Sonntag, 19. Februar 2012

Friedrich II. und das Apothekenwesen

Im Dienste von Staat und Volksgesundheit

Schon seine Vorgänger hatten das Apothekenwesen gefördert, aber Friedrich der Große setzte neue Akzente


König Friedrich der Große war ein König, der umfassend volks-, aber auch betriebswirtschaftlich denken konnte. Sein Vater, der Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I., dem das wirtschaftliche Gedeihen Preußens gleichfalls sehr am Herzen lag, hatte auf dem Gebiet des Apothekenwesens bereits zweckmäßige, fruchtbringende Regelungen getroffen. So wurde in dem zu dessen Regierungszeit erlassenen „Allgemeinen und neu geschärften Medicinal-Edict“ von 1725 erstmalig im deutschsprachigen Raum eine wissenschaftliche Ausbildung und amtliche Prüfung für die Apotheker zumindest der größeren Städte Preußens vorgeschrieben. Preußen wurde dadurch weltweit zum Initiator eines wissenschaftlichen Studiums der Pharmazie. Bereits am 12. Februar 1698, also noch zur Regierungszeit von Friedrichs des Großen Großvater Kurfürst Fried­rich III., dem späteren König Fried­rich I. in Preußen, war unter dem Titel „Dispensatorium Brandenburgicum oder Vorschrift wie gemäß in den Provinzen der Grafschaft Brandenburg Medikamente zu bereiten sind“ ein mustergültiges pharmazeutisches Handbuch erschienen. Darin waren rund 1000 wesentliche Arzneimittel (davon 906 Mischungen) erfasst und übersichtlich in ihrer Zusammensetzung und Anwendung aufgeführt, was der Entlastung gerade der kleineren Apotheken in Preußen und damit dem Nutzen des „gemeinen Mannes“ dienen sollte.

Mit dem „Neu geschärften und von Sr. Kgl. Majestät in Preußen gnädig revidierten Hof-Apotheken-Reglement“ vom 23. November 1763 konnte König Friedrich II. folglich auf wichtige Vorleistungen seines Vaters und Großvaters aufbauen. Das Verdienst Friedrichs des Großen bestand vor allem darin, nicht nur wie seine Vorgänger wichtige Forderungen an das Apothekenwesen in Preußen zu dekretieren, sondern durch eine fördernde und kontrollierende, volkswirtschaftlich ausgerichtete Tätigkeit in allen mittleren und kleinen Städten Preußens Apotheken zu etablieren. Dies kam nämlich nicht nur der Gesundheit der dortigen Stadtbewohner zugute, sondern auch der umwohnenden Landbevölkerung. Dass König Friedrich wirtschaftlich zu denken verstand und Nutzen aus jener Tätigkeit sowohl für den Staat wie für den einzelnen Apotheker, aber auch für die gesamte Bevölkerung Preußens in pharmazeutischer Hinsicht schlagen wollte, soll anhand dreier Beispiele aus der Mark Brandenburg belegt werden.

„Es ist allhier zu Oranienburg noch niemalen eine Apotheke geweßen“, mit diesen Worten begann ein Gesuch des aus Oranienburg gebürtigen Apothekers Johann Friedrich Patze an den König. Er wolle deshalb in der nahe Berlin gelegenen Kleinstadt eine Apotheke „etablieren“. Patze hatte den Apothekerberuf acht Jahre lang erlernt und bat geschäftstüchtig darum, neben seiner Apotheke auch eine „Materialwarenhandlung“ betreiben zu dürfen. König Friedrich ließ unverzüglich durch seine Beamten sowohl die Notwendigkeit einer Apotheke in Oranienburg wie auch den Umstand prüfen, ob durch den Betrieb einer „Materialwarenhandlung“ in Oranienburg etwa die dortigen Kaufleute in ihren Geschäften Abbruch erleiden können. Danach mußte Patze, weil er „im Ausland“ die Apothekenkunst erlernt hatte, sich vor dem zuständigen „Collegio Medico“ in Berlin der amtlichen, im Dekret von 1725 vorgeschriebenen Prüfung unterziehen und durfte sich nach bestandener Prüfung stolz „Pharmazie-Candidatus“ nennen. Nun erhielt Patze 1753 das erstrebte Apotheken-Privileg für Oranienburg, in dem ihm der König zusicherte, die einzige für Oranienburg zugelassene Apotheke betreiben zu dürfen. Damit sich der Apotheker aber mangels Konkurrenz nicht etwa gehen ließ, wurde er in jenem Privileg zugleich verpflichtet eine „rechtschaffene“ Apotheke anzulegen und stets „tüchtige und frische“ Medikamente im Vorrat zu haben. Damit auch die Staatskasse etwas profitierte, musste Patze zehn Taler für die Ausstellung des Dokuments berappen und der Oranienburger Stadtphysikus (Amtsarzt) erhielt den Auftrag, regelmäßig den Zustand der neuen Oranienburger Apotheke zu überprüfen.

Über die Notwendigkeit eines „Apothekenmonopols“ in preußischen Kleinstädten hatte der damals noch junge König Friedrich bereits 1747 ausführlich nachgedacht, als der Apotheker Heller für seine ererbte Apotheke in Lenzen an der Elbe um die Gewährung desselben bat. Der König erkannte in seinen recht modern anmutenden Überlegungen durchaus an, dass die Erteilung eines Monopols immer Schäden infolge mangelnder Konkurrenz hervorrufen könne, andererseits aber in Kleinstädten mit 800 bis 2000 Einwohnern nicht zwei Apotheken nebeneinander bestehen können.

Umsichtig reagierte der König auch im Falle des Apothekers Prätorius aus der Kleinstadt Grabow im benachbarten Mecklenburg, der reichlich 25 Jahre später die Absicht äußerte, aus wirtschaftlichen Gründen nach Preußen überzusiedeln. Prätorius wollte sich im bisher apothekenlosen Kleinstädtchen Putlitz als Apotheker niederlassen. König Friedrich gewährte ihm 1774 sehr gern diese Bitte und förderte ihn nicht nur mit der zeitweiligen Befreiung von gewissen Steuern, sondern subsidierte sogar dessen Zuzug mit finanziellen Mitteln. Der volkswirtschaftlich denkende König wusste genau, dass diese Subsidien aus der Staatskasse gut angelegt waren, lockte er doch damit einen bemittelten Neubürger in seine Lande, förderte dadurch das Gesundheitswesen und gewann für die Zukunft nach Ablauf der dreijährigen Steuerbefreiung einen neuen, guten Steuerzahler. Nicht erlassen wurde Prätorius natürlich die für Apotheker in Preußen obligatorische Prüfung vor dem „Collegio Medico“ über seine pharmazeutischen Fachkenntnisse. Als guter Preuße starb der frühere Mecklenburger Untertan Christian Prätorius 1808 im Alter von 74 Jahren in Putlitz, nachdem er neben seiner Tätigkeit als Apotheker sogar lange Jahre als Bürgermeister jener Kleinstadt in der Prignitz gewirkt hatte. 

Jürgen W. Schmidt


Samstag, 18. Februar 2012

Verraten und verkauft: Rußlands Angebot für eine Rückgabe Königsbergs


Offenbar hat Moskau Deutschland nicht erst 1991, sondern auch bereits im Mai 1990 Verhandlungen über das nördliche Ostpreußen angeboten. Das Angebot wurde sofort und ohne jede weitere Sondierung von einem subalternen Diplomaten abgewiesen.

Keine Tabus: Offenbar hat Michail Gorbatschow Helmut Kohl das nördliche Ostpreußen sogar mehrfach angeboten.
War das ernst gemeint oder war es eine Falle, fragt das Nachrichtenmagazin „Spiegel“ und spielt damit schon fast die Nachricht als solche herunter: 
Im Mai 1990 suchte Generalmajor Geli Batenin, ein wichtiger Militärberater Gorbatschows, einen Gesprächstermin mit einem Vertreter der deutschen Botschaft in Moskau. Am 2. Juli findet das Gespräch mit Joachim von Arnim, dem Leiter der politischen Abteilung der Botschaft statt, zunächst geht es nur um die Nato-Mitgliedschaft des bis zu Oder und Neiße wiedervereinten Deutschlands. 

Doch dann sprach Batenin „unter dem Siegel der Verschwiegenheit“ das Thema nördliches Ostpreußen an, es sei „ein in jeder Beziehung zurückgebliebenes Gebiet, nicht nur im Vergleich zum Vorkriegsstand“. 


Es gebe eine „Frage des nördlichen Ostpreußens“ und „dieses Problem werde sich für die Sowjetunion und Deutschland über kurz oder lang stellen“, erklärt Batenin und verweist auf die damaligen Unabhängigkeitsbestrebungen im Baltikum. „Batenins Worte lassen nur eine Deutung zu. Er will Verhandlungen über das nördliche Ostpreußen anstoßen“, so der „Spiegel“. Glaubt man dem Magazin, und alles spricht dafür, so hat von Arnim die Avance des Gorbatschow-Beraters sofort und ohne Rücksprache mit Bonn abgewehrt. „Wenn die Sowjetunion Probleme mit der Entwicklung des nördlichen Ostpreußens habe, so sei das ihre Sache“, fertigt er seinen Gesprächspartner laut „Fernschreiben 2585“ ab.

Als eines der wenigen Dokumente dieser Art sei es damals als geheim eingestuft worden. Noch am selben Abend sei das Schreiben nach Bonn übermittelt worden, wo das Verhalten von Arnims offenbar gebilligt wurde. Das interessante Dokument ist nun beim „Spiegel“ gelandet – sei es durch Schlamperei im Archiv des Auswärtigen Amtes oder durch „unwiderstehliche Argumente“ des Magazins oder aber nach bewußter Freigabe im Vertrauen auf eine kaum mehr vorhandene demokratische Rechte in Deutschland, die sich über den damaligen Umgang mit einer solchen Initiative noch empören würde. Immerhin geschah der Vorstoß zu einem Zeitpunkt, als Ostpreußen völkerrechtlich noch zu Deutschland gehörte. 


Der „Spiegel“ ist allerdings um „gute Gründe“ für das Verhalten von Arnims nicht verlegen: „Briten, Amerikaner und Franzosen hätten niemals einen sowjetisch-deutschen Ostpreußen-Deal akzeptiert, der Polen in eine Zangenlage gebracht hätte“, wenn nicht sogar überhaupt der ganze Vorstoß eine trickreiche Intrige gegen Michail Gorbatschow gewesen sei, unkt das Magazin, um diesem dann „vorwerfen zu können, er verrate russische Interessen“. 

Konrad Badenheuer

 
KONRAD BADENHEUER: 
Mantel Gottes

Wie sensationell ist die Meldung, Moskau habe im Mai 1990 Verhandlungen über das Königsberger Gebiet gesucht und sei in Bonn auf Granit gestoßen? Der „Spiegel“ selbst berichtete ja schon 1999 „von einem Gerücht, das nie überzeugend dementiert wurde“: Gorbatschow habe 1991 Bundeskanzler Kohl den Verkauf von „Kaliningrad“ für 70 Milli- arden Mark angedient, Jelzin habe diese Offerte später erneuert. Kohl sei „nicht bereit, zu diesem Thema etwas zu sagen“. 

Leser dieser Zeitung wissen mehr: Schon im Mai, Juli und August 1991 berichtete das Ostpreußenblatt über entsprechende Sondierungen Moskaus, die damals Hans-Dietrich Genscher ablehnte. Ostpreußen-Sprecher v. Gottberg erklärte in einem Interview 2002: „Damals stand die konkrete Kaufpreisforderung von 48 Milliarden D-Mark im Raum, wobei Genschers Ausspruch überliefert ist, daß er ,Königsberg nicht einmal geschenkt’ haben wolle.“ 

Neu an der jetzigen Meldung ist der frühe Zeitpunkt: Die Ablehnung einer solchen Initiative noch vor der Unterzeichnung des 2+4-Vertrages am 12. September 1990 ist auch rechtlich überaus pikant, weil Ostpreußen bis zu diesem Tage de iure zu Deutschland gehörte. 

Selbst wenn es stimmen sollte, daß ein Bonner Eingehen auf diese Initiative die „kleine“ Wiedervereinigung verhindert hätte, stockt einem bei der Lektüre der Atem. Wie erklärte v. Gottberg auf dem Deutschland-Treffen 2000: „Ob noch einmal in absehbarer Zeit – wie beim Gorbatschow-Angebot – der Mantel Gottes vorbeirauscht, wissen wir nicht. Wir erhoffen es, aber es muß dann auch jemand da sein, der sich bemüht, einen Zipfel des Mantels zu erhaschen.“ 


Quelle: Preußische Allgemeine 29.05.2010