Görlizter Oberbürgermeister Paulick und Statthalter der polnischen Besatzer der preußisch-schlesischen Görlitzer Oberstadt Gronitsch: Kein Platz für Radikalismus und so weiter und so fort |
Nehmen wir an, eine Truppe deutsch-nationalistisch gesonnener Jungmannen hätten im Sturmn die Alktstadtbrücke genommen und wäre dann prügelnd ein paar hundert Meter auf polnisches Hoheitsgebiet vorgerückt. Welcher Aufschrei wäre durch die Welt gegangen?“ Diese Frage stellte Andreas Neumann-Nochten, ein 1960 geborener Theologe, der 1999 aus Norddeutschland nach Görlitz gezogen ist und dort als Chorleiter, Publizist und Karikaturist tätig ist. Die Antwort gibt er selbst. „Wir dürfen annehmen, daß ein höchster Regierungsvertreter Polens noch in der Nacht in Görlitz den Schauplatz des Massakers in Augenschein genommen hätte, daß Bundeskanzlerin und Außenminister aus entgegengesetzter Richtung ebenfalls dem Ort des Grauens entgegengeeilt wären und daß nicht nur die polnische Presse das deutsche Unwesen auf allen Titelseiten genüßlich in Wort und Bild angeprangert hätte.“ In einem ganzseitigen Beitrag in der „Sächsischen Zeitung“ setzte sich Neumann-Nochten mit Prügelattacken in der Silvesternacht durch eine Horde polnischer Schläger auf der deutschen Seite der Neiße auseinander und beleuchtete dabei auch, wie die Grenzziehung 1945 und ihre gedankliche Vorbereitung bis heute nachwirken.
Was war in der letzten Silvesternacht geschehen? Nach einem Bericht der „Sächsischen Zeitung“ versammelten sich – wie in den Vorjahren – Hunderte an der Görlitzer Altstadtbrücke, um das neue Jahr zu begrüßen. Kurz nach Mitternacht begannen polnische Jugendliche, deutsche Anwesende zu schubsen oder ihnen Raketen aus Rucksäcken zu stehlen. Schnell eskalierte das Geschehen. Eine Gruppe von etwa 30 Polen begann zu schlagen, zu treten und zu prügeln. Augenzeugen sprechen auch von Messerattacken und dem Gebrauch von Schlagringen. Die Polen trieben die Deutschen einige hundert Meter vor sich her über die Neißstraße bis zum Untermarkt. Mindestens zehn Deutsche wurden verletzt und mussten im Krankenhaus behandelt werden. Insbesondere Mobiltelefone wurden den Opfern geraubt oder an Hauswänden zerschlagen.
Man muß wohl von einer schweren Polizeipanne sprechen. Obwohl auch schon 2008 und 2009 laut Zeitungsbericht Polen geprügelt hatten, war keine Polizei vor Ort. Diese sei erst zirka 40 Minuten nach Beginn der Vorfälle erschienen. Täter konnte sie nicht mehr feststellen, da diese bei ihrem Auftauchen über die Bracke auf polnisches Gebiet flüchteten. Es besteht nach Darstellung der „Sächsischen Zeitung“ kein Zweifel
daran, daß die polnischen Schläger die Silvesterfeier sehr gezielt genutzt haben, um gegen Görlitzer und ihre Gäste vorzugehen. In dem Blatt wird außerdem daran erinnert, daß sich Übergriffe von Polen in Görlitz häufen, so bei Altstadtfesten oder im Sommer nach 22 Uhr im Stadtpark. Ein Mord an einem Rentner in seiner Wohnung in der Innenstadt Anfang Januar, tatverdächtig sind drei Polen, ließ die Angst inzwischen weiter ansteigen.
Dabei kriselte es seit Öffnung der Grenze schon lange. Die Zeitung verwies darauf, daß allein im ersten Halbjahr 2010 fast 100 Autos gestohlen wurden und unzählige andere Diebstähle und Einbrüche zu beklagen sind. Attacken auf Deutsche gab es auch auf polnischem Gebiet. Im Bewußtsein ist noch, wie Görlitzer Kinder aus einem Freibad auf der polnischen Seite geprügelt und deutsche Gäste bei einer Feier im „Dom Kultury“ attackiert wurden.
Was ist zu tun? Darüber wurde den ganzen Januar über öffentlich diskutiert. Bürgermeister Michael Wieler, Leiter der deutsch-polnischen Koordinierungskommission, gesteht zu, daß bei den Görlitzer Bürgern ein Angstszenario entstanden ist. Die Wirkung des von ihm geleiteten Rates sei bisher begrenzt gewesen. Nach seiner Meinung sei der politische Wille erforderlich, um zu klären, welche Gewaltpotenziale es auf beiden Seiten gibt. Das sei aber ein Politikum, weil damit eingestanden würde, dass es ein grenzüberschreitendes Problem gibt.
Der Görlitzer Stadtrat Detlef Rauh bezweifelt in einem Gastbeitrag der genannten Zeitung, daß sich nach dem letzten Vorfall etwas ändert. Man würde weiter nach dem Motto verfahren: „Was nicht sein kann, das nicht sein darf.“ Man finde unter den Politikern kaum noch einen, der sich traut, auch einmal unbequeme Tatsachen öffentlich anzusprechen.
Diskutiert wird auch, wie weit denn eine Versöhnung zwischen Deutschen und Polen schon vorangekommen ist. Der Theologe Neumann-Nochten sieht viel Heuchelei und Wahrnehmungsschwäche bei denen, die durch die Vorgänge überrascht sind. Bei der Bewerbung beider Städte rechts und links der Neiße als Kulturhauptstadt Europas 2010 sei vieles schöngeredet worden. Begriffe wie Schwester-, Doppel- oder Zwillingsstadt seien verwendet worden, obwohl das deutsch-polnische Miteinander gerade erst begonnen habe. Man würde auch nie erörtern, wie die andere (polnische) Seite dazu stehe. Kulturelle Zusammenarbeit und intensives menschliches Aufeinanderzugehen sei auf die Kreise einer kleinen intellektuellen Elite beschränkt. Er erinnert daran, daß die deutsch-polnische Grenze eine erzwungene Sprachgrenze ist und der 1945 erzwungene Wechsel des Lebensraumes in diesem Ausmaß und in dieser Art und Weise einmalig ist. Nirgendwo werde die Unnatürlichkeit der Grenze sichtbarer als in der größten geteilten Stadt. Die deutsche Vergangenheit anzunehmen, wie dies in anderen Teilen Schlesiens Brauch sei, funktioniere in Görlitz nicht. Dies äußere sich schon in der Ortsbezeichnung (die Görlitzer Oststadt heißt nur noch Zgorzelec).
Wer meint, die jüngsten Feindseligkeiten nährten sich noch immer aus der Wunde, die 1939 hinterlassen hat, nimmt nach Meumann-Nochten nur einen kleinen Teil der historischen Entwicklung wahr. Er verweist auf die polnische Westforschung nach dem Ersten Weltkrieg mit ihrer Suche nach slawischer Kultur, die nach 1945 auch dazu diente, die neu hinzugewonnenen Gebiete zu legitimieren. Die 2004 eingeweihte Altstadtbrücke sollte als verbindendes Symbol gelten.
Allerdings war schon bei der Einweihungsfeier deutlich, daß man dies nur auf deutscher Seite so sah. Hatten sich am westlichen Ufer rund 1000 Schaulustige eingefunden, waren es auf der polnischen Seite keine hundert, mehrheitlich sogar deutscher Nationalität. Das mangelnde Interesse bei den Polen dürfte symptomatisch sein für ihr Gesamtverhalten im Verständigungsprozeß. Die Deutschen drängen und verbiegen sich, aus Polen kommt kaum etwas. Das Schlesische Museum zu Görlitz gibt hierzu ein Beispiel. Während hier zwei polnische Vertreter im Stiftungsrat sitzen, gibt es in polnischen Museen keinen Deutschen. Als Fazit läßt sich festhalten: Die deutsche Politik lässt deutsche Bürger wieder einmal im Stich. Wenn es um Polen oder Tschechien und Slowaken geht, nimmt die Bundesregierung ihre Obhutspflicht für Deutsche seit Jahrzehnten nicht wahr. Kein Wunder, daß Kanzlerin Merkel die beliebteste ausländische Politikerin in Polen ist. Ganz anders handelt dagegen Polen, das wiederholt interveniert hat, wenn es um die Belange von polnischstämmigen Bürgern in Litauen, Weißrußland oder Deutschland geht.
Rudi Pawelka
Bundesvorsitzender der Landsmannschaft Schlesien
Quelle: Preußische Allgemeine Zeitung 07/11
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