von Dr. Ernst Lewalter
Die Brandenburgisch-Preußischen Kolonialbesitzungen an der Westküste |
Vom Urwald halb überwuchert sind längst die Reste der nach allen Regeln der damaligen Fortifikationskunst befestigten Niederlassungen Groß-Friedrichsburg an der Guineaküste. Hier, im Gebiet der eehmals britischen Kolonie Sierra Leone, sollte einst die Metropole des brandenburgischen Afrikahandels entstehen; hier hat vom Neujahrstage 1683 bis in das Jahr 1721 die Flagge mit dem Hohenzollernadler geweht. Eine kurze Episode nur - ein skurriler Einfall vielleicht gar des merkwürdigen, rastlos tätigen Mannes, der die Seele des Unternehmens war?
Die Darstellung einer "Negerei" — eine der vielen herzhaft naiven Bildbeigaben zu Otto Friedrich von der Groebens "Guineische Reisebeschreibungen" (1694). Der Gründer der Kolonie Groß-Friedrichsburg gibt in diesem Buche viele köstliche Beschreibungen vom Leben und Treiben der "Mohren", deren rührende Gastfreiheit ihm manche kummervolle Stunde bereitet hat, weil es bei den Gelagen, zu denen er geladen wurde, selbst für seine durch Seefahrt und Kriegserfahrungen abgehärteten Geruchs- und Geschmacksnerven harte Proben zu bestehen galt. Nein, die Gründung einer Kolonie auf afrikanischen Boden will im größerem Zusammenhang gesehen werden. Kurfürst Friedrich Wilhelm war nicht umsonst durch die Schule der niederländischen Politik gegangen, hatte sich nicht umsonst in den Jahren seiner Jugend über das Weltweite blühende Kolonialreich des Staates der Sieben Provinzen unterrichten lassen. Der Mann der den Holländern Pernambuko gewonnen und verteidigt hatte, Graf Moritz von Nassau, der "Brasilianer", wurde sein Freund; die Ehe mit der oranischen Fürstentochter Luise Henriette knüpfte die Bande noch enger; dem Admiral Gijsel von Lier, der vor dem Gouverneur der Gewürzinsel in der Südsee gewesen, nahm er in brandenburgischen Dienste und versuchte sich mit ihm in der Gründung einer Ostindienkompanie. Von früh auf also lenkte er seine Blicke über See. Der zähe und erbitterte Kampf um Pommern, der seine ganze Regierungszeit auffüllte, galt nicht, wie man wohl bisweilen meinte, der Vergrößerung seiner "Hausmacht", sonder der Gewinnung der Odermündung als einer Basis für überseeische Unternehmungen. Erst als es ihm gegen Ende seines Lebens gelang, an der Nordsee, in Emden, Fuß zu fassen, trat das Interesse an Pommern zurück. Friedrich Wilhelm kannte die Geschichte der großen und erfolgreichen Handelskompanien, der holländischen, der englischen, der französischen. Er wußte, welches Wagnis die großen Überseefahrten waren, aber welchen Gewinn sie auch boten; zweihundert Prozent und mehr betrug in günstigen Jahren die Dividende. Er rechnete auch als Staatsmann kaufmännisch, auf die Art seiner Zeit."Der gewisseste Reichtum und das Aufnehmen eines Landes kommen aus dem Kommerzium her; Seefahrt und Handlung sind die fürnehmsten Säulen eines Etats." Hätte er nur die Hände frei gehabt, so würde sein Brandenburg es bald den "Seemächten" gleichgetan haben. Aber die Gegensätze im Reich und an der Ostsee fesselten ihn, und eine andere Hemmung kam hinzu: die Schwerfälligkeit seiner Räte, die reichte Binnenländer, seine überseeischen als Marotte ansahen. So waren es vor allem Holländer, die auf seine Pläne eingingen und die wir an der Spitze seiner Unternehmungen finden - vor allem jener von seinen Landsleuten und Zeitgenossen viel gescholtene Benjamin Raule, Vlissinger, Reeder und Stadtrad von Middelburg, im Kriege mit Frankreich um sein Vermögen, aber nicht um seinen Wagemut gekommen, ein Mann recht nach dem Herzen des Kurfürsten, in dessen Dienste er seine reiche Erfahrung, seine Weltkenntnis und seinen findigen Geist einbrachte. Dieser erste und einzige "Generaldirektor der Marine" von Brandenburg - Preußen (seit 1676) konnte dem Kurfürsten, als der Frieden von Saint-Germain diesem endlich die Hände freigab, 28 bewaffnete Fahrzeug zur Verfügung stellen. Mit einigen von ihnen unternahm er im Jahre 1680 die erste Fahrt nach der Guineaküste, noch auf eigene Rechnung. Doch hier rächte es sich, daß Brandenburg noch keine seebefahrenen Männer hatte; die Kapitäne der Rauleschen Schiffe waren Holländer, und als solche mußten sie mit dem Monopol der holländischen Westindienkompanie in Konflikt kommen. Das eine von Raules Schiffen, das "Wappen von Brandenburg", wurde von den Niederländern beschlagnahmt; nur das andere, "Morian", kam zurück, beladen mit Gold und Elfenbein. Trotzdem, das Ergebnis versprach dem Kurfürsten für die Zukunft das beste, und der Anblick der Dukaten, die aus dem Gold des "Morian" geprägt waren, überzeugte auch die rückhaltigen Räte. Hinzu kam, daß es dem Kapitän des "Morian" gelungen war, nahe dem "Kap der drei Spitzen" (damals Cabo Tres Puntas) mit drei Negerhäuptlingen einen regelrechten Handelsvertrag zu schließen - womit dem "Kommerz" des brandenburgischen Staates ein weiteres Feld eröffnet schien So taten sich dem die Männer aus dem Rat des Kurfürsten mit diesem und Raule als Aktionäre ein "Afrikanische Kompanie" zusammen, deren Bestimmung es sein sollte, "nicht allein Unsere Lande und Seehafen, sondern auch die umbiegende und ein großen Teil Deutschland zu beneficiren", wie der Kurfürst im Eingang zu seinem Schutzbrief sagt. Kein Zweifel: er erwartete sich sehr viel von diesem Unternehmen, nicht nur für sein Land , sondern auch für das Reich. Um den Niederländern jeden Anlaß zum Eingreifen zu benehmen, wurde die erste Expedition der Afrikanischen Kompanie , die im Mai 1682 aufbrach, unter den Befehl eines preußischen Landeskind gestellt, des Majors Otto Friedrich von der Groeben. Der fünfundzwanzigjährige Major und der Kammerherr hatten bereits acht Jahre Kaperkrieg im Mittelmeer hinter sich und ein gutes Stück vom Orient und Nordafrika gesehen, und er sollte sich auf der nun beginnenden großen Seefahrt trotz seiner Jugend als ein Mann von Umsicht und starker Autorität erweisen. Daß es ihm an guten Humor nicht gebrach, beweist die köstliche Schilderung, die er selbst späterhin von der Fahrt in seiner "Guineischen Reisebeschreibung" gegeben hat. Als Groeben mit seinen zwei Schiffen, dem "Morian" und dem "Churprinz", nach mancherlei glücklich überstandenen Fährlichkeiten am Kap der drei Spitzen angekommen war, mußte er feststellen, daß die drei Vertragspartner nicht mehr unter den Lebenden weilten: ein benachbarter Negerstamm hatte sie "mit allem Volck teils erschlagen, teils verjagt". Doch das hinderte ihn nicht, an dem verlassenden Orte sich näher umzusehen, wobei er den einen Berg entdeckte, der "zur Erbauung einer Vestung so bequem als irgends ein Ort auf der ganzen Guineischen Küste" war. "Und weil Seiner Churfürst1. Durchlaucht Nahme in aller Welt Groß ist, also nennete ich auch den Berg: Den Großen Friedrichs-Berg." Am Neujahrstage 1683 ließ er dann die große Flagge unter Pauken- und Schalmeienklang vom Schiff holen und an einem hohen Flaggenstock aufziehen. Baracken wurden gebaut, die Umrißlinien des Forts traciert "und von denen Schwartze Pallisaden angeschafft". Völkerrechtlich ließ sich die Besitznahme des Berges wohl nicht anfechten. Trotzdem versuchten die Holländer noch, die junge Besitzung im Keim zu ertöten; kaum waren unter reichlichen Mühsalen, die das fieberschwangere Klima mit sich brachte, die ersten Baute vollendet, da unternahmen Negerstämme, die von den Holländern geworben und mit Musketen ausgerüstet waren, einen Überfall. Doch Groeben war gewarnt worden. "Da sich nun der Feind im stetem Feuer zu uns genährt, befahl ich mit einer sechspfündigen unter sie zu schießen, welche recht in den größten Hauffen geschlagen . . . " Groeben hatte seinen Auftrag glänzend erfüllt. Die Afrikanische Kompanie hatte ihre feste Basis, und der "Kommerz" begann. Doch die Pläne des Kurfürsten gingen weiter. Von Emden aus, das er 1683 unter seinen Einfluß brachte und wohin das Kontor der Kompanie verlegt wurde - Die Emdener, selbst im Überseehandel erfahren, wurden Mitaktionäre -, hoffte er noch andere Ziele zu erreichen. Lange verhandelte er mit Dänemark über die Erwerbung der Insel St. Thomas, mit dem Herzog von Kurland über den Ankauf der Insel Tobago - er gedachte also ,in Westindien Fuß zu fassen. Doch der Tod berief ihn ab, ehe sein Kolonialreich feste Formen annehmen konnte. Zu spät erst hatte er freie Hände bekommen. Auch sein ungebrochener Geist vermochte den Vorsprung, den die Zerrissenheit des Reiches den Nationen des Westens gewährt hatte, nicht aufzuholen. Seine Überseepolitik mußte eine Episode bleiben. Quelle: Heft 1 Atlantis, Januar 1940, von Kadru by jadu 2002 Bild 8 Der erste war ein Deutscher, Erich Mindt, Velagsgemeinschaft Ebner und Ebner 1942. |
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen