Friedrichs des Großen größter diplomatischer Gegner
Österreichs Staatskanzler Wenzel Anton Graf Kaunitz gelang es durch die Umkehr der Allianzen Frankreich als Verbündeten zu gewinnen
Wenzel Anton Graf Kaunitz diente den bedeutenden Habsburgerherrschern Maria
Theresia und Josef II. sowie deren Nachfolgern Leopold II. und Franz II. als
Staatskanzler. Sein Meisterstück war das Renversement des alliances (Umkehrung
der Bündnisse). Mit ihm gewann der Österreicher Frankreich als Verbündeten im
Kampf gegen Preußen um Schlesien.
Als Kaunitz am 2. Februar 1711 in Wien geboren wurde, dachte noch niemand
daran, daßdie Habsburger drei Jahrzehnte später in eine große Krise geraten
würden und daß es dann Kaunitz sein würde, der durch geschickte Diplomatie
seinem Heimatland den Großmachtstatus zu bewahren half. Denn zunächst war an dem
Beamten im Dienst des Reichshofrats, in dem Kaunitz nach oberflächlichen
Rechtsstudien und einer standesgemäßen Bildungsreise ab 1735 tätig war, nichts
besonders Auffälliges. Allerdings hatte er durch die Heirat im Jahre 1736 mit
Ernestine von Starhemberg, die aus vermögendem Hause stammte, seine Stellung in
der Wiener Hofgesellschaft gefestigt. Er gewann die Gunst von Maria Theresia
(1717–1780), die ihn 1744 nach Brüssel entsandte. Dort diente er dem
Habsburgerreich als Minister in der Regierung der Österreichischen Niederlande
und beriet den dortigen Statthalter Karl Alexander von Lothringen (1712–1780),
einen Schwager der Habsburgerherrscherin. Mit Erfolg wirkte er als Unterhändler
an der Beendigung des Österreichischen Erbfolgekrieges durch den Frieden zu
Aachen im Jahre 1748 mit.
Dabei reifte sein Plan eines Bündnisses Österreichs mit Frankreich und
Russland. Diesen Plan konnte er anschließend als Gesandter in Paris von 1750 bis
1753 geschickt weiterverfolgen. 1753 berief ihn Maria Theresia zurück nach Wien
an die Spitze der Staatskanzlei. Außenpolitisch verdankte ihm Maria Theresia
dann das große Renversement der Bündnisse von den Seemächten weg und hin zu
Frankreich. Seine unerbittlichen Bemühungen zum Rückerwerb Schlesiens und eine
neue Phase der innenpolitischen Verwaltungsreform ließen ihn bald unersetzlich
erscheinen. Das am 1. Mai 1756 in Versailles abgeschlossene
österreichisch-französische Verteidigungsbündnis offenbarte vor aller Welt das
Ende der Erbfeindschaft der Habsburger und der Bourbonen und führte zum
Siebenjährigen Krieg (1756–1763). Kaunitz war insofern persönlich betroffen, als
die südwestlich von Bielefeld liegende Grafschaft Rietberg, die ab 1699 seiner
Familie gehörte, in den Wirren des Krieges arg in Mitleidenschaft gezogen wurde;
Friedrich hatte ausdrücklich den Befehl gegeben, in Rietberg satte
Kontributionen einzutreiben. Trotz schwerer militärischer Niederlagen im
Siebenjährigen Krieg, die er teilweise durch falsche militärische Ratschläge mit
zu verantworten hatte, hielt Maria Theresia an ihrem Staatskanzler fest. Für
einen im Winter 1760/61 drohenden Staatsbankrott wurde statt seiner der
Finanzminister Friedrich Wilhelm Graf von Haugwitz verantwortlich gemacht.
Damit, daß Maria Theresia im Hubertusburger Frieden von 1763 endgültig auf
Schlesien verzichten mußte, vermochte ihr Kanzler Kaunitz sich sein Leben lang
nicht abzufinden. Die von ihm im Jahre 1770 vermittelte Heirat der Tochter Maria
Theresias Marie Antoinette mit Ludwig XVl. sollte ein erster Schritt auf dem
Wege zu einer neuen Konfrontation mit Preußen werden. Maria Theresia hielt
weiterhin an Kaunitz fest und erhob ihn am 27. Januar 1776 in den Fürstenstand.
Nach dem Tode von Kaiser Franz I. Stephan im Jahre 1765 trat dessen
ehrgeizig-ungeduldiger Sohn Joseph II. (1741–1790) als Kaiser und Mitregent in
Österreich an dessen Stelle. Dadurch steigerten sich die Spannungen zwischen
Mutter und Sohn. Maria Theresia wollte als Landesmutter durch eine konsequente
Friedenspolitik die Wunden der vergangenen Kriege heilen, während Joseph II. auf
Territorialgewinn bedacht war und in einer gewissen Haßliebe die Konfrontation
mit Friedrich II. suchte.
Kaunitz, der als Machiavellist bezeichnet werden kann, stand bei aller
Loyalität zur Monarchin innerlich auf der Seite Josephs II. Deshalb befürwortete
er gegen den ausdrücklichen Wunsch der Monarchin die Erste Teilung Polens mit
dem Erwerb Galiziens 1772. Kaunitz unterstützte die Einnahme der Bukowina im
Jahr 1773 und befürwortete ein energisches Vorgehen nach dem Aussterben der
bayerischen Linie der Wittelsbacher im Jahre 1777. Es folgte der Bayerische
Erbfolgekrieg (1778/79), der Österreich im Frieden von Teschen den Gewinn des
Innviertels brachte.
Trotz Erfolgen verlor Kaunitz durch den komplizierten Versuch, Unterstützung
der Politik des Sohnes mit Loyalität gegenüber der Mutter zu verbinden, die
Gunst des Kaisers Joseph II. Nach dem Tode Maria Theresias im Jahre 1780 blieb
er zwar Staatskanzler, verlor aber an Einfluss. Als ein Jahrzehnt nach der
Mutter auch der Sohn gestorben war, suchte Kaunitz um seine Entlassung nach, die
ihm 1792 gewährt wurde. Der Altkanzler zog sich immer mehr in seinen
Gartenpalast in Mariahilf bei Wien zurück, wo er am 27. Juni 1794 starb.
Jürgen Ziechmann
Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 04-11 vom 29. Januar 2011
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