Freitag, 14. Januar 2011

Pommern – Christianisierung und Bestandteil des Deutschen Reiches



Viele Deutsche wissen mit der Bezeichnung Pommern kaum etwas anzufangen. Noch schwieriger wird es dadurch, daß die für den deutschen Sprachraum einzigartigen Begriffe wie Vorpommern und Hinterpommern hinzukommen. Soviel vorneweg, Vorpommern liegt nicht etwa vor Pommern, sondern es ist der vordere Teil Pommerns – analog dazu Hinterpommern.

Pommern ist spätestens seit 1232 Teil des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation. Die pommerschen Herzöge wurden zunächst Aftervasallen der Brandenburgischen Markgrafen des Geschlechts der Askanier, erreichten aber später die Reichsunmittelbarkeit, zuletzt mit Brandenburg in vertraglicher Form im Vertrag von Grimnitz (1529) abgesichert, – zu jenem Zeitpunkt allerdings ohne das Fürstentum Rügen (bis 1325, die Fürsten von Rügen waren Vasallen der dänischen Krone). Vor 1200 geriet Pommern in wechselnde Abhängigkeiten von Polen (Boleslaw Chrobry), Dänemark (1168-1227) und dem Heiligen Römischen Reich (Kaiser Barbarossa 1181), was aber nicht mit einer dauerhaften und festen Einbindung in das jeweilige Staatswesen einherging.

Bis 1945 gehörte ganz Pommern zum deutschen Staatsverband (siehe dazu weiter unten), heute gehört nur der größte Teil Vorpommerns dazu, der (laut Landesverfassung von Mecklenburg-Vorpommern) gemeinsam mit Mecklenburg das Bundesland Mecklenburg-Vorpommern bildet.

Das deutsche Wort Pommern leitet sich von dem slawischen Wort Pomorje (Land am Meer) her, welches das Siedlungsgebiet des slawischen Stammes bzw. Stammesverbandes der Pomoranen (die am Meer Wohnenden; Gegensatz: Polanen: die Feldbewohner) bezeichnet. Die Pomoranen siedelten etwa von der Danziger Bucht im Osten bis zur Insel Wollin im Westen. Sie besiedelten ab dem 6./7. Jahrhundert, das weitgehend von germanischen Stämmen freigezogene Land. Dabei muss es zur Assimilation der verbliebenen germanischen Vorbevölkerung gekommen sein, wie archäologische Befunde nahelegen. Auch gab es mehrfach Siedlungskontakt zu den Wikingern bzw. sogar wikingische Siedlungen (Menzlin).

Westlich der Pomoranen (westlich der Oder) siedelten die Stammesverbände der Lutizen (Wilzen), von denen größere Teile bis zur Trebel und zum Kummerower See in den pommerschen Staat eingegliedert wurden. Eine wesentliche Voraussetzung für die Gründung eines christlich fundierten pommerschen Staates war die Mission des Bischofs Otto von Bamberg auf seinen beiden Missionsreisen 1124 und 1128. Die Christianisierung Pommerns durch Otto von Bamberg, die Gründung des Bistums Wollin, später verlegt nach Cammin und die Taufe des Herzogs Wartislaw I. der später einem Anschlag zum Opfer fiel, verhinderte letztlich die gewaltsame Einverleibung Pommerns durch deutsche Fürstenhäuser, aber auch durch das Herzogtum Polen, später Königtum Polen.

Nordwestlich des pommerschen Staates der Greifendynastie (etwa nördlich von Ryck und Trebel, einschließlich der Insel Rügen), bildete sich auf dem Siedlungsgebiet der Ranen ein eigenes, unter dänischer Oberhoheit stehendes Fürstentum Rügen heraus. Dies geschah, nachdem der dänische Bischof Absalon von Roskilde als Präventivmaßnahme gegen die Seeräuber-Überfälle der Ranen auf Bornholm und Schonen die Ranenfestung Arkona sowie ganz Rügen eroberte und die Ranenfürsten zu Vasallen des dänischen Königs machte. Die Christianisierung Rügens erfolgte also durch Dänemark.

Die Rügenfürsten pflegten verwandtschaftliche Beziehungen zum pommerschen Herzogshaus, wodurch Wizlaw II. in den Besitz eines Landstreifens nördlich von Schlawe gelangte und dort die Stadt Rügenwalde gründete. Die verwandtschaftliche Beziehungen waren es auch, die eine Übernahme des Fürstentums Rügen durch Pommern für den Fall des Aussterbens des Fürstenhauses festlegte, was von Mecklenburg zunächst nicht anerkannt wurde.

Ein slawischer Stamm des östlichen Siedlungsraumes Pommerns, die Kaschuben, hat seinen Charakter als slawische Minderheit bis in die neueste Zeit erhalten, ist aber in seinem pommerschen Siedlungsgebiet – Ironie der Geschichte – in Schüben bis 1957 zu großen Teilen den vertriebenen deutschen Pommern in die Bundesrepublik gefolgt, weil sich die Lebakaschuben von den Polen nicht respektiert fühlten – gerade sie, die den slawischen Anspruch auf das Land in der polnischen Propaganda rechtfertigen sollten.

Seinen weitgehend deutschen Charakter, natürlich unter mehr oder minder starker Aufnahme wendischer bzw. slawischer Elemente, erhielt, Pommern (auch Rügen, denn dänische Siedlungswillige gab es nicht) durch niederdeutsche Siedler (Niedersachsen, Westfalen, Niederfranken bzw. Märker mit niederfränkisch-flämischer Herkunft). Sie wurden von den slawischen Fürsten (Rügenfürsten und pommerschen Herzögen) ins Land gerufen, etwa mit Beginn der Klostergründungen (ab 1153, Stolpe). Die Niedersachsen und zum Teil auch die Westfalen brachten das Hallenhaus (Altsächsisches Bauernhaus) mit und siedelten im Küstenbereich, die Märker von Süden her die Oder hinauf. Die Siedler – so auch die Absicht – stärkten die Wirtschafts-, Finanzkraft der wendischen Herzöge, aber auch die Wehrkraft gegen das Streben der polnischen Piasten nach dem Land am Meer. Die deutschen Siedler gründeten in den 120 Jahren zwischen 1234 und 1354 den Großteil aller pommerschen Städte. Sie brachten ein deutsches Rechtssystem mit (Lübisches oder auch Magdeburger Recht), das von ihren jeweiligen slawischen Landesherren in Form einer Stadtgründungsurkunde verliehen wurde. Es gab auch schon davor frühstädtische slawische Siedlungen, deren bedeutendste auf pommerschem Gebiet Vineta/Wollin war. Allerdings besaßen diese keinen klar definierten Rechtsstatus.

Von den deutschen Siedlern gegründete pommersche Seestädte traten in großer Zahl dem mächtigsten Städtebund des Ostsee- und Nordseeraumes bei, der Hanse: Stralsund (die bedeutendste), Greifswald, Anklam, Demmin, Stettin, die „overswinischen Städte“ Wollin, Stargard, Treptow/Rega, Kolberg, Köslin, Rügenwalde und Stolp. Dieser Zahl stehen im westlich benachbarten Mecklenburg nur Rostock und Wismar gegenüber. Letztere Städte bildeten mit Stralsund, Greifswald und Lübeck an der Spitze das Wendische Quartier. Beim Städtebau dominierte in Pommern der Backstein, das Land liegt ganz im Verbreitungsgebiet der Backsteingotik. Allerdings sind vor allem die Dorfkirchen im märkischen Siedlungsbereich häufig aus Feldsteinen bzw. Granitquadern errichtet. Heute wird bei der Rückschau auf die Hanse oft und gern übersehen, dass dies ein Bund deutscher Kaufleute war, Mitglieder konnten nur Deutsche sein, dies betraf die Kaufmanns- wie auch die Städtehanse. Ironie der Geschichte ist, daß einer der größten Widersacher der Hanse, der skandinavische Unionskönig Erich von Pommern, dem pommerschen Herzogshaus entsprang. Er führte den die Hanse dauerhaft behindernden Sundzoll ein, endete aber als pommerscher Herzog in Rügenwalde.

Den städtischen deutschen Siedlern folgte die deutsche bäuerliche Bevölkerung, die zu großen Teilen Wald und Ödland urbar machte. Oft siedelten sich die deutschen Kolonisten neben slawischen Siedlungen an. Die deutschen Siedlungen wuchsen wegen der fortschrittlicheren Techniken (z.B. schollenwendender Pflug) und wegen des damit verbundenen wirtschaftlichen Erfolges so schnell, daß diese bald den Zusatz Groß erhielten (Groß Zastrow). Die ursprüngliche slawische Siedlung entsprechend hieß dann Klein Zastrow. Dieser Prozeß verlief weitgehend friedlich. Vertreibungen, wie sie 1945 stattfanden, waren fernab jeder Vorstellung.

Wenn auch zunächst die Slawen (Wenden) bei der Ansiedlung in den Städten benachteiligt wurden, setzte im ganzen Land rasch eine Assimilierung ein: Plattdeutsch wurde Umgangs- und bald auch Muttersprache für alle (teilweise auch Amtssprache). Dieser Prozeß markiert den Wendepunkt: die slawische Bevölkerung, die Pomoranen (Adjektiv: pomoranisch), verschmelzen mit den niederdeutschen Siedlern zu dem muttersprachlich niederdeutschen Neustamm der Pommern (Adjektiv: pommersch), der auch in seinem Selbstverständnis ein deutscher Stamm war. Daß aber bald auch Bürger mit slawischen Wurzeln, was ihnen freilich nicht mehr bewußt war, in den Hansestädten in das Patriziat aufsteigen konnten (im herzoglichen Verwaltungsapparat war vor allem der slawische Adel ohnehin vertreten), kann man an solchen Bürgermeisternamen wie Rubenow, Klinckow oder Sastrow ablesen. In Gollnow konnte sich nicht einmal der vom Herzog bestätigte Stadtname Vredeheide durchsetzen, stattdessen fand eine Rückbenennung statt – Hinweis auf ein zur Gründungszeit starkes slawisches Element dieser Stadt. Anders als bei den Bürgern und Bauern verhielt es sich mit dem pommerschen Herzogshaus, das sich seiner Verwandtschaft zu Polen durchaus bewußt war und hier auch eine entsprechende Heiratspolitik in diese Richtung betrieb. Der bedeutendste pommersche Herzog, Bogislaw X. (Pommern in einer Hand, Aufbau einer modernen Verwaltung) heiratete Anna von Polen, die somit Ahnfrau aller folgenden pommerschen Herzöge beider Linien (Wolgaster und Stettiner) bis zum Aussterben des Greifenhauses 1637 war.

Einen Sonderstatus in Pommern hatten die alten Deutsch-Ordenslande Bütow und Lauenburg. Mit diesen Ländern wurden die Pommernherzöge ab 1466 vom polnischen König belehnt, diese Lande gehörten nie zum Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation.

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