1. Die Krisenursache
Die
Europäische Währungsunion steckt in einer tiefen Strukturkrise, die
ihre Ursache in einer übermäßigen privaten und öffentlichen Verschuldung
der peripheren Länder hat. Dass es zu dieser Verschuldung kam, liegt am
Euro selbst. Die Ankündigung und Einführung des Euro hat die Zinsen der
Südländer auf das deutsche Niveau gesenkt, nicht zuletzt, weil eine
fehlerhafte Regulierung die falsche Erwartung niedriger Anlagerisiken
geschaffen hatte. Durch die niedrigen Zinsen ließen sich staatliche und
private Akteure in den späteren Krisenländern zu einer übermäßigen
Kreditaufnahme verleiten. Dadurch wurde ein künstlicher,
kreditfinanzierter Wirtschaftsboom ausgelöst, der die Preise und Löhne
viel rascher als in den anderen Euroländern ansteigen ließ, was die
Importe erhöhte und die Exporte dämpfte. Es bildete sich eine
Wirtschaftsblase, die die Preise und Löhne zum Teil weit über ihr
langfristiges Gleichgewichtsniveau erhöhte. Die Blase platzte, als die
Kapitalmärkte sich weigerten, die gewaltigen Leistungsbilanzdefizite,
die so entstanden, weiterhin zu finanzieren. Heute stecken die ehemals
boomenden Länder mit ihren überzogenen Preisen und Löhnen in einer
tiefen strukturellen Krise und sind nicht mehr wettbewerbsfähig. Sie
bräuchten jetzt eigentlich ein Realignment, also eine Neujustierung der
Wechselkurse, wie man sie gelegentlich in Festkurssystemen vornimmt, um
billiger zu werden, aber dieser Weg ist im Euro verbaut. Also bleibt nur
die Möglichkeit, die Löhne und Preise im Vergleich zu den Wettbewerbern
zu senken oder dauerhaft Hilfen von anderen Ländern zu erbitten.
2. Euro-Gewinner Deutschland?
Deutschland
war nicht der Gewinner des Euro, wie manche Politiker behaupten,
sondern profitiert vom Freihandel. Der riesige Kapitalexport aus
Deutschland in die Defizitländer, den der Euro mit sich brachte, ist
eine wesentliche Ursache dafür, dass Deutschland lange Zeit die
niedrigste Nettoinvestitionsquote aller OECD-Länder hatte, beim Wachstum
die rote Laterne trug und eine Massenarbeitslosigkeit durchlebte, die
die Regierung Schröder zu schmerzlichen Sozialreformen zwang. Vom Beginn
der Zinskonvergenz, die schon im Jahr 1995 durch die Ankündigung des
Euro eingeleitet wurde, bis zum Jahr 2007, dem letzten Jahr vor der
Krise, war Deutschland vom dritten auf den elften Platz beim
Bruttoinlandsprodukt pro Kopf der EU-Länder zurückgefallen. Die These,
dass Deutschland in besonderer Weise vom Euro profitiert habe, ist
angesichts dieser Fakten nicht haltbar.Erst nach dem Ausbruch der
Eurokrise, in den Jahren 2010 und 2011, konnte Deutschland ein
überdurchschnittliches Wachstum realisieren. Aber das lag zum einen
daran, dass es seine eigene Euro-krise durch eine jahrelange
Zurückhaltung bei Löhnen und Preisen und die Anstrengungen der
Wirtschaft überwunden hat, und zum anderen an einer Neueinschätzung der
Auslandsrisiken, die die deutschen Investoren veranlasst hat, im
vergleichsweise sicheren Heimathafen zu bleiben. In der Tat wurde der
Konjunkturaufschwung der letzten zwei Jahre vor allem durch die
Investitionen getrieben. Unser Land arbeitete sich deswegen vom elften
auf den neunten Platz im Ranking der EU-Länder voran. Der Erfolg kam
also nicht wegen des Euro zustande, sondern trotz des Euro und wegen
dessen Krise.
3. Nur eine Vertrauenskrise?
Es handelt
sich bei der Euro-Krise nicht allein um eine Vertrauenskrise, die ihre
Ursache in dysfunktionalen Märkten hat, wie es von Seiten der Schuldner
und ihrer Gläubiger immer wieder behauptet wird, um die Taschen der
Retter zu öffnen, sondern um eine klassische Zahlungsbilanzkrise, die
aus überhöhten Preisen für Güter und Vermögensobjekte in den
Defizitländern resultiert. Insofern ist der Versuch, die Krise durch
eine Vergrößerung der Feuerkraft von Rettungssystemen in Schach zu
halten, zum Scheitern verurteilt. In Wahrheit wird die fehlende
Wettbewerbsfähigkeit der peripheren Länder dadurch verfestigt, denn
solange öffentliche Mittel zur Finanzierung der Leistungsbilanzdefizite
zur Verfügung stehen, wird die nötige Korrektur der überhöhten Preise
und Löhne unterbleiben. Außerdem wird die Kapitalflucht befördert, denn
es wird ein einseitiges Abwärtsrisiko für Vermögenswerte wie Immobilien,
Firmen oder Wertpapiere erzeugt. Jeder weiß, dass diese Werte fallen
werden, sobald sich die Taschen der Retter geleert haben. Die reichen
Vermögensbesitzer der Krisenländer, die ihr Vermögen schon in Sicherheit
gebracht haben, kaufen deshalb auch weiterhin lieber deutsche Firmen,
Immobilien und Staatspapiere, als sich in ihrem Heimatland dem Risiko
von Vermögensverlusten auszusetzen. So leeren sich dann die Taschen der
Retter tatsächlich, ohne dass die strukturellen Ursachen der Krise
gelöst werden, und letztendlich kollabiert das System.
4. Eigenmächtige Selbsthilfe mit der Druckerpresse
Viele
meinen, der Euroraum leide unter einer temporären Krise, die erst seit
dem letzten Jahr zu Rettungsaktionen geführt hat. Davon kann nicht die
Rede sein. Schon seit dem Herbst 2007 haben sich die Krisenländer in
riesigem Umfang selbst mit der Notenpresse finanziert, was im Verein mit
einer Verlagerung der Refinanzierungskredite des Zentralbankensystems
einen öffentlichen Kapitalexport von Deutschland in die Krisenländer
bewirkte.Bei der Bundesbank sind auf diese Weise
Ausgleichsforderungen (Target) von bald 500 Milliarden Euro aufgelaufen,
die niedrig verzinst sind und nicht fällig gestellt werden können.
Hätte der Euroraum die Regeln des amerikanischen Währungssystems
übernommen, hätte die Bundesbank statt dieser Ausgleichsforderungen von
den Krisenländern marktgängige Wertpapiere erhalten. Das hätte den Hang,
sich der Notenpresse zu bedienen, erheblich verringert.Die
Leistungsbilanzdefizite Griechenlands und Portugals wurden seit dem
Herbst 2007 praktisch vollständig mit der Notenpresse finanziert, bis
die Staatengemeinschaft schließlich mit den offenen Rettungsaktionen zu
Hilfe kam. Die Eurozone befindet sich derzeit schon im fünften Jahr der
Totalrettung dieser Länder. Im Falle Spaniens wurde ein erheblicher Teil
der Leistungsbilanzdefizite finanziert. Irland druckte viel frisches
Geld zur Kompensation der Kapitalflucht. Faktisch nahmen die
Krisenländer ähnlich wie die Vereinigten Staaten seinerzeit im
Bretton-Woods-System die Rolle von Reservewährungsländern im Euroraum
ein, die ihre Finanzierungsdefizite gegenüber anderen Ländern mit
selbstgedrucktem Geld statt mit Krediten zu Marktkonditionen schlossen.Der
Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) hat diesen Vorgang nicht nur
toleriert, sondern durch eine Absenkung der Sicherheitsstandards für
Refinanzierungskredite an die Banken tatkräftig unterstützt. Durch den
Verzicht auf eine Mindestqualität der als Sicherheiten eingereichten
Staatspapiere Griechenlands, Portugals und Irlands hat er mittelbar
einer Monetisierung der Staatsschulden dieser Länder Vorschub
geleistet. Die Bundesbank hat die zuströmende Liquidität durch
eine Verringerung ihrer Refinanzierungskredite und eine Kreditaufnahme
bei den deutschen Banken wieder abgeschöpft und ist dabei zu einem
Nettoschuldner des deutschen Bankensystems geworden.Seit dem
Sommer ist eine gewaltige Kapitalflucht von Italien nach Deutschland im
Gang, bei der italienische Vermögensbesitzer mit neu gedrucktem Geld
deutsche Firmen, Immobilien und Wertpapiere erwerben, während
Deutschland sich im Austausch dafür mit dem Aufbau weiterer
Target-Forderungen der Bundesbank gegen das EZB-System begnügen muss.
Die Notenpresse in Italien läuft heiß, und bei der Bundesbank wird das
hereinströmende Geld geschreddert. Es gibt bislang keine Grenze für
diesen Prozess.
5. Fehlende Gegenwerte
Die
Selbsthilfe mit der Notenpresse hat Konsequenzen für die Beurteilung der
deutschen Exportüberschüsse. Normalerweise kann ein Land, das
Exportüberschüsse erwirtschaftet, dafür im Ausland Vermögenstitel
erwerben, die ihm Zinseinnahmen und Gewinne verschaffen und bei Bedarf
aufgelöst werden können, um die Versorgung auch im Falle einer eigenen
Wirtschaftsschwäche zu sichern. Im Euroraum war es leider anders.In
den drei Jahren von 2008 bis 2010 hatte Deutschland gegenüber den
anderen Euroländern einen Leistungsbilanzüberschuss von 264 Milliarden
Euro. Dafür hat es in seiner Gesamtheit aber praktisch keine
marktüblichen Vermögensansprüche gegen das Ausland wie zum Beispiel
Fabriken, Immobilien oder Wertpapiere erhalten. Vielmehr wurde dieser
Überschuss zu 255 Milliarden Euro oder 96 Prozent mit bloßen
Target-Forderungen der Bundesbank gegen die EZB beglichen. Nur zu 4
Prozent wurden per saldo andere Forderungen erworben, wobei 2 dieser 4
Prozent auch noch auf Forderungen aus öffentlichen Rettungsaktionen
zurückgehen.Der private Sektor hat von dem Vorgang insofern
profitiert, als seine Verschuldung gegenüber dem Bankensystem und der
Bundesbank abnahm. Das mag vielen als ausreichende Kompensation für die
Exportüberschüsse erscheinen. Indes hat die Bundesbank auf diese Weise
inländische Forderungen gegen das deutsche Bankensystem in
Auslandsforderungen gegen das EZB-System umgetauscht, von denen man
nicht weiß, wie man sie eintreiben könnte, sollte der Euro
auseinanderbrechen und die EZB abgewickelt werden. Die Rekapitalisierung
der Bundesbank durch Steuererhöhungen, die in diesem Fall nötig ist,
würde dann möglicherweise den gesamten privaten Vermögenszuwachs, der
durch die Exportüberschüsse der drei betrachteten Jahre entstand,
vernichten.Exportüberschüsse sind für sich allein kein Ausweis
einer Gewinnerposition, wie die Politik behauptet. Sie nützen einem Land
nur, wenn es dafür sichere und marktgerecht verzinste Aktiva erwirbt,
die es im Bedarfsfall zur Sicherung des Lebensstandards einsetzen kann,
indem es entsprechende Leistungsbilanzdefizite realisiert. Müssen wir
unsere Target-Forderungen gegen das EZB-System ganz oder teilweise
abschreiben, dann waren unsere Exportüberschüsse mit den anderen Ländern
der Eurozone insoweit Geschenke, die das Land nicht reicher gemacht
haben. Die Bürger haben dann umsonst gearbeitet.
6. Mandatsüberschreitung
Beginnend
mit dem Jahr 2010 hat die EZB die nationalen Zentralbanken zusätzlich
beauftragt, Staatspapiere von Krisenländern zu kaufen. Allein in den
letzten vier Monaten sind Käufe im Umfang von über 130 Milliarden Euro
angeordnet worden. Insgesamt sind bis Ende November schon mehr als 200
Milliarden Euro zusammengekommen, wovon 27 Prozent von der Bundesbank
getätigt werden mussten.Damit wird das Verbot der
Staatsfinanzierung verletzt, das in Artikel 123 der EU-Verträge
ausgesprochen wird. Die beiden deutschen Repräsentanten im EZB-Rat sind
aus Protest gegen diese Politik zurückgetreten. Bundespräsident
Christian Wulff hat der EZB vorgeworfen, den Maastrichter Vertrag zu
umgehen. Der neue Bundesbank-Präsident Jens Weidmann wehrt sich
vergebens und wird, wie schon sein Vorgänger, stets im EZB-Rat
überstimmt. Die Politik sollte darüber nicht zur Tagesordnung übergehen.Die
Finanzierungshilfen der EZB sind in ihrem Kern nicht geld-, sondern
fiskalpolitischer Natur. Zum einen werden ja die Effekte auf die
Geldmenge, wie die EZB selbst immer wieder betont, sterilisiert. Zum
anderen verlagern diese Hilfen in riesigem Umfang Kapital und damit
einhergehend Vermögensrisiken zwischen den Staaten der Eurozone. Sie
hätten der Kontrolle der Parlamente bedurft.Die
Geschäftsgrundlage der EZB war es, das Bundesbank-Modell zu übernehmen,
und nicht, ihre Politik in Opposition zur Bundesbank durchzuboxen. Es
ist ein Unding, dass der EZB-Rat, in dem Deutschland unterrepräsentiert
ist, sich das Recht herausnimmt, einer Teilgruppe von Ländern die
Möglichkeit zu geben, ihre außenwirtschaftlichen Finanzprobleme über
längere Zeiträume hinweg mit der Notenpresse zu lösen. Was als
Kontokorrent-Kredit gemeint war, kann nicht als Dauerfinanzierung
genutzt werden. Wer das zulässt oder gar fördert, überschreitet sein
Mandat.Deutschland sitzt mit seinen Target-Forderungen in der
Falle und käme aus dem Euro auch dann nicht mehr ungeschoren heraus,
wenn es das wollte, denn geht der Euro zu Bruch, stehen etwa 500
Milliarden Euro an Forderungen gegen eine Institution im Raum, die es
nicht mehr gibt. Unser Land ist durch den freien Zugang zur Notenpresse,
den der EZB-Rat den überschuldeten Ländern verschafft hat, erpressbar
geworden.Zu den höchsten Prioritäten der deutschen Politik muss
es deshalb gehören, die Regeln, nach denen die EZB arbeitet, in einem
neuen EU-Vertrag zu ändern. Jedenfalls kann Deutschland keinen
Vertragsänderungen zustimmen, die eine Ausweitung der öffentlichen
Rettungsaktionen vorsehen, wenn nicht zuvor, etwa in Form einer
Übernahme der amerikanischen Regeln zur Bezahlung der Target-Salden mit
marktgängigen Wertpapieren, Maßnahmen zur Eingrenzung der
Selbstbedienung mit der Notenpresse vereinbart wurden.Wenn die
EZB tatsächlich befugt werden soll, eine Kreditvergabe zwischen den
Staaten, sei es über die systematische Verlagerung der
Geldschöpfungskredite zwischen den Ländern, sei es über die Käufe von
Staatspapieren, vorzunehmen, dann braucht sie dafür eine
Entscheidungsstruktur, wie sie auch bei den zwischenstaatlichen
Rettungssystemen vereinbart wurde. Dort spiegeln die Stimmrechte die
Haftungsstrukturen wider, und bei Grundsatzentscheidungen wird
Einstimmigkeit verlangt.
7. Riesige Haftungssummen
Zu
der Haftung durch die Risikopolitik der EZB sind seit dem letzten Jahr
auch noch Haftungsrisiken durch die zwischenstaatlichen Rettungssysteme
hinzugetreten. Die Politik nennt diese Haftungssummen, ohne zu erwähnen,
dass sie nur einen Bruchteil dessen ausmachen, was Deutschland im Fall
der Fälle wirklich zu schultern hätte. Statt nur für 211 Milliarden Euro
haftet Deutschland, wenn man die anteiligen Verpflichtungen der
Bundesbank und die schon gewährten Finanzhilfen mit einbezieht, in
Wahrheit schon für bald 600 Milliarden Euro, und die Summe steigt von
Tag zu Tag. Die bisher noch hohe Bonität unseres Landes bei den
internationalen Kapitalanlegern ist ernsthaft bedroht.Die Politik
versteift sich auf die Position, dass die Garantien im Zuge der
Rettungsaktionen nicht gezogen werden, dass die Hebelung des
Rettungsfonds nicht zu einer Erhöhung der Risiken für Deutschland führt
und dass es keine Notwendigkeit geben wird, der Bundesbank neues
Eigenkapital zum Ausgleich für Abschreibungsverluste zuzuführen. Diese
Position ist nicht mehr glaubhaft. Wenn sie sich im Endeffekt doch
bewahrheiten sollte, so nur deshalb, weil die Retter die Geretteten
später mit offenen fiskalischen Transfers in die Lage versetzen werden,
ihre Schulden zu bedienen, also insofern die Schulden selbst
zurückzahlen.Die Übernahme der Haftung in solch riesigem Ausmaß
wird Unfrieden in Europa erzeugen. Sie wird eine Transferunion
erzwingen, die eine schleichende Enteignung der deutschen Sparer
bedeutet und das Vertrauen in die staatliche Ordnung unterminiert.Wir
befürchten, dass das, was wir sehen, erst der Anfang ist. Die
Staatsschulden der Krisenländer (Griechenland, Irland, Italien,
Portugal, Spanien) liegen derzeit bei 3,35 Billionen Euro. Systeme zu
etablieren, die den Weg in die Ausweitung der Haftung möglich machen,
halten wir für unverantwortlich. Dem darf die Bundesregierung nicht
zustimmen.
8. Monetäre Staatsfinanzierung
Die
neuerlich von EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso erhobenen
Forderungen nach einer noch direkteren monetären Staatsfinanzierung,
etwa über die Gewährung einer Banklizenz für den europäischen
Rettungsfonds, sind gefährlich und öffnen die Büchse der Pandora. Wenn
die Notenpresse in den unmittelbaren Dienst der Staatsfinanzierung
gestellt wird, ist dem Missbrauch Tor und Tür geöffnet, was Deutschlands
leidvolle Erfahrungen mit der Hyperinflation zur Zeit der Weimarer
Republik beweisen.Zum einen würde damit die Haftung der soliden
Länder für die bereits aufgelaufenen Staatsschulden und Target-Kredite
der Krisenländer noch weiter ausgedehnt. Hohe Abschreibungslasten, die
der Staat zum Ersatz des Eigenkapitals der Bundesbank leisten muss,
wären zu erwarten.Zum anderen könnte die Notenbank ihr
eigentliches Mandat, Geldwertstabilität zu sichern, nicht mehr erfüllen,
weil die Anreize, in Zukunft tragfähige öffentliche Haushalte
vorzulegen, noch weiter geschwächt werden. Die wachsenden Schuldenlasten
würden im Verein mit den heute schon riesigen Target-Schulden einen
immer stärkeren politischen Druck zur Flucht in die Inflation
hervorrufen, dem sich die Notenbank im Endeffekt nicht wird widersetzen
können.Geldwertstabilität ist aber eine Grundvoraussetzung für
den inneren Frieden einer Gesellschaft und auch für die Zukunft der
Währungsunion. Genau aus diesen Gründen verbieten die EU-Verträge die
monetäre Staatsfinanzierung. Die offensichtliche Rechtsbeugung, die nun
von Seiten der EU-Kommission verlangt wird, untergräbt das Vertrauen in
die Währungsunion und die Stabilität ihrer Währung. Gäbe man dem
Verlangen nach, wäre der Europäischen Währungsunion endgültig die
Geschäftsgrundlage entzogen.
9. Eurobonds
Mit großer
Sorge sehen wir auch die immer wieder von neuem vorgebrachten Vorschläge
der EU, Eurobonds oder andere Gemeinschaftsfonds durchzusetzen.
Eurobonds würden die massive Kapitalabwanderung aus Deutschland heraus,
die das Wachstum lange beeinträchtigt hatte, wieder aktivieren und unser
Land abermals zurückwerfen. Sie würden die überschuldeten Staaten der
Peripherie anregen, neue Schulden zu machen, und die Bedingungen, die
zur Krise des Euro geführt haben, perpetuieren. Insbesondere würden die
Eurobonds die Kapitalströme in Europa wieder in Gang setzen und damit
die Leistungsbilanzungleichgewichte zwischen den Ländern verfestigen.Die
heute von manchen als unerträglich hoch empfundenen Zinsen Italiens und
Spaniens liegen im Bereich der Werte, die selbst Deutschland in den
siebziger und achtziger Jahren hat zahlen müssen, und weit unter den
Zinsen, die diese Länder vor dem Eintritt in den Euro entrichtet haben.
Wir sind nicht der Meinung, dass die Märkte hier schon das Risiko
übertreiben und dass deshalb Maßnahmen zur Begrenzung der Zinsen
angebracht sind. Noch besteht die Chance, dass sich die Zinsen auf einem
höheren Niveau stabilisieren.Eurobonds kämen Deutschland extrem
teuer zu stehen, weil für die deutsche Staatsschuld zusätzliche
Zinskosten im Umfang von mehreren Dutzend Milliarden Euro pro Jahr
anfielen. Eurobonds mit gesamtschuldnerischer Haftung hat das
Verfassungsgericht zu Recht verboten, und wenn Eurobonds mit anteiliger
Haftung tatsächlich ein von den Märkten präferiertes Finanzinstrument
wären, dann wären sie schon lange von privaten Investment-Fonds
angeboten worden.Den Vorschlag des deutschen
Sachverständigenrates, unter Umgehung des Maastrichter Vertrages einen
europäischen Schuldentilgungsfonds einzurichten, beurteilen wir ähnlich.
Die Vorstellung, ein solcher Fonds lasse sich mit verbindlichen Regeln
zur Schuldentilgung ausstatten, wird der politischen Praxis nicht
standhalten. Der Schuldentilgungsfonds wird bestenfalls als Wegbereiter
für Eurobonds dienen, denn wenn Deutschland bereits für einen Teil der
Schulden haftet, wird der Druck groß, auch noch für den anderen Teil zu
haften, damit die Garantien für die Teilschuld zunächst noch nicht
fällig werden. Der Schuldentilgungsfonds ist gefährlich für die
Stabilität der Eurozone im Allgemeinen und Deutschlands im Besonderen.
10. Politik der restriktiven Rettung
Nur
eine Politik der restriktiven Rettung, die die öffentlichen Mittel an
überschuldete Länder knapp hält, eine Korrektur der fehlerhaften
Preisstrukturen bewirkt und Konkurse bei Ländern zulässt, die sich trotz
umfangreicher Liquiditätshilfen nicht selbst helfen können oder wollen,
kann den Euro erhalten. Es muss einen Mittelweg zwischen der
Verweigerung von Hilfe für bedrängte Nachbarstaaten und der Schaffung
eines Selbstbedienungsladens für die Staatsfinanzierung geben.Die
Politik bewegt sich derzeit in die Richtung immer größerer
Rettungssummen und glaubt, sie könne sich vor einem Missbrauch schützen,
indem sie den Nehmerländern Auflagen macht, die den
Entscheidungsspielraum der dortigen politischen Instanzen verringern.
Das schafft Unfrieden, weil unpopuläre Maßnahmen dem Helfer zugerechnet
werden und nicht den eigenen Fehlern. Deutschland und Europa geraten
immer mehr in eine Rolle des Sündenbocks und werden die Zielscheibe von
demagogischen Attacken.Besser, als Verhaltensvorschriften zu
machen, ist es, die Rettungsmittel zu begrenzen. Nur dann kann man den
Mittelweg glaubhaft beschreiten. Man muss in diesem Fall aber zulassen,
dass Länder, denen die nur begrenzt zur Verfügung stehenden Hilfsmittel
nicht reichen und die zur Erlangung ihrer Wettbewerbsfähigkeit zu großen
Preissenkungen ausgesetzt wären, aus der Währungsunion austreten.
11. Transferunion?
Wenn
Deutschland die Möglichkeit einer Gläubigerbeteiligung oder eines
Austritts aus der Währungsunion ausschließt, gibt es zu erkennen, dass
es bereit ist, Länder, die nicht wettbewerbsfähig sind, dauerhaft und um
jeden Preis zu stützen. Das ist der sichere Weg in die Transferunion.
Angesichts der relativen Größe der Bevölkerung der Krisenländer,
immerhin vierzig Prozent der Gesamtbevölkerung des Euroraums, halten wir
diesen Weg für nicht gangbar.Der manchmal angeführte Vergleich
mit den neuen Bundesländern ist nicht zulässig, denn zum einen lebten
dort seinerzeit nur etwa 20 Prozent der gesamtdeutschen Bevölkerung und
zum anderen benötigen die neuen Bundesländer auch heute noch erhebliche
öffentliche Mittel aus dem Westen. Man kann das Geld immer nur einmal
ausgeben.Wenn der Weg in die Transferunion aber dennoch gegangen
werden soll, müssen zuvor sehr viel weitergehende Reformen beschlossen
werden, die eine gemeinsame europäische, bundesstaatlich organisierte
Nation begründen und auch anderen Ländern erhebliche Zugeständnisse
abverlangen. Dazu gehören nicht zuletzt die vollständige Zusammenfassung
der Streitkräfte unter gemeinschaftlicher Befehlsgewalt, eine
gemeinsame Außenpolitik und die weitgehende Aufgabe der
einzelstaatlichen Autonomie. Dies ist allenfalls langfristig zu
erreichen. Im Übrigen müsste sichergestellt werden, dass die Transfers
von den reichen an die armen Staaten gehen und nicht wie in der
gegenwärtigen Konstruktion von den Regeltreuen an die Regelbrecher.
12. Zinsspreizung und Leistungsbilanzsalden
Europa
ist heute noch weit entfernt davon, eine gemeinsame Nation zu bilden.
Aber selbst wenn die Bildung einer Nation gelänge, wäre eine
gegenseitige Haftung für die Schulden der Teilstaaten schädlich. Das
zeigt das Beispiel erfolgreicher politischer Unionen wie der Vereinigten
Staaten und der Schweiz. In Amerika musste erst eine Reihe von Staaten
in Konkurs gehen, bis allen klar war, dass es keine gegenseitigen Hilfen
gibt. Auch diese Klarheit hat dazu beigetragen, die Schulden der
Einzelstaaten in engen Grenzen zu halten.Exzessive
außenwirtschaftliche Ungleichgewichte im Euroraum lassen sich nur
vermeiden, wenn man auf den Haftungsverbund verzichtet und stattdessen
die Marktkontrolle über die Kapitalströme erhält. Nur wenn die
Möglichkeit des Staatskonkurses im Falle der Überschuldung besteht,
führt eine wachsende Verschuldung zu einem Zinsanstieg, der das
Interesse an ebendieser Verschuldung bei den Schuldnern begrenzt und
Disziplin erzwingt. Nur bei einer solchen Selbstkontrolle des
Kapitalmarktes lässt sich verhindern, dass die Wirtschaft der
Kreditnehmer überhitzt, während jene der Kreditgeber in die Flaute
gerät, was die häufig beklagten Ungleichgewichte bei den
Leistungsbilanzen zur Folge hätte.Man muss der Versuchung, die
eigenen Ausgaben mit Schulden zu finanzieren, entgegenwirken, anstatt
sie durch eine Politik der Zinsangleichung von neuem zu wecken. Es gibt
kein Anrecht auf niedrige Zinsen als Mitglied der Eurozone, das man auf
politischem Wege befriedigen müsste. Niedrige Zinsen sind ein Vorteil,
den man sich erarbeiten muss.
13. Programmierte Konflikte
Offensichtlich
sind einige Mitglieder der Währungsunion teils nicht fähig, teils nicht
willens, die mit einer Währungsunion verbundenen gesamtwirtschaftlichen
Konvergenzanstrengungen politisch umzusetzen. Im Verein mit ihren
Gläubigern, die sich verspekuliert haben, versuchen sie nun in Form des
europäischen Rettungsfonds einen Käufer für die toxisch gewordenen
Staatspapiere zu finden.Das schafft zwar zunächst Ruhe auf den
Märkten, doch werden damit die Risiken, die aus einem überzogenen
privaten und staatlichen Konsum der unsoliden Länder entstanden sind,
den soliden Ländern aufgebürdet. Letztlich müssen sie nun an die Stelle
der bisherigen Gläubiger der Schuldenländer treten und versuchen, die
säumigen Schulden einzutreiben. Streit und Zwietracht zwischen den
Völkern Europas sind auf diese Weise programmiert. Die Bundesrepublik
Deutschland sollte sich daraus so weit wie möglich heraushalten.
14. Beruhigung der Kapitalmärkte oder der Bürger?
Viele
Bürger misstrauen einer Politik, die ihre Versprechungen und
Ankündigungen in immer kürzeren Zeitabständen revidiert und das Maß für
die Dinge zu verlieren droht. Wir übersehen nicht, dass die deutsche
Politik gegenüber dem geballten Interesse der internationalen
Finanzmärkte und der Schuldenstaaten einen schweren Stand hat. Aber wir
verlangen von ihr eine vorurteilslose Diskussion der verschiedenen noch
möglichen Wege und auch die Größe, bisherige Fehler und
Fehleinschätzungen offen einzugestehen. Wenn man einen falschen Weg
genommen hat und sieht, dass man dem Ziel nicht näher kommt, muss man
innehalten, ein Stück zurückgehen und dann einen neuen Weg beschreiten.
Es macht dann keinen Sinn, noch beherzter voranzuschreiten.Eine
Fortführung der bisherigen Politik wird Deutschland überfordern und
ärmer machen, gerade auch, wenn es ihr gelingen sollte, die
Kapitalanleger zu beruhigen, indem sie ihnen ihre toxischen
Staatspapiere abnimmt. Sie verlagert die Lasten auf unsere Kinder und
verringert ihre Möglichkeiten, in wirtschaftlicher Prosperität und
sozialem Frieden zu leben.
15. Institutionelle Schuldenschranken
Die
Politik hofft, dass sich Schuldendisziplin auch im Falle einer
gemeinschaftlichen Haftung für die Schulden durch politische
Schuldenschranken im Zuge einer Fiskalunion erreichen lässt. Nach den
Erfahrungen mit dem Stabilitäts- und Wachstumspakt halten wir diese
Hoffnung für verfehlt.Politische Schuldenschranken sind zwar
nicht schädlich. Doch ist die Zeit, als es darum ging, übermütige
Gläubiger und Schuldner zu bändigen, lange vorbei. Die Kapitalmärkte
sind heute ohnehin nicht mehr bereit, alle Finanzierungswünsche der
Krisenländer zu erfüllen, und deshalb kommt der ausländische Kredit im
Wesentlichen über die Instrumente der Gemeinschaftsfinanzierung
zustande. Um bei solchen Verhältnissen Schuldendisziplin einzufordern,
benötigt man keine politischen Schranken, an deren Definition die
Kreditnehmer selbst mitwirken. Vielmehr reicht die Begrenzung der
Kreditvergabe durch die öffentlichen Gläubiger vollkommen aus.Eine
Fiskalunion mit verbesserten Eingriffsrechten der EU oder
zwischenstaatlichen Instanzen wird, so befürchten wir, das Gegenteil von
dem bewirken, was die Bundesregierung bezweckt. Sie wird die
Kreditvergabe zwischen den Staaten eher erleichtern, wenn nicht sogar
steigern, weil sie den Defizitländern die politische Mitsprache beim
Zugriff auf die Kredite des Rettungsfonds gibt.
16. Zu viel Wettbewerbsfähigkeit?
Als
besonders problematisch sehen wir es in diesem Zusammenhang an, dass
die EU die Lohnstückkosten der europäischen Länder durch
Politikmaßnahmen beeinflussen will. Die damalige französische
Finanzministerin Christine Lagarde hatte ja schon im letzten Jahr
gefordert, dass Deutschland seine Löhne erhöhen möge, um so seine
Wettbewerbsfähigkeit zugunsten seiner Wettbewerber zu verschlechtern.
Die zunächst vorgesehenen Strafen der EU für Länder, die zu geringe
Lohnstückkosten haben, hat die Bundesregierung zwar abwehren können,
doch stehen die Kritik an der angeblich ungerechtfertigten
Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft sowie der Versuch, sie
durch oktroyierte Lohnerhöhungen zu verringern, im Raum. Wir lehnen
diese Überlegungen ab. Es ist grundsätzlich nicht Aufgabe des Staates,
in die Preis- und Lohnstrukturen der Marktwirtschaft einzugreifen, weil
dadurch die Lenkungsfunktion der Preise und Löhne verfälscht wird.Die
Orientierung der Politik an Lohnstückkosten verkennt auch, dass die
Unterschiede in den Lohnstückkosten in Europa großenteils durch
Kapitalbewegungen zustande kamen, die, wie erläutert, ihrerseits das
Ergebnis der durch falsche Erwartungen und eine falsche
Bankenregulierung erzeugten Zinskonvergenz waren. Wenn man die
Lohnstückkostenunterschiede verringern will, muss man zulassen, dass die
Krisenländer sich verbilligen. Damit das passiert, darf man aber den
Kapitalfluss zwischen den Ländern nicht durch überzogene
Rettungsaktionen und gemeinschaftlich besicherte
Finanzierungsinstrumente fördern, die in den Zustand der Zinsgleichheit
zurückführen und damit die Wachstumskräfte abermals von Deutschland in
die Peripherie verlagern. Wenn man will, dass Deutschland mehr und die
Südländer weniger importieren, darf man die Selbstkorrektur des
europäischen Kapitalmarktes, die nach der Krise eingesetzt hat, indem
wieder mehr Kapital in Deutschland investiert wird, nicht abblocken. Wer
das Kapital, das aus freien Stücken nicht mehr aus Deutschland heraus
will, durch staatliche Maßnahmen heraustreibt, erhält die
außenwirtschaftlichen Ungleichgewichte in Europa.Durch politische
Maßnahmen erzwungene Lohnerhöhungen werden zwar den deutschen Export
schwächen, doch werden sie auf dem Wege über eine Schwächung, wenn nicht
Kontraktion der deutschen Wirtschaft auch die Importe verringern, so
dass nicht einmal zu erwarten ist, dass der deutsche Exportüberschuss
abgebaut werden kann. Was die anderen Länder an Wettbewerbsfähigkeit
gewinnen, könnte ihnen durch die Verminderung der deutschen Nachfrage
nach ihren Produkten verlorengehen.
17. Eine Agenda-Liste
Nur
die Bekämpfung der eigentlichen volkswirtschaftlichen Ursachen kann
eine Lösung der Krise bringen. Nur die Symptome der Krankheit zu
kurieren ist sinnlos. Da es politisch kein Zurück zum völligen
Ausschluss gegenseitiger Haftungen mehr gibt, muss auf jeden Fall
Folgendes erreicht werden. a) Die EZB wird wieder auf die reine
Geldpolitik beschränkt. Sie kann in Europa nicht die Aufgabe übernehmen,
die nationalen Bankensysteme oder gar die Staaten zu stabilisieren. Das
ist ausschließlich die Aufgabe der Einzelstaaten beziehungsweise der
Staatengemeinschaft selbst. Solange die EZB durch ihre Politik
fiskalische und sonstige Lasten zwischen den Staaten verschieben kann,
unterminiert und präjudiziert sie die Entscheidungen der Parlamente. b)
Die Entscheidungsregeln und die Verteilung der Stimmrechte im EZB-Rat
sind zu ändern. Es geht nicht an, dass ein Gremium, in dem die
Stimmrechte vollständig von der Haftung entkoppelt sind, mit einfacher
Mehrheit Maßnahmen beschließt, die Deutschland Haftungsrisiken von
hunderten von Milliarden Euro aufbürden.c) Die
Target-Verrechnungssalden zwischen den nationalen Notenbanken müssen ab
sofort jährlich durch marktfähige Vermögenswerte wie in den USA
ausgeglichen werden, um sicherzustellen, dass die Notenpresse in den
nationalen Zentralbanken mittelfristig nur in dem Maße in Anspruch
genommen wird, wie es für die jeweilige nationale Geldversorgung
notwendig ist. Für bisher aufgelaufene Salden ist eine längerfristige
Tilgung vorzusehen. Wenn der einfache Zugriff auf die Notenpresse nicht
abgeblockt wird, ist der Weg in die Eurobonds und eine Transferunion
vorbestimmt. d) Eine klar definierte Abfolge von Hilfen und
Maßnahmen nach dem Vorschlag der European Economic Advisory Group ist
zwischen den Eurostaaten vertraglich festzulegen. Wenn ein Land
außerstande ist, fällig gewordene Staatspapiere zu bezahlen, müssen
zunächst die Investoren haften. Die Staatengemeinschaft darf nur zur
Vermeidung exzessiver Risiken herangezogen wird, und auch dieser Schutz
ist auf einen bestimmten Anteil des BIP zu begrenzen. Nur so lässt sich
der Anreiz zur Sorgfalt mit dem Ziel verbinden, im Krisenfall eine Panik
der Märkte zu verhindern. e) Die EU sollte den bedrängten
Ländern bei der Überwindung ihrer Wettbewerbsprobleme helfen und ihnen
Perspektiven für eine wirtschaftliche Gesundung eröffnen. Dazu gehören
Hilfen für den Aufbau einer Steuerverwaltung und eines funktionierenden
Rechtssystems genauso wie Maßnahmen, die die jeweiligen Regierungen
dabei unterstützen, Staatsvermögen zu privatisieren und Reformen zur
Erhöhung der Lohn- und Preisflexibilität durchzusetzen.
Gemeinschaftliche Hilfen, die über die in Punkt d) genannten Hilfen
hinausgehen, sind indes nicht zielführend, weil sie eine Abhängigkeit
von solchen Hilfen und einen Automatismus erzeugen, dem sich die
Geberländer nicht mehr entziehen können. f) Die Banken müssen
ausreichend Eigenkapital vorhalten, um nicht bei größeren
Kreditausfällen staatlicher und privater Schuldner in eine Schieflage zu
geraten. Sonst können die Banken die Staaten weiterhin de facto
erpressen, ihnen zu helfen, um die volkswirtschaftlichen Kosten eines
Zusammenbruchs des Bankensystems zu vermeiden. Eine höhere
Eigenkapitalausstattung vermindert den Anreiz zur Spekulation, und sie
schafft im Krisenfall einen Puffer, der Verluste auffangen kann. Auch
Staatspapiere und Kredite an andere Banken sind ausfallbehaftet und
müssen je nach der Höhe des länderspezifischen Risikos mittelfristig mit
Eigenkapital unterlegt werden, wie es bei Krediten an normale
mittelständische Firmen üblich ist. Das verteuert den Staatskredit und
den Interbankenhandel, ist aber notwendig, um das Bankensystem und die
Staaten zu stabilisieren. Soweit sich die Banken das notwendige
Eigenkapital nicht auf den Märkten beschaffen können, ist eine
staatliche Zwangsrekapitalisierung durch Ausgabe von Aktien oder
ähnliche Maßnahmen vorzusehen, um einerseits eine Kreditklemme zu
vermeiden und andererseits dem Staat die Chance zu geben, an einer
eventuellen Wertsteigerung der Banken teilzuhaben. g)
Euroländern, die dauerhaft nicht willens oder objektiv nicht in der Lage
sind, die notwendigen Maßnahmen zum Abbau der Ungleichgewichte und der
Verschuldung vorzunehmen, ist die Möglichkeit einzuräumen, aus der
Eurozone auszutreten und in den Status der anderen, nicht der Eurozone
angehörigen EU-Mitgliedsländer zurückzukehren. Der Austritt aus der
Eurozone ist im Falle eines Staatsbankrotts als Regel vorzusehen. Die
entsprechenden Verfahren sind in den Verträgen festzulegen. Nur eine
Währungsunion, die ein freiwilliger Staatenbund unter Respekt der
gegenseitig gegebenen Regeln bleibt, hat dauerhaft Bestand. Die Unterzeichner:
- Prof.
Dr. h.c. Roland Berger, Vorsitzender der Freundesgesellschaft des Ifo
Instituts, Honorary Chairman, Roland Berger Strategy Consultants GmbH
- Dr. Aldo Belloni, Stellv. Vorsitzender, Mitglied des Vorstands, Linde AG
- Dr. Wolfgang Sprißler, Schatzmeister, ehemaliger Vorstandssprecher, HVB
- Dr. Eckhard Cordes, Vorstandsvorsitzender, Metro AG
- Dr. Jürgen Hofmann, Generalsekretär, Wirtschaftsbeirat Bayern
- Dr. Dirk Ippen, Zeitungsverleger, u. a. Münchner Merkur
- Dr. Fritz Kempter, Rechtsanwalt, Präsident des Verbands Freier Berufe in Bayern e.V.
- Meinhard Knoche, Mitglied des Vorstands, ifo Institut – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung
- Michael Kozikowski, Mitglied des Vorstands, KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft
- Prof. Dr. Klaus Mangold, Internationale Wirtschaftsberatungsgesellschaft mbH
- Prof. Dr. Georg Milbradt, Sächsischer Ministerpräsident a.D., TU Dresden
- Alexander Rittweger, Geschäftsführer, Loyalty Partner GmbH
- Dirk Roßmann, Geschäftsführer, Dirk Rossmann GmbH
- Dr. Dieter Soltmann, ehem. Präsident des Wirtschaftsbeirates der Union
- Prof. Dr. Dres. h.c. Hans-Werner Sinn, Präsident, ifo Institut – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung und LMU München
- Heinz Hermann Thiele, Vorsitzender des Aufsichtsrats, Knorr-Bremse AG
- Dr. Peter-Alexander Wacker, Vorsitzender des Aufsichtsrats, Wacker Chemie AG
- Georg von Werz, Vorstandsvorsitzender, Pramerica Real Estate International AG
- Dr. Otto Wiesheu, Präsident, Wirtschaftsbeirat Bayern
- Dr.-Ing. E.h. Manfred Wittenstein, Vorstandsvorsitzender, Wittenstein AG
- Ewald Woste, Vorstandsvorsitzender, Thüga AG
07. Dezember 2011