Sonntag, 20. Februar 2011

Rebellion am anderen Ende der Welt

Vor 100 Jahren endete auf der Karolineninsel Ponape der Aufstand gegen die deutsche Kolonialherrschaft in der Südsee

Noch bis vor gut 100 Jahren kannte kaum ein deutscher die Insel Ponape, die seit 1990 Pohnpei heißt. Erst als sich der Stamm der Sokehs vor 100 Jahren gegen die deutsche Kolonialverwaltung erhob, rückte die Karolineninsel in das Blickfeld der deutschen Öffentlichkeit. Am 22. Februar 1911 endete der Aufstand. Damit war zugleich die größte deutsche Militäraktion in der Südsee beendet.

Um ein zusammenhängendes deutsches Kolonialgebiet im Pazifik zu schaffen, kaufte die deutsche Regierung Spanien Anfang 1899 infolge des Us-Amerikanisch-Spanischen Krieges 1998 die Marianen und die Karolinen einschließlich Ponape für 17 Millionen Mark ab. Dank der umsichtigen Politik des Bezirkshauptmanns Albert Hahl verhielten sich die sonst eher widerspenstigen Ponapesen friedlich und kooperativ. Die deutsche Verwaltung vermied es, in die Belange der einheimischen Bevölkerung einzugreifen, so daß sie zunächst kaum Auswirkungen auf deren Alltagsleben hatte.

Dies änderte sich im Jahre 1907, als das Reichskolonialamt anordnete, daß die deutschen Auslandsbesitzungen zukünftig ihren Etat weitgehend selbst erwirtschaften sollten, um von Reichszuschüssen unabhängig zu werden. Das feudalistische Lehenssystem auf Ponape galt als Grund für die geringe Produktivität der Insel.

Deshalb wurde eine Bodenreform angeordnet, die allerdings nur schleppend voranging. Außerdem übten die Ponapesen gegen ihre Beschäftigung im Wegebau, mit dem die unwirtliche Insel erschlossen werden sollte, passiven Widerstand.

Am 17. Oktober 1910 kam es auf dem kleinen, nur durch einen Meeresarm von der Hauptinsel getrennten Eiland Dschokadsch zu einem folgenschweren Zwischenfall. Nachdem der seit Ende 1909 amtierende Bezirkshauptmann Gustav Böder einem jungen Sokeh, der sich bei Straßenarbeiten den Anweisungen des deutschen Aufsehers widersetzt hatte, zehn Stockhiebe hatte verabreichen lassen, legten die Sokehs die Arbeit nieder. Als Boeder von den Ereignissen hörte, ließ er sich nichts Böses ahnend und deshalb unbewaffnet nach Dschokadsch rudern. Er und seine Begleiter wurden niedergemetzelt, ihre Leichen geschändet und ins Meer geworfen.

Als ranghöchster Vertreter des Reiches übernahm der Regierungsarzt Max Girschner das Kommando und ließ Ponapes damalige Hauptstadt Kolonia zur Verteidigung herrichten. Es ge- lang ihm, durch geschickte Verhandlungen die vier anderen ponapesischen Stämme auf seine Seite zu bringen. Die Sokehs allerdings zogen sich auf die schwer zugänglichen Felskuppen in den Bergen zurück und verschanzten sich. Das Reichskolonialamt in Berlin erfuhr erst Ende November von den Vorgängen in der Südseekolonie, nachdem ein Postdampfer die Insel angelaufen hatte. Bis Anfang Januar 1911 trafen fünf Kriegsschiffe zur Durchführung einer Strafexpedition ein.

Der deutsche Angriff begann am 13. Januar mit einem konzentrierten Feuer aus den Schiffsgeschützen. Anschließend konnten die Landungstruppen ohne eigene Verluste einige der Aufständischen gefangen nehmen, aber dem Gros gelang es, sich auf die Hauptinsel abzusetzen. In den darauffolgenden Wochen verfolgten die Deutschen ihre Gegner, die immer wie- der überraschend aus dem Hinterhalt angriffen, über die ganze Insel. Durch die ständige Hatz und den Hun- ger zermürbt, legten immer mehr Rebellen die Waffen nieder und am 22. Februar ergaben sich die letzten Sokehs.

Obwohl die Gefechte auf bei- den Seiten nur geringe Verluste gefordert hatten, wurde in der deutschen Öffentlichkeit der Ruf nach Vergeltung laut. 36 Sokehs, die an der Tötung Boeders und seiner Begleiter beteiligt gewesen waren, wurden in Kolonia vor Gericht gestellt. Während der Verhandlung wurden auch entlastende Momente gewürdigt und den Angeklagten zugestanden, nicht aus niederen Motiven getötet zu haben.

Dennoch sprach das Gericht 17 Todesurteile, wovon allerdings nur 15 durch Erschießen vollstreckt wurden. Zwölf Sokehs wurden zu einer Freiheitsstrafe und Zwangsarbeit verurteilt, sieben freigesprochen. Um weiteren Aufsässigkeiten vorzubeugen, wurden die rund 450 Sokehs auf die 2000 Kilometer entfernten Palau-Inseln umgesiedelt.

Die Verbannung währte allerdings nur kurz, denn im Oktober 1914 besetzten japanische Truppen die deutschen Besitzungen in der Südsee. Die Sokehs, im Exil an Nahrungsmangel und Krankheiten gestorben waren, konnten in ihre Heimat Ponape zurückkehren.

Im Zweiten Weltkrieg wurde die Insel des öfteren vom US-Militär wegen seiner japanischen Stellungen bombardiert oder beschossen. Nach Kriegsende wurde Ponape Teil des Treuhandgebietes Pazifische Inseln der USA. 1986 erlangte die Insel nach 100 Jahren Fremdherrschaft als Hauptinsel der Föderierten Staaten von Mikronesien die Unabhängigkeit.

Jan Heitmann
Preußische Allgemeine Zeitung 07/11


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