Mittwoch, 19. Januar 2011

Volksentscheid über die Ku'damm-Bühnen gescheitert

Die beiden überbauten Theatergebäude sind kaum wahrzunehmen.

Vor fast zwei Jahren fand vor den Eingängen zum Theater am Kurfürstendamm und Komödie am Kurfürstendamm eine Demonstration gegen den geplanten Abriß der beiden historischen Berliner Theater statt, bei der seltsamerweise hauptsächlich ostdeutsche Schauspieler teilnahmen, die eigentlich so gar nichts mit den beiden Theatern zu tun haben. Auch die Teilnehmer an der Demonstration schienen alles andere als Westberliner zu sein.

Zu jenem Zeitpunkt hatte der dazu gegründete Verein Unterschriften gesammelt, um einen Volksentscheid zu bewirken, so als letzter Versuch, die beiden Bühnen vor dem Abriß zu retten, da der schlechteste aller Berliner Regierenden Bürgermeister seinen Plan weiterverfolgt, West-Berlin seiner Kulturstätten zu entledigen.

Beschämend ist auch, daß an den Berliner Volksentscheiden so wenig Bürger teilnehmen, was sicher vor allem darauf zurückzuführen ist, daß erstens nicht mehr viele Berliner im betroffenen Bezirk leben, zweitens die Bezirksregierung selbst kein besonderes Interesse an der Sache gezeigt hat und drittens die Problematik der beiden praktisch unsichtbaren - da überbauten - Theatergebäude gar nicht bekannt ist.
 
Saal des Theaters am Kurfürstendamm
Laut dem vorläufigen amtlichen Endergebnis nahmen nur 13,68 Prozent aller Berechtigten an der Abstimmung teil, das sind 32.558 Bürger. Notwendig gewesen wäre die Teilnahme von mindestens 35.686 Stimmberechtigten. Schulz zufolge wurden 32.474 gültige Stimmen abgegeben. Davon stimmten 29.401 mit Ja (90,54 Prozent), 3.073 Bürger stimmten mit Nein (9,46 Prozent).

Bei der Abstimmung ging es darum, die beiden Kudamm-Bühnen zu erhalten oder sich in der Zukunft mit nur einem Theater im neu umgebauten Ku'damm-Karree abzufinden.

"Wir sind erleichtert, daß der Verein ,Rettet die Ku'damm-Bühnen' um Otfried Laur und Franziska Eichstädt-Bohlig nicht die erforderlichen Stimmen erhalten hat", sagt Bezirksbürgermeisterin Monika Thiemen (SPD). "Sehr viele Bürger im Bezirk sind nicht der Auffassung des Vereins gewesen, was vernünftig ist." Man müsse nicht das Augenmerk ausschließlich auf die zwei Theater richten, sondern das gesamte Areal betrachten, so die Bezirkschefin. "Jetzt haben wir die große Hoffnung, daß der Investor Ballymore seine bekannten Pläne auch umsetzt."

Allerdings ist das eine tendenziöse Erklärung, denn 90 % der Wähler haben für den Erhalt gestimmt. Das ist genauso wie bei dem Volksentscheid über den Flughafen Tempelhof. Selbst wenn die fehlenden dreitausend Stimmen mit Nein abgegeben worden wären, hätte immer noch eine überwältigende Mehrheit für den Erhalt der historischen Bühnen gestimmt.

Durch das gestrige Abstimmungsergebnis ist jetzt der Weg frei, das Ku'damm-Karree abzureißen und neu zu gestalten. Rund 500 Millionen Euro will der irische Investor Ballymore in das Gebäude und das benachbarte Parkhaus an der Uhlandstraße investieren. Geplant sind Einzelhandelsflächen (21.500 Quadratmeter), Büros (30.000 Quadratmeter) und Gastronomie (11.000 Quadratmeter). Für das neue Theater mit 650 Plätzen in der dritten Etage sind 10.250 Quadratmeter vorgesehen.

Das ursprüngliche Konzept der Investorengesellschaft
"Das Ergebnis ist ein überzeugendes Votum: Für ein Konzept, das dem Ku'damm und dem Theater am Kurfürstendamm ein Stück des Weges in Richtung einer neuen Zukunft öffnet. Und gegen falsche Sentimentalität. Wir fühlen uns bestätigt und freuen uns auf eine weitere, konstruktive Zusammenarbeit mit der Politik und den zuständigen Behörden", sagte der Sprecher der Ballymore-Group, Armin Huttenlocher, nach Bekanntwerden des vorläufigen amtlichen Ergebnisses. "Von den Initiatoren des Bürgerentscheids erwarten wir, dass sie das Ergebnis in guter demokratischer Tradition akzeptieren und sich nun ebenfalls einer konstruktiven Sichtweise zuwenden."

Der Entwurf Chipperfields für das neue Theaterhaus
Also Überzeugend ist das Votum nun schon gar nicht. Wenn das Ja der Wähler 90 % der Stimmen ausmacht, ist das kein überwältigender Zuspruch zum Umbau. Die niegrige Wahlbeteiligung bedeutet hingegen, daß es den Bürgern des Bezirks egal ist, was mit den Bühnen und dem Einkaufszentrum geschieht, denn schon allein das Publikum der Theater wird schon lange nicht mehr aus den Anwohnern gebildet, was vielleicht auch ein Grund ist. Die ziemlich muffigen Säle der Häuser haben in letzter Zeit schon spüren lassen, daß es ohnehin nicht gut um sie bestellt ist, Investitionen wurden nicht mehr vorgenommen. Schon bei der Demonstration am 30. März 2009 spürte man förmlich, daß es um die Häuser bereits geschehen war, war doch die Demonstration schlecht organisiert und von ostdeutschen Schauspielern beherrscht. Also nicht einmal die westdeutschen oder Westberliner Schauspieler haben es für nötig gehalten, sich für die beiden Bühnen einzusetzen. Möglicherweise waren da auch andere Druckmittel im Einsatz, wie das schom beim Flughafen Tempelhof der Fall war.

So sah es hier vor dem Bau des Ku'damm-Karrees aus
Schon den ganzen Tag über hatte es nach einer sehr geringen Wahlbeteiligung ausgesehen. In 88 Wahllokalen im Bezirk warteten rund 600 Wahlhelfer zwischen 8 Uhr und 18 Uhr auf die ausgefüllten Stimmzettel. Rund 8.000 Wähler hatten zuvor die Möglichkeit der Briefwahl genutzt. "Um 8:40 Uhr kam der erste Wähler", sagte Gabriele Birka. Sie war die Wahlvorsteherin im Wahlbezirk 145. Das Wahllokal ist am Ku'damm Ecke Uhlandstraße in der Maison de France - also nur wenige Meter von den zwei Spielstätten entfernt. "Kurz nach 12 Uhr haben erst 45 Wähler von 2.893 in diesem Wahlkreis eingetragenen ihre Stimmen abgegeben, und nur 137 Briefwähler haben ihre Unterlagen zurückgeschickt." Es sei sehr ruhig gewesen - überhaupt kein Vergleich zu anderen Wahlen und Bürgerentscheiden.

Einer der Wähler ist Gunther Dorn. Und er hat auch eine klare Meinung. "Lieber eine Bühne richtig mit ganzem Herzen betreiben, als zwei nur halbherzig", sagt er. "Ich gehe höchstens mal mit Besuch aus Westdeutschland ins Theater."

Saal der Kömodie am Kurfürstendamm
Ein ähnliches Bild bot sich auch im Wahlbezirk 136, direkt gegenüber vom Rathaus Charlottenburg an der Otto-Suhr-Allee. Gegen Mittag hatten gerade 53 Menschen den Weg in das Wahllokal gefunden. "Ich finde es traurig, daß so wenige Leute Interesse an der weiteren Gestaltung des Ku'damms haben", sagt Ingeborg Zettl.

Trotz der Niederlage erfreut über den relativ großen Anteil der Ja-Stimmen unter den abgegebenen Stimmen äußerte sich Franziska Eichstädt-Bohlig, Sprecherin der Grünen für Stadtentwicklung. "Wir finden die große Zustimmung trotz des Gegenwindes und der Stimmung, die in letzter Zeit gegen uns gemacht wurde, großartig", sagt sie. "Jetzt sind wir sehr auf das Projekt des Investors gespannt."

Von bisher acht Bürgerentscheiden in Berlin scheiterten drei am Beteiligungsquorum, zwei davon, obwohl sich eine Mehrheit der Abstimmenden für die Vorlage aussprach, heißt es bei dem Verein "Mehr Demokratie e.V."

Video mit Ausschnitten von dem Demonstration vom 30.03.2009:


Verweise:

Auf Spanisch:


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