Dienstag, 31. Januar 2012

Graf Kaunitz in der Konfrontation Österreichs gegen Preußen

Friedrichs des Großen größter diplomatischer Gegner

Österreichs Staatskanzler Wenzel Anton Graf Kaunitz gelang es durch die Umkehr der Allianzen Frankreich als Verbündeten zu gewinnen

Wenzel Anton Graf Kaunitz diente den bedeutenden Habsburgerherrschern Maria Theresia und Josef II. sowie deren Nachfolgern Leopold II. und Franz II. als Staatskanzler. Sein Meisterstück war das Renversement des alliances (Umkehrung der Bündnisse). Mit ihm gewann der Österreicher Frankreich als Verbündeten im Kampf gegen Preußen um Schlesien.

Als Kaunitz am 2. Februar 1711 in Wien geboren wurde, dachte noch niemand daran, daßdie Habsburger drei Jahrzehnte später in eine große Krise geraten würden und daß es dann Kaunitz sein würde, der durch geschickte Diplomatie seinem Heimatland den Großmachtstatus zu bewahren half. Denn zunächst war an dem Beamten im Dienst des Reichshofrats, in dem Kaunitz nach oberflächlichen Rechtsstudien und einer standesgemäßen Bildungsreise ab 1735 tätig war, nichts besonders Auffälliges. Allerdings hatte er durch die Heirat im Jahre 1736 mit Ernestine von Starhemberg, die aus vermögendem Hause stammte, seine Stellung in der Wiener Hofgesellschaft gefestigt. Er gewann die Gunst von Maria Theresia (1717–1780), die ihn 1744 nach Brüssel entsandte. Dort diente er dem Habsburgerreich als Minister in der Regierung der Österreichischen Niederlande und beriet den dortigen Statthalter Karl Alexander von Lothringen (1712–1780), einen Schwager der Habsburgerherrscherin. Mit Erfolg wirkte er als Unterhändler an der Beendigung des Österreichischen Erbfolgekrieges durch den Frieden zu Aachen im Jahre 1748 mit. 

Dabei reifte sein Plan eines Bündnisses Österreichs mit Frankreich und Russland. Diesen Plan konnte er anschließend als Gesandter in Paris von 1750 bis 1753 geschickt weiterverfolgen. 1753 berief ihn Maria Theresia zurück nach Wien an die Spitze der Staatskanzlei. Außenpolitisch verdankte ihm Maria Theresia dann das große Renversement der Bündnisse von den Seemächten weg und hin zu Frankreich. Seine unerbittlichen Bemühungen zum Rückerwerb Schlesiens und eine neue Phase der innenpolitischen Verwaltungsreform ließen ihn bald unersetzlich erscheinen. Das am 1. Mai 1756 in Versailles abgeschlossene österreichisch-französische Verteidigungsbündnis offenbarte vor aller Welt das Ende der Erbfeindschaft der Habsburger und der Bourbonen und führte zum Siebenjährigen Krieg (1756–1763). Kaunitz war insofern persönlich betroffen, als die südwestlich von Bielefeld liegende Grafschaft Rietberg, die ab 1699 seiner Familie gehörte, in den Wirren des Krieges arg in Mitleidenschaft gezogen wurde; Friedrich hatte ausdrücklich den Befehl gegeben, in Rietberg satte Kontributionen einzutreiben. Trotz schwerer militärischer Niederlagen im Siebenjährigen Krieg, die er teilweise durch falsche militärische Ratschläge mit zu verantworten hatte, hielt Maria Theresia an ihrem Staatskanzler fest. Für einen im Winter 1760/61 drohenden Staatsbankrott wurde statt seiner der Finanzminister Friedrich Wilhelm Graf von Haugwitz verantwortlich gemacht. 

Damit, daß Maria Theresia im Hubertusburger Frieden von 1763 endgültig auf Schlesien verzichten mußte, vermochte ihr Kanzler Kaunitz sich sein Leben lang nicht abzufinden. Die von ihm im Jahre 1770 vermittelte Heirat der Tochter Maria Theresias Marie Antoinette mit Ludwig XVl. sollte ein erster Schritt auf dem Wege zu einer neuen Konfrontation mit Preußen werden. Maria Theresia hielt weiterhin an Kaunitz fest und erhob ihn am 27. Januar 1776 in den Fürstenstand. 

Nach dem Tode von Kaiser Franz I. Stephan im Jahre 1765 trat dessen ehrgeizig-ungeduldiger Sohn Joseph II. (1741–1790) als Kaiser und Mitregent in Österreich an dessen Stelle. Dadurch steigerten sich die Spannungen zwischen Mutter und Sohn. Maria Theresia wollte als Landesmutter durch eine konsequente Friedenspolitik die Wunden der vergangenen Kriege heilen, während Joseph II. auf Territorialgewinn bedacht war und in einer gewissen Haßliebe die Konfrontation mit Friedrich II. suchte. 

Kaunitz, der als Machiavellist bezeichnet werden kann, stand bei aller Loyalität zur Monarchin innerlich auf der Seite Josephs II. Deshalb befürwortete er gegen den ausdrücklichen Wunsch der Monarchin die Erste Teilung Polens mit dem Erwerb Galiziens 1772. Kaunitz unterstützte die Einnahme der Bukowina im Jahr 1773 und befürwortete ein energisches Vorgehen nach dem Aussterben der bayerischen Linie der Wittelsbacher im Jahre 1777. Es folgte der Bayerische Erbfolgekrieg (1778/79), der Österreich im Frieden von Teschen den Gewinn des Innviertels brachte. 

Trotz Erfolgen verlor Kaunitz durch den komplizierten Versuch, Unterstützung der Politik des Sohnes mit Loyalität gegenüber der Mutter zu verbinden, die Gunst des Kaisers Joseph II. Nach dem Tode Maria Theresias im Jahre 1780 blieb er zwar Staatskanzler, verlor aber an Einfluss. Als ein Jahrzehnt nach der Mutter auch der Sohn gestorben war, suchte Kaunitz um seine Entlassung nach, die ihm 1792 gewährt wurde. Der Altkanzler zog sich immer mehr in seinen Gartenpalast in Mariahilf bei Wien zurück, wo er am 27. Juni 1794 starb.        

Jürgen Ziechmann 
Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 04-11 vom 29. Januar 2011




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