererlass sowie Befreiung von Hand-  und Spanndiensten gegenüber den Adels- und Klostergütern – lockten  viele Bauern und Bürger zum Siedeln in den neugewonnenen Nordosten;  Kolonisten aus den Hansestädten und vom Niederrhein, Siedler aus der  nordostdeutschen und ostmitteldeutschen Landschaft verliehen dem  Prußenland oder Preußenland allmählich sein deutsches Gepräge. Bis zum  Ende des 14. Jahrhunderts wurden im Ordensland etwa 1400 Dörfer und 97  Städte gegründet. Die Städte an der Küste erhielten Lübisches und die im  Inland Magdeburgisches Recht, während die Bauern mit einer freien  Gemeindeverwaltung nach Kulmer Recht ausgestattet wurden.
Der Ordensstaat
Die Organisation des Staates muss für  die damalige Zeit als vorbildlich und einmalig bezeichnet werden. An der  Spitze des Ordens stand der Hochmeister. Die Zentralregierung: der  Großkomtur als Vertreter des Ordens, der oberste Marschall, der das  Kriegswesen beaufsichtigte, der oberste Treßler, der die Ordenskasse  verwaltete, der oberste Trapier und der oberste Spittler. Die örtliche  Verwaltung des Landes beruhte auf den Komtureien. An der Spitze der  Komturei stand jeweils ein Komtur. Zur Verwaltung des Landes wurden  ferner Vogteien eingerichtet. Es ist hier nicht der Raum, auf die  mustergültige Finanzwirtschaft, das vollkommen neuartige  Briefbeförderungssystem, die vorbildliche Krankenpflege, die Förderung  der geistigen Bildung durch Einrichtung von Pfarr-, Dom- und  Stadtschulen oder das Erblühen eine unverwechselbaren Baukultur  einzugehen.
| Königsberg in Preußen | 
Neben dem Aufbau des neuen Staates  nahmen während des 14. Jahrhunderts den Deutschen Orden die ständigen  Auseinandersetzungen mit seinen Nachbarn in Anspruch, so der Streit mit  Polen um das Kulmerland und Pommerellen, Kämpfe mit den zum Heidentum  zurückgekehrten Litauern sowie eine langjährige Fehde mit dem Erzbischof  von Riga. Durch den Vertrag zu Kalisch im Jahre 1343, in dem der König  von Polen, Kasimir der Große, endgültig auf alle Ansprüche auf  Pommerellen und das Kulmerland verzichtete, konnte der Streit mit Polen  beendet und der Frieden wiederhergestellt werden. Er sollte aber nur 66  Jahre erhalten bleiben. Nachdem der Großfürst Jagiello von Litauen 1386  den christlichen Glauben angenommen, die polnische Königin Hedwig  geheiratet und selbst König von Polen geworden war, stand dem Orden in  dem vereinigten Litauen-Polen eine neue Großmacht gegenüber. Am 15. Juli  1410 erlag das Ordensheer der Übermacht der litauisch-polnischen  Heerscharen in der verlustreichen Schlacht von Tannenberg. Bedrückender  als die Niederlage selbst war die durch sie enthüllte innere Schwäche  des anscheinend so fest gefügten Ordensstaates. Sie wurde offenkundig  durch den Verrat der Kulmer Landesritter am Ende der Schlacht und  vollends durch den plötzlichen Abfall der Bischöfe, Städte und Adligen  von der Ordensherrschaft. Der kühne Entschluss des Schwetzer Komturs  Heinrich von Plauen rettete zwar die Marienburg, das Herz des Staates,  und damit den Staat selbst, aber auch der glimpfliche Erste Thorner  Frieden von 1411, der nur zu unbedeutenden Gebietsverlusten führte,  konnte die innere Brüchigkeit des Staates nicht verdecken.
Der Orden war fähig gewesen, das Land zu  erobern. Er hatte es auch besiedeln und aus ihm einen Staat formen  können, aber er konnte diesen Staat auf die Dauer nicht halten, da in  der Folge der Generationen aus dem Lande selbst Kräfte erwuchsen, die  zur Mitverantwortung drängten. Die Bewohner des Ordensstaates fühlten  sich als Eingesessene, als Preußen, und sahen die Ordensherren als  Landfremde an. Der Orden wiederum wäre seinem inneren Gesetz untreu  geworden, wenn er die Landstände, Adel und Städte zur Mitregierung  zugelassen hätte. Es war ihm auch nicht möglich, sich aus dem Lande zu  ergänzen, sondern nur aus seinen Balleien in Deutschland. So konnte er  keine ihm und den Preußen gemeinsame Staatsidee finden. Die in Preußen  schwelende Unzufriedenheit wurde verstärkt durch die Geldnot des Ordens,  die erstmals die Erhebung von Steuern notwendig machte, und durch  äußere Schwierigkeiten, Klagen der Polen auf dem Konstanzer Konzil und  einen neuen Krieg. Dieser endete 1422 mit dem Frieden am Melnosee, in  dem die Grenze gegen Litauen festgelegt wurde, nachdem die Südgrenze  gegen Polen schon 1343 gezogen worden war. Beide haben bis 1919 bzw.  1945 bestanden und gehören zu den dauerhaftesten Grenzen Europas.
Mit dem am 14. März 1440 gegründeten  „Preußischen Bund“ des Adels und der Städte entstand dem Orden auch im  Innern ein starker Gegner. Im Februar 1454 empfing König Kasimir IV. in  Krakau eine Gesandtschaft des Bundes, die ihm die Schutzherrschaft über  das Preußenland antrug. Unter Verletzung des Friedens vom Melnosee  gliederte dieser daraufhin im sog. Korporationsprivileg vom 6. März 1454  durch einen einmaligen Akt ganz Preußen der Krone Polens ein. Die  Schutzherrschaft bedeutete jedoch nicht, dass sich die Preußen zum  Polentum bekannt hätten. Man suchte sich nur einen neuen Herrn und fand  ihn, da Anfragen bei anderen nicht zum Erfolg führten, im polnischen  König, der mehr Autonomie zu geben bereit war als der Orden. Die Polen  strebten allerdings nicht danach, aus den abgefallenen Bewohnern des  Ordenslandes polnische Untertanen zu machen, die die polnische Sprache  zu sprechen hatten, so daß von einer Fremdherrschaft keine Rede sein  konnte. So blieb auch Danzig eine deutschsprachige Stadt.
| Marienburg | 
Am 22. April 1454 erklärte der  polnische König dem Hochmeister den Krieg. Mit dem gleichzeitigen  Aufstand des Preußischen Bundes begann eine dreizehnjährige militärische  Auseinandersetzung. Im September 1454 brachte ein vom Orden aufgebautes  Söldnerheer dem König Kasimir IV. von Polen in der Schlacht bei Konitz  eine schwere Niederlage bei. Die Schwäche des Ordens war jedoch seine  Finanzknappheit, so dass man nicht in der Lage war, die Söldner zu  bezahlen. Die Bürger trugen die großen Burgen in Thorn, Elbing und  Danzig ab, da sie in ihnen Zwingburgen gegen ihre städtische Freiheit  sahen. In Königsberg hingegen empörte sich die ordensfreundliche  Handwerkerschaft gegen den Preußischen Bund, so daß die Burg als  Bauwerk erhalten blieb. Der Hochmeister verpfändete 1455 den Söldnern  die Marienburg, da er den Sold nicht zahlen konnte. Diese übergaben sie  1457 dem Polenkönig. Auch sie blieb als Bauwerk erhalten. Der  Hochmeister Ludwig von Erlichshausen mußte fliehen und kam nach  Königsberg, das 1457 Residenz der Hochmeister wurde.
Schließlich brach der Orden endgültig  zusammen. Im zweiten Thorner Frieden vom 19. Oktober 1466 mußte der  Orden herbe Gebietsverluste hinnehmen. Preußen wurde gespalten und der  westliche Teil – gemeint ist das Kulmerland, Pommerellen, die Michelau  und die Gebiete Christburg, Marienburg, Stuhm und Elbing sowie das  Bistum Ermland – an die Krone Polens abgetreten. Die Landesteile wurden  autonome Gebiete der Krone Polens. Die restlichen Gebiete verblieben dem  Hochmeister. Im Übrigen musste Preußens Hochmeister die Oberhoheit des  polnischen Königs anerkennen, ohne daß damit ein Lehensverhältnis  verbunden war. Der Friedensvertrag erlangte niemals volle  Rechtswirksamkeit. Kaiser und Papst weigerten sich, den Thorner Frieden  anzuerkennen und der Deutschmeister und der Landmeister gaben nicht die  juristisch notwendige Zustimmung.
Die verfassungsrechtliche Lage ändert  nichts daran, dass der Zweite Thorner Frieden für 300 Jahre die Teilung  des Preußenlandes bedeutete und an die Stelle des Kaisers der König von  Polen trat. Der Thorner Frieden hatte aber auf die ethnische  Zusammensetzung der Bevölkerung keine Auswirkung. Mehrheitlich war das  Gebiet mit Deutschen besiedelt. Sprache, Kleidung, Sitte, Recht und  Lebensart waren deutsch. Der Orden holte Polen aus Masowien und Litauer  in das Land, um die Wildnis zu besiedeln. Es kamen auch politische  Flüchtlinge, da der Orden die Auslieferung solcher Flüchtlinge als  unmenschlich ablehnte. Diese Menschen fügten sich der Ordnung des  Staates, in dem sie – im Gegensatz zu ihrer Heimat – Freiheit genossen,  und zu Preußen wurden.
Reformation und Herzogtum
Auch in der Zeit nach dem Zweiten  Thorner Frieden blieb das Verhältnis zwischen dem Deutschen Orden und  Polen von Konflikten belastet. In Erkenntnis seine Schwäche versuchte  der Orden sein Land dynastisch mit dem Reich zu verknüpfen, indem er die  Hochmeisterwürde auf Sprösslinge deutscher Fürstenhäuser im Mutterland  übertrug. Erstes Ergebnis solchen Bemühens war die Wahl des Herzogs  Friedrich von Sachsen aus dem Geschlecht der Wettiner im Jahr 1498 zum  Ordens-Hochmeister sowie nach dessen Tod im Jahr 1510 die Wahl des  Markgrafen Albrecht von Brandenburg-Ansbach aus der fränkischen Linie  der Hohenzollern. Das war der Beginn der Verbindung des Begriffs Preußen  mit der Dynastie Hohenzollern. Albrecht war ein mutiger Mann. Vom Reich  zunächst ermutigt, riskierte der Hohenzoller im Jahre 1519 den offenen  Kampf gegen den polnischen König Sigismund, der übrigens der Bruder  seiner Mutter und somit sein Onkel war. Der von Albrecht begonnene  sogenannte Reiterkrieg, der 1520 hauptsächlich im Ermland und im  Weichselgebiet tobte, brachte zwar keinen militärischen, wohl aber einen  politischen Erfolg. Nach vierjährigem Waffenstillstand kam es am 8.  April 1525 zum Frieden von Krakau. Dieser entließ zwar Ostpreußen nicht –  wie erstrebt – aus polnischen Lehensgewahrsam, doch gestattet er  Albrecht im Rahmen der politischen Gesamtkonstellation, den Schachzug  einer Staatsveränderung zu wagen, zu dem ihm auch der Reformator Martin  Luther geraten hatte. Dieser Akt, der der Verfassung des Landes einen  völlig neuen, außerordentlich anpassungsfähigen Charakter verlieh, hieß:  Umwandlung des geistlichen Ordenslandes in ein zwar zur Zeit noch Polen  lehnbares, trotzdem aber schon verbrieft protestantisches erbliches  weltliches Herzogtum. Damit war praktisch auch der von Albrecht gehegte  Wunsch, zum Luthertum überzutreten und den Ordensstaat zu  säkularisieren, legalisiert. Schon vorher hatte die Reformation im  Ordensland Fuß gefasst. So wurde das Ende der Ordensherrschaft im Land  begrüßt, und mit ihrem Herzog traten die meisten seiner Untertanen zum  evangelischen Glauben über, während nur das Ermland katholisch blieb.  Auch die meisten Ordensritter stimmten der Umwandlung in ein weltliches  Herzogtum zu und legten ihren weißen Mantel mit dem schwarzen Kreuz ab.
| Ordensburg Rehden | 
Wenig bewußt war den Zeitgenossen  die Abhängigkeit von der Krone Polen, die bis 1657 (Vertrag zu Wehlau)  dauerte. Der Herzog blieb unbeschadet seines Lehensverhältnisses zum  Polenkönig deutscher Reichsfürst, und wenn sich der Lehnsherr in die  Angelegenheiten Preußens einmischte, so geschah das weniger aus  nationalen als auch ständischen Motiven. Der Charakter des Landes blieb  unverändert. Eine volle Union mit Polen, wie sie Litauen 1569 schloss  und wie sie Westpreußen in demselben Jahre unter Bruch der Verträge  aufgezwungen wurde, blieb dem Herzogtum erspart.
Viel augenfälliger als der Wechsel des  politischen Status war für die Menschen die Einführung der Reformation.  Das Luthertum wurde Staatsreligion, aber der konfessionelle  Einheitsstaat, sonst das Ideal der Zeit, hat in Preußen nie bestanden.  Böhmische Brüder, calvinistische Holländer und später auch Mennoniten  fanden in Preußen Zuflucht und konnten dort, geschützt von der  Regierung, ihrem Glauben leben, und dasselbe galt auch für die  Katholiken, denen Glaubensfreiheit zugesichert war. Die nationale  Toleranz war selbstverständlich in dieser Zeit. Die konfessionelle  Toleranz, die Religionsfreiheit, mußte gegen Eiferer in allen Lagern  vom Landesherrn durchgesetzt werden. Sie wurde in Preußen verwirklicht  als ein Gebot der Staatsführung, der politischen Klugheit, lange bevor  sie in der Philosophie der Aufklärung ein weltanschauliches Fundament  erhielt.
Im Jahre 1618 fiel das Herzogtum an die  brandenburgischen Hohenzollern. Der Erbfall trat durch den Tod des  Sohnes von Herzog Albrecht ein. Seitdem war Preußen mit Brandenburg in  Personalunion vereint. Versuche Polens, die Übernahme der Herrschaft zu  stören, endeten, als Brandenburg Polen 1627 ein Hilfskorps zur Abwehr  des schwedischen Angriffs zur Verfügung stellte.
Mitte des 17. Jahrhunderts wurde das  Herzogtum Preußen, das bis dahin von dem in Europa wütenden 30jährigen  Krieg verschont geblieben war, in die schwedisch-polnischen  Auseinandersetzungen hineingezogen. Durch geschicktes Paktieren mit  beiden Gegnern wusste der Große Kurfürst aber deren Konflikt zu nutzen.  So erreichte er, dass er sowohl die Oberlehenshoheit des polnischen als  auch des schwedischen Königs, die er im Januar 1656 hatte anerkennen  müssen, abschütteln konnte. Durch den Vertrag von Labiau erkannte der  König von Schweden 1656 die Souveränität des Kurfürsten in ganz Preußen  an, durch den Vertrag zu Wehlau gestand der Polenkönig ihm 1657 die  Souveränität in Preußen ohne das Ermland zu. Diese wurden dann auch im  Frieden von Oliva 1660 von den damaligen großen europäischen Mächten  endgültig anerkannte und verbürgt.
Friedrich Wilhelm II., der Große  Kurfürst, war der eigentliche Gründer des Preußenstaats. Im Innern  beseitigte er vor allem in Ostpreußen die ständige Opposition der  Landstände und ihre Gegenregierung sowie die Sonderrechte der Provinzen,  schaffte die Basis für die absolute Macht der Krone und begann den  Staat zum einheitlichen Ganzen zu verschmelzen. Wie die preußische Armee  und Marine, so verdankt auch das preußische Beamtentum dem Kurfürsten  sein eigentliches Werden, und auf sein Wirken geht auch die  mustergültige altpreußische Finanzverwaltung zurück.
Im 18. und 19. Jahrhundert
Eigentliche Keimzelle des Königreichs  Preußen wurde der verweltlichte Ordensritterstaat im Jahre 1701 durch  die Krönung des Kurfürsten Friedrich III. von Brandenburg-Hohenzollern,  der aus machtpolitischen Gründen eine auf das souveräne Herzogtum  Preußen begründete Königswürde angestrebt hatte. Am 18. Januar 1701  setzte sich der Kurfürst und Preußenherzog in Königsberg als Friedrich  I., König in Preußen, die Krone aufs Haupt.
Die Regierung seines Sohns Friedrich  Wilhelm I., des nachmaligen „Soldatenkönigs“, war für die weitere  Entwicklung Brandenburg-Preußens von entscheidender Bedeutung: Sie erhob  diesen Staat in den Rang einer hinsichtlich seiner Militär-, Finanz-  und Verwaltungseinrichtungen für ein ganzes Jahrhundert beispielhaften  europäischen Großmacht. Sie sorgte auch dafür, dass Ostpreußen von  früheren Kriegsschäden wiederhergestellt und dessen Ackerbau und  Landeskultur nachhaltig gefördert wurden. Der „Soldatenkönig“ siedelt  1722 bis 1740 viele Kolonisten, darunter alleine 15000 vertriebene  Salzburger Protestanten, in seinen von Krieg und Pest stark entvölkerten  östlichen Provinzen an. Die religiöse Duldsamkeit des Königs trug dazu  bei, eine große Zahl in ihrem Glauben Bedrängter aus den verschiedensten  Gegenden des Reiches und ganz Europas in preußischem Siedlungsgebiet  eine neue Heimat finden zu lassen. Sein Sohn Friedrich II., später der  Große genannt, erbte ein durch Verwaltung einheitliches, aber räumlich  getrenntes Staatsgebiet.
Durch die zwischen Russland, Österreich  und Preußen 1772 beschlossene sogenannte 1. polnische Teilung wurde das  Ermland und die 1466 vom Ordensland abgetrennten Gebiete Westpreußens,  1793 durch die 2. polnische Teilung auch Danzig und Thorn nach  300jähriger polnischer Oberherrschaft wieder mit Preußen vereinigt. Das  Ermland und die Städte wie Danzig und Elbing waren bis zu dieser Zeit  fast vollständig, die übrigen Gebiete etwa zur Hälfte deutschsprachig  geblieben. Im Zuge der ersten polnischen Teilung von 1772 setzten sich  auch die Provinznamen Ostpreußen und Westpreußen als amtliche  Bezeichnungen durch.
Ostpreußen, auf dessen Boden seit der  russischen Besetzung während des 7jährigen Krieges kein Feind mehr  seinen Fuß gesetzt hatte, wurde in den Napoleonischen Kriegen wieder  Schauplatz kriegerischer Auseinandersetzungen, unter denen das Land  schwer zu leiden hatte. Im Februar 1807 trennten sich die preußischen  und französischen Armeen in der Schlacht von Preußisch-Eylau  unentschieden, während im Juni bei Friedland die mit Preußen verbündeten  Russen von Napoleon geschlagen wurden. 1812 zogen wiederum französische  Truppen durch Ostpreußen gen Russland und ein Jahr später als  Geschlagene nach Westen zurück. In Ostpreußen wurde durch die mutige Tat  des preußischen Generals v. Yorck, der gegen den Willen seines Königs  in der Konvention von Tauroggen mit den die Franzosen verfolgenden  Russen einen Waffenstillstand schloss und die ostpreußischen Stände mit  Erfolg zu den Waffen gegen die Franzosen rief, das Signal zum Beginn des  Befreiungskampfes gegen Napoleon gesetzt. Die Franzosen mussten  Ostpreußen verlassen.
| Schloßruine Schlobitten | 
Es folgten über 100 Jahre des  Friedens. Während des Ersten Weltkrieges wurde durch den Einmarsch der  Russen Ostpreußen zeitweilig Kriegsgebiet. Russische Truppen besetzten  die Gebiete um Tilsit, Insterburg, Gumbinnen und Lötzen. Nach dem  amtlichen Bericht des Reichsarchivs aus dem Jahre 1925 wurden in den  ersten vier Wochen des Russeneinfalls 1.620 Zivilpersonen getötet, 433  verwundet und über 10.000 verschleppt. Von den 2,5 Millionen Einwohnern  östlich der Weichsel verließen mehr als 800.000 ihre Heimat, etwa  400.000 von ihnen flohen bis über die Weichsel. Über 100.000 verloren  Hab und Gut, 34.000 Gebäude wurden zerstört.
Erst durch die von Generalfeldmarschall  Paul von Hindenburg und seinen Generalstabschef Erich Ludendorff genial  geführten Schlachten von Tannenberg (23.-31.8.1914), an den Masurischen  Seen (5.-15.9.1914) und im Winterfeldzug in Masuren (4.-22.2.1915)  konnte Ostpreußen von den Russen befreit werden.
Von Versailles bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges
Das Ende des Krieges brachte für West-  und Ostpreußen schicksalshafte Veränderungen: Große Teile Westpreußens,  Danzig, die ostpreußische Stadt Soldau und das Memelgebiet wurden  aufgrund des Versailler Vertrages ohne Volksabstimmung vom Deutschen  Reich abgetrennt und – außer Danzig, das zur „Freien Stadt“ wurde, und  dem Memelgebiet, das ein Freistaat werden sollte und 1923 von Litauen  annektiert wurde – dem 1916 wiedergegründeten polnischen Staat  übertragen. Für andere Teile Westpreußens östlich der Weichsel und Nogat  sowie das südliche Ostpreußen bestimmte der Versailler Vertrag, dass  die Bevölkerung durch eine unter internationaler Regie stehende  Volksabstimmung kundtun sollte, ob sie in Zukunft zu Polen oder zum  Deutschen Reich gehören wollte. Im westpreußischen Abstimmungsgebiet  bekannten sich 92,42% für die Zugehörigkeit zu Ostpreußen und damit zu  Deutschland und 7,58% zu Polen, in dem ostpreußischen Abstimmungsgebiet  97,86% für Deutschland und 2,14% für Polen. In diesem Zusammenhang sei  der vom polnischen Volk noch heute verehrte Marschall Josef Pilsudski  (1918-1922 polnischer Staatschef, 1926-1928 und 1930/31 polnischer  Ministerpräsident) zitiert, der gegenüber dem damaligen deutschen  Außenminister Gustav Stresemann am 10.12.1927 erklärte: „Ostpreußen ist  ein unzweifelhaft deutsches Land. Das ist von Kindheit an meine Meinung,  die nicht erst der Bestätigung durch eine Volksabstimmung bedurfte. Und  dass dies meine Meinung ist, können Sie ruhig Ihren Ostpreußen in einer  öffentlichen Versammlung in Königsberg zur Beruhigung mitteilen.“
Gause sieht in diesem Bekenntnis einen  nationalen Solidaritätsbeweis. Er umreißt die Bedeutung des friedlichen  Sieges für Deutschland mit folgenden Worten: „Man hatte den Experten in  Versailles und der ganzen Welt bewiesen, dass die Propaganda vom  polnischen Charakter der Abstimmungsgebiete nicht der Wahrheit  entsprach, dass Sprache und Nationalität im Osten nicht übereinzustimmen  brauchten, dass die Zugehörigkeit zu einer Nation nicht von der Sprache  abhing, sondern auf einem Bekenntnis beruhte, genau wie die  Zugehörigkeit zu einer Konfession. Dieses Bekenntnis, das die Preußen  damals ablegten, war nicht allein ein Bekenntnis zur altgewohnten  preußischen Ordnung, für die man nicht die labilen Zustände eines neu  entstandenen polnischen Staates eintauschen wollte, sondern war ein  Gelöbnis, dass man ein Teil des deutschen Volkes war und bleiben  wollte.“
Die Abtrennung vom Mutterland bedeutete  nicht nur eine geographische, sondern auch eine wirtschaftliche  Isolation, die nur mit großer Unterstützung aus Mitteln des  Reichshaushaltes auszugleichen war. So führte beispielsweise die  „Deutsche Ostmesse“ in Königsberg zu einer Belebung des Handels. Von  Pillau nach Swinemünde schuf man eine neue Verbindung über See unter dem  Namen „Seedienst Ostpreußen“. Später wurde sie auf Zoppot, Travemünde,  Kiel und Helsinki ausgedehnt. Königsberg erhielt einen Flughafen, der  die Luftverkehrsverbindungen mit Berlin, Stockholm und Moskau  sicherstellte und den Eisenbahnverkehr erheblich entlastete.
Es konnte nicht ausbleiben, dass die von  einer politischen Minderheit autoritär geführte Massenbewegung des  Nationalsozialismus auch in Ostpreußen Fuß faßte. Gause berichtet  darüber: „Man betrachtete die neue Bewegung mit Misstrauen und  Unbehagen, denn es war viel Unpreußisches an ihr. Man war in Ostpreußen  konservativ oder liberal oder auch sozialistisch, das alles war  preußisch. Unpreußisch waren aber der nationalsozialistische Überschwang  und die totalitäre Menschenführung, die die neue Partei verkündete.  Wenn sie trotzdem auch in Ostpreußen zahlreiche Anhänger gewann, dann  deshalb, weil die abgeschnittene Provinz in besonderer Weise von den  unheilvollen Folgen der Versailler Grenzziehung, der  Weltwirtschaftskrise und dem Anwachsen des Kommunismus betroffen wurde  und die NSDAP lautstark und wirksam diese Bedrohung zu beseitigen  versprach.“
| Bischofsburg Heilsberg | 
Die Hoffnung auf eine bessere  Zukunft wurde genährt durch die Anfangserfolge, die die neue Regierung  für sich verbuchen konnte. Der Osthandel erfuhr eine weitere  Aktivierung. Die Ostmesse des Jahres 1934 übertraf die des günstigen  Konjunkturjahres 1928 bei weitem. Auch außenpolitische Erfolge hatten  ein positives Echo. Durch den Freundschaftsvertrag mit Polen vom 26.  Januar 1934 war die polnische Bedrohung beseitigt und durch den Vertrag  mit Litauen vom 22. März 1939 war das Memelgebiet an das Deutsche Reich  zurückgegeben worden.
Während des Krieges war Ostpreußen lange  die Befehlszentrale für den Ostfeldzug. Das Führerhauptquartier  Wolfsschanze war im Stadtwald von Rastenburg, das Auswärtige Amt in  Jägerhöhe bei Angerburg, die Oberste Heeresleitung im Mauerwald, das  Oberkommando der Luftwaffe bei Breitenheide. Drei Jahre nachdem Hitler  im Sommer 1941 den Angriff auf die Sowjetunion befahl, hatte sich das  Bild umgekehrt. Der russischen Feuerwalze war es gelungen, sich bis an  die deutsche Ostgrenze heranzuschieben. Während die russischen Angriffe  noch einmal vor der ostpreußischen Grenze gestoppt werden konnten,  versuchten die westlichen Alliierten durch grausame und unmenschliche  Handlungen die Moral der deutschen Zivilbevölkerung zu untergraben. In  den Nächten vom 26. zum 27. und vom 29. zum 30. August 1944 griff die  Royal Air Force Königsberg an. Die Angriffe richteten sich fast  ausschließlich gegen die Zivilbevölkerung. Über 4.200 Menschen kamen in  den Bombenangriffen ums Leben. Die Innenstadt von Königsberg wurde fast  vollständig zerstört, und über 200.000 Menschen wurden obdachlos.
Im Oktober 1944 stieß die Rote Armee  über die Goldap bis zur Angerapp vor. Zu spät eingeleitete  Evakuierungsmaßnahmen der politischen Behörden bewirken, dass die  Bevölkerung von der Roten Armee überrollt und maßlosen Grausamkeiten  ausgesetzt wurde. Als dann am 13. Januar 1945 7 Armeen mit ca. 55  Divisionen der 3. Weißrussischen Front nördlich Gumbinnen die deutschen  Abwehrstellungen durchbrachen und in Richtung auf die Hauptstadt  Ostpreußens vorstießen, zwei Tage später 55 weitere Divisionen der 2.  Weißrussischen Front mit starken Panzerkräften zum Großangriff auf die  Weichselmündung antraten und mit der Einnahme der Städte am Frischen  Haff die Landverbindungen zu den Gebieten westlich der Weichsel  abschnitten, gab es nur noch den verzweifelten Ausweg der Flucht über  die in jenen Tagen von winterlichen Unbilden gekennzeichnete Ostsee.
Es ist das Verdienst der deutschen  Marine in fast auswegloser Situation, unter ständiger Feindgefährdung,  im improvisierten Einsatz und mit beispielloser Opferbereitschaft  unzählige Menschen der hilflosen Bevölkerung Ost- und Westpreußens und  später auch Pommerns durch die größte Seetransportoperation der  Geschichte gerettet zu haben. Nach Schätzungen waren es über 3  Millionen, darunter vor allem Frauen, Kinder, Greise und Verwundete, die  auf diese Weise vor einem furchtbaren Schicksal bewahrt werden konnten.  Die nachweisbar registrierte Größenordnung überschreitet die  Zwei-Millionen-Grenze.
Mit unvorstellbarer Grausamkeit ging die  Rote Armee während der Besetzung gegen die wehrlosen Zivilisten vor,  die in ihre Hände fielen. Obgleich es in Ostpreußen nie einen  Partisanenkrieg von deutscher Seite gegeben hat, sind ungezählte  friedliche Menschen bei und nach dem Einbruch der Sowjettruppen in  viehischer Weise umgebracht worden, mehr noch an Hunger und Seuchen  gestorben. Nicht gering war auch die Zahl derer, die einen freiwilligen  Tod den Qualen der Gefangenschaft vorzogen. Was die Überlebenden auf der  Flucht bei Schnee und Frost auszuhalten hatten, übersteigt jede  Vorstellungskraft. Alles war dem Zufall anheimgegeben, ob jemand  ermordet wurde oder am Leben blieb, ob er in ein Lager geschleppt und  von dort nach Russland gebracht wurde oder ob er in seinem Dorf bleiben  konnte, ob er Hungers starb oder auf irgendeine Weise sich am Leben  erhalten konnte. Nüchterne Zahlen mögen das unmenschliche Elend  verdeutlichen. Ostpreußen hatte einschließlich des Regierungsbezirks  Marienwerder und des Memellandes 1939 etwa 2.653.000 Einwohner. Von  ihnen haben sich 1.430.000 auf die Flucht begeben. Von 1939 bis 1950  haben durch Kriegseinwirkung, Mord, Hunger oder Verschleppung etwa  614.000 das Leben verloren, davon 200.000 Wehrmachtsangehörige. Da der  Bombenterror des Luftkrieges insgesamt 593.000 Todesopfer gefordert hat,  sind also in Ostpreußen in dieser Zeit etwa 20.000 Menschen mehr  umgekommen als durch den Luftkrieg in ganz Deutschland in sechs Jahren.  Die Bevölkerung Ostpreußens verlor 23 % ihres Bestandes.
Als die Waffen ruhten, gerieten über  500.000 Ostpreußen unter sowjetische Herrschaft. Gause spricht allein  von 100.000 Königsbergern, die in der Provinzhauptstadt zurückblieben,  davon seien 70.000 verhungert oder an Entbehrungen gestorben.  Entsprechend den Beschlüssen der Alliierten auf den Konferenzen von  Teheran und Jalta wurden die Deutschen ostwärts der Oder-Neiße-Linie  ausgetrieben. Im Sommer 1945 setzt die erste Vertreibungswelle vor allem  aus dem Hinterland der von der Roten Armee besetzten deutschen  Ostgebiete ein. Die Vertreibungen gingen systematisch, aber lange Zeit  völlig unorganisiert und ungeregelt vonstatten. Ihr Übergreifen auf  immer weitere Gebiete erfasste schließlich auch den Süden Ostpreußens.
Die unter menschenunwürdigen Bedingungen  vorgenommenen Massenaustreibungen im südlichen Ostpreußen – innerhalb  weniger Tage hatten die deutschen Bewohner ihre Häuser zu verlassen und  sich ohne genügenden Proviant und nur mit notwendigstem Reisegepäck  versehen nach Westen abzusetzen – stellten einen Vorgang dar, der in der  neueren Geschichte seinesgleichen sucht. Sie verfolgten allein das  Ziel, noch vor der Potsdamer Konferenz eine Grenzzone zu schaffen, die  frei von Deutschen war. Stalins Behauptung in Potsdam, die Deutschen  hätten das von der Roten Armee besetzte Gebiet verlassen, entsprach  nicht den tatsächlichen Verhältnissen. Zwar war ein Teil der deutschen  Bevölkerung – wie bereits dargestellt – evakuiert worden, ein anderer  Teil konnte sich vor der anrückenden russischen Armee durch die Flucht  in Sicherheit bringen, jedoch blieb ein großer Teil an Ort und Stelle.  Viele Geflüchtete kehrten nach Einstellung der Kampfhandlungen in ihre  Heimat zurück. So wurden die Alliierten in Potsdam mit in Ostdeutschland  begangenen Verbrechen konfrontiert, ohne sich in der Lage zu sehen,  diesen Verbrechen Einhalt zu gebieten.
Ein „Plan zur Überführung der Deutschen“  (17. Oktober 1945) durch den Kontrollrat und andere Abkommen regelten  dann die Vertreibung in geschlossenen Transporten. Daneben gab es  Einzelabwanderungen. Die systematischen Massenaussiedlungen dauerten im  Allgemeinen bis Ende 1947. Später kam es noch zur Vertreibung  Volksdeutscher aus dem ehemals polnischen Staatsgebiet und Deutscher aus  dem sowjetisch verwalteten nördlichen Ostpreußen.
Landsmannschaft Ostpreußen e.V., Hamburg
Westpreußen
Mit  Zustimmung von Kaiser und Papst begann im frühen 13. Jahrhundert der  von Herzog Konrad von Masowien ins benachbarte Kulmer Land gerufene  Deutsche Orden die Gründung des Deutschordensstaates Preußen. Dadurch  wurde das im späteren Westpreußen gelegene Kulmer Land zur Keimzelle  dieses für die damalige Zeit sehr fortschrittlich gegliederten und  verwalteten Staates, in dem es neben dem unmittelbaren Herrschaftsgebiet  des Deutschen Ordens auch weltliche Territorien der Bischöfe und deren  Domkapitel gab. Nach der Ordensherrschaft ab 1454/1466 und bis zur  Zugehörigkeit zum Königreich Preußen ab 1772/1793 war das westliche  Preußenland ein Ständestaat unter der Oberhoheit der Krone Polen, in dem  die großen Städte Thorn, Elbing und besonders Danzig die Stellung von  Stadtrepubliken einnahmen.
Die Wiedervereinigung der beiden  1466 getrennten altpreußischen Landesteile waren für König Friedrich II.  von Preußen der Anlass, die Namen Westpreußen dem westlichen und Ostpreußen dem  östlichen Landesteil 1773 zu verleihen. Hauptverwaltungssitz wurde  1772 mit Verwaltung und Gericht – Kammer und Regierung – die Stadt  Marienwerder. Der eingeschränkt selbständige Netzedistrikt mit Sitz in  Bromberg war Marienwerder unterstellt. Danzig wurde bei der  Verwaltungsneuordnung 1815 Provinzialhauptstadt von Westpreußen. Die  Provinz war in die beiden Regierungsbezirke Danzig und Marienwerder  eingeteilt. Der ehemalige Netzedistrikt wurde dem neuen Großherzogtum  Posen – seit 1830 Provinz Posen – zugeteilt. Im Jahre 1910 war die  Bevölkerung Westpreußens im Durchschnitt zu 65% deutsch, zu 28%  polnisch und zu 7% kaschubisch. Diese Zahlen wurden durch das Ergebnis  der Wahl zur Nationalversammlung 1919 bestätigt.
| Rathaus in Danzig | 
Danzig erhielt 1920 gegen den  erkennbaren Willen der Bevölkerung unter dem Schutz des Völkerbundes mit  einem erweiterten Hinterland den Status einer Freien Stadt. Die im  Westen gelegenen Kreise Deutsch Krone und Schlochau sowie der Restkreis  Flatow wurden 1922 Teil der neuen Provinz Grenzmark Posen-Westpreußen  und ab 1938 des gleichnamigen Regierungsbezirks in der Provinz Pommern.  Sechs östlich der Weichsel gelegene Kreise bildeten von 1922-1939 mit  dem Sitz in Marienwerder den Regierungsbezirk Westpreußen in der Provinz  Ostpreußen. In vier dieser Kreise war zuvor am 11. Juli 1920 eine unter  interalliierter Aufsicht stehende Volksabstimmung durchgeführt worden,  bei der sich mehr als 92% der Bevölkerung für ein Verbleiben bei  Deutschland ausgesprochen hatten. Der flächenmäßig größte Teil der  Provinz mit den historischen Städten Thorn, Kulm, Graudenz, Schweiz,  Konitz und Dirschau wurde ohne Befragung der Bevölkerung vom Deutschen  Reich abgetrennt und als „Korridor” Teil der neuen Republik Polen. Von  1939 bis 1945 bildeten bis auf die zu Pommern gelangten Provinzteile  alle übrigen Stadt- und Landkreise Westpreußens unter Hinzufügung der  schon nach 1772 zur Kammer Marienwerder gehörenden Kreise Bromberg-Stadt  und -Land sowie Wirsitz den Reichsgau Danzig-Westpreußen mit der  Hauptstadt Danzig, der für Verwaltungszwecke in die Regierungsbezirke  Bromberg, Danzig und Marienwerder gegliedert wurde.
| Rathaus in Thorn | 
Neben einer intensiven  Landwirtschaft mit einer z. B. stark ausgeprägten Zuckerindustrie  verfügte das Land über ansehnliche Industrien. Schiffbau, Maschinenbau,  Holz- und Tabakverarbeitung wurden weit über die Provinz hinaus bekannt  oder erlangten sogar Weltgeltung. Die F. Schichau AG Elbing  beschäftigte z. B. 1944 an ihren drei Schiffbauplätzen Elbing, Danzig,  dem ostpreußischen Königsberg und in der Maschinenbau- und  Lokomotivfabrik Elbing rund 44000 Menschen und hatte im Laufe der  Jahrzehnte Schiffe in alle Erdteile geliefert.
Mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges  kamen Flucht, Vertreibung und Mord über die deutsche Bevölkerung. Das  Land am Unterlauf der Weichsel kommt nach der Potsdamer Konferenz unter  polnische Verwaltung.
Hans-Jürgen Schuch, Landsmannschaft Westpreußen e.V., Münster-Wolbeck
Ostbrandenburg
1482  fiel das Fürstentum Crossen mit Züllichau und Sommerfeld als Pfand,  1538 als Besitz an die Mark Brandenburg und vergrößerte damit das Gebiet  der Neumark, die Kurfürst Joachim I. 1535 testamentarisch seinem Sohn  Johann von Küstrin übergeben hatte, der bis zu seinem Tode 1571 die  Neumark als selbständiges Fürstentum mit Küstrin als Regierungssitz  verwaltete. Die Neumark umfasste seitdem den alten Bestand nördlich der  Warthe sowie Sternberg, Crossen, Züllichau und Cottbus als inkorporierte  Kreise.
In der Staatsreform von 1815 wurde  Schwiebus zugefügt, die Kreise Schivelbein und Dramburg abgetrennt und  Pommern zugelegt, 1938 traf das gleiche Schicksal die Kreise Arnswalde  und Friedeberg. Dafür wurde die Neumark um die Grenzmarkkreise Schwerin,  Meseritz und Bomst erweitert.
Das gesamte Gebiet von Arnswalde bis  Sorau, unter Einbeziehung also der niederlausitzischen östlichen Teile  von Guben, Forst und Sorau, bezeichnet man heute als Ostbrandenburg. Die  Gesamtfläche des seit dem Ende des 2. Weltkrieges abgetrennten und  heute zu Polen gehörenden Gebietes betrug knapp 62% des  Regierungsbezirkes Frankfurt (Oder) mit einer Vorkriegsbevölkerung von  644 834 Seelen.
| Arnswalde | 
Bis etwa 1240 unterstand die Neumark  den polnischen Piasten. Es war ein weithin nur dünn besiedeltes Gebiet,  durch die wasserreichen Landschaften an Oder, Warthe und Netze geprägt.  Angesichts der seit dem 12. Jahrhundert laufenden Ostbewegung von  Niederländern, Flamen, Rheinländern und Franken zogen auch die Piasten  zur Kultivierung und Bevölkerung des Landes deutschstämmige  Rittergeschlechter, Bauern, Handwerker und Kaufleute in das Land. Um  Streitigkeiten mit den Herzögen von Pommern zu umgehen, übergaben die  Piasten Teile des Besitzes an den Templerorden, sodann an das Erzbistum  Magdeburg und 1250 schließlich an die Markgrafen von Brandenburg. So  entstanden nach deutschem, d.h. magdeburgischem Recht angelegte Dörfer  und Städte. Zu kriegerischen Auseinandersetzungen oder Verdrängung der  einheimischen Bevölkerung kam es dabei nicht, sondern zum friedlichen  Miteinander.
Werner Vogel, Stiftung Haus Brandenburg, Fürstenwalde
Hinterpommern
Von  1295 bis 1464 gehörte das südwestliche Hinterpommern (die gesamte  Region südwestlich des Flusses Ihna) zum Herzogtum Pommern-Stettin. Die  anderen Gebiete gehörten in dieser Zeit zum Herzogtum Pommern-Wolgast,  von dem sich seit Ende des 14. Jahrhunderts ein gesondertes Herzogtum  Pommern-Wolgast-Stolp abteilte. Die Gebiete beiderseits des Unterlaufes  der Persante mit den Städten Kolberg und Köslin bildeten seit dem Ende  des 13. Jahrhunderts im Wesentlichen das Stift Cammin, also das  weltliche Herrschaftsgebiet des Bischofs von Cammin.
| Uhrturm Schloss Stettin | 
Nach einer zeitweiligen Vereinigung  der verschiedenen Landesteile unter Herzog Bogislaw X., reg. 1474–1523,  teilten bereits seine Nachfolger das Land 1532 vorläufig und 1541  endgültig in ein Herzogtum Wolgast und ein Herzogtum Stettin, die erst  unter dem letzten Herzog, Bogislaw XIV., ab 1625 wieder vereint werden  konnten. Dabei umfasste das Stettiner Teilherzogtum diesmal in erster  Linie die östlich der Oder gelegenen Gebiete, die seit 1466 noch um die  Länder Bütow und Lauenburg im Osten erweitert worden waren. Letztere  lagen aber außerhalb der Grenzen des Heiligen Römischen Reiches  Deutscher Nation und waren zunächst Pfandbesitz, seit Anfang des 16.  Jahrhunderts ein Lehen der polnischen Krone. Das Stift Cammin wurde nach  der Reformation ab 1556 eine Sekundogenitur der pommerschen Herzöge.  1648 kam Hinterpommern an die Mark Brandenburg, das spätere Königreich  Preußen und verblieb dort bis 1945 als Teil der Provinz Pommern.  Aufgrund der Beschlüsse der Alliierten im Potsdamer Abkommen wurde  Hinterpommern 1945 unter polnische Verwaltung gestellt und die deutsche  Bevölkerung vertrieben, enteignet, ermordet bzw. später  zwangsausgesiedelt. Im Rahmen der Aktion Weichsel wurden in  Hinterpommern nach 1945 hauptsächlich Polen aus Zentralpolen und  Gebieten östlich der Curzon-Linie angesiedelt, aber auch Ukrainer aus  Galizien.
Quelle: Österreichische Landsmannschaft