Donnerstag, 30. Dezember 2010

Flughafen Tempelhof – ein Schmiergeldskandal?

Enthüllung: 
Vor der Schließung wurden den Fluggesellschaften offenbar hohe Summen gezahlt

Inzwischen verkommen die Gebäude als wäre man im Sowjetsektor


Anderthalb Jahre nach der Schließung des Flughafens Berlin-Tempelhof stellt sich heraus, mit welchen Mitteln und Methoden die Berliner Flughafengesellschaft (BFG) damals die Stilllegung des Zentralflughafens forciert hat. Dem Vernehmen und vorliegenden Unterlagen nach hat die BFG als damalige Flughafenbetreiberin im Zeitraum Frühjahr bis Sommer 2008 einzelnen Luftfahrtmietern und Fluggesellschaften hohe Geldsummen geboten, wenn diese im Gegenzug Tempelhof vorzeitig und „freiwillig“ verlassen würden.

In persönlichen Gesprächsrunden auf Geschäftsführungsebene wurde dabei besprochen, wie das jeweilige Unternehmen sämtliche im Flughafen Tempelhof gemieteten Geschäftsräume vollständig aufgeben und alle in den Flughafenhangars abgestellten Flugzeuge sowie Landeslots von Tempelhof umgehend an die Flughäfen Tegel oder Schönefeld verlagern könnte.

Teilnehmer dieser damaligen Verhandlungen bestätigen heute hinter vorgehaltener Hand, daß die Summen umso höher ausfielen, je mehr Flächen das Luftfahrtunternehmen im Flughafengebäude gemietet hatte. Die fünf- bis sechsstelligen Geldtransfers wurden dabei nach Insiderangaben über Sonderkonten der Flughafengesellschaft oder auch Betriebskonten der anderen beiden Flughäfen Schönefeld und Tegel abgewickelt.

Fluggesellschaften für Schließungskampagne gekauft?

In einzelnen Fällen wurde offenbar auch die öffentlichkeitswirksame Zustimmung zur Schließung des Flughafens bei den eingemieteten Fluggesellschaften „gekauft“: Einzelne damals vor Ort ansässige Luftfahrtunternehmen sollten hierbei sowohl vor als auch nach der Schließung Tempelhofs für eine positive Öffentlichkeitsarbeit im Rahmen der Stilllegung zur Verfügung stehen. So ließen sich beispielsweise diejenigen Luftfahrtunternehmen, die sich auf den BFG-Handel eingelassen hatten, bereitwillig mit ihren Logos auf den Einladungskarten zur Senats-Abschiedsparty am Tag der Tempelhof-Schließung abdrucken – obwohl sie in den Jahren und Monaten vor der Stilllegung noch eine vehemente „Pro-Tempelhof“-Position vertreten hatten.

In einem anderen Fall ließ eine vorher tempelhoftreue Fluggesellschaft plötzlich über den Presseticker der Berliner Flughäfen verbreiten, dass die Abwanderung nach Tegel die ersehnte Fortschreibung einer Erfolgsstory sei. Heute nun finden sich einige der damaligen Tempelhofmieter und „nachträglichen“ Schließungsbefürworter auch am Flughafen Schönefeld wieder. Zum Beispiel der Betreiber des Berliner Rosinenbombers, der seine Büros in Tempelhof zügig schloß und widerstandslos einen prognostizierten Umsatzrückgang bei seinen Rundflügen hinnahm.

Der Flughafen Tempelhof wurde am 30. Oktober 2008 geschlossen. Als Gründe nannte der Berliner Senat unter anderem ein zu hohes Defizit von 10–15 Millionen Euro im Jahr. Der aktuelle Schuldenstand Tempelhofs seit der Schließung beträgt knapp 90 Millionen Euro.
RUJ


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