Samstag, 29. Januar 2011

Die Nachkriegszeit in Pommern


Jener Teil Pommerns, der 1945 unter polnische Verwaltung gestellt wurde, betrug ca. 31.000 Quadaratkilometer, das sind etwa 81 Prozent der Fläche Pommerns, also vier Fünftel von 1939 (38.400 Quadaratkilometer). Nach Schätzungen ist davon auszugehen, daß im Sommer 1945 noch weit über 50 Prozent der pommerschen Bevölkerung dort lebte, in der Landeshauptstadt Stettin waren es über 81.000, die bis dahin unter einer deutschen kommunistischen Stadtverwaltung einem vermeintlichen Neubeginn entgegensahen, denn ein Großteil von ihnen war vorher gen Westen nach Vorpommern und Mecklenburg geflohen und von den Sowjets gezwungen worden, nach Stettin zurückzukehren. Diese im Ergebnis doppelte Flucht und Vertreibung kostete unter den damaligen Umständen besonders viele Opfer. Unbeschreibliche Zustände spielten sich auch in dem unter polnischer Verwaltung stehenden Vertreibungsdurchgangslager in Stettin-Scheune und in dem Lager Stettin-Frauendorf ab.


Vertriebene auf der Flucht
Die erste polnische Volkszählung vom 14. Februar 1946 für die neu gebildeten Verwaltungsbezirke bzw. Wojewodschaften Stettin und Köslin ergab, daß von den 892.000 Personen noch 116.000 als Deutsche bezeichnet wurden, also etwa 13 Prozent. Teilweise Ganze Dörfer blieben jedoch bis zur letzten Ausreisewelle 1957 deutsch besiedelt, weil der polnische Staat bis dahin auf die Arbeitskräfte nicht verzichten konnte. Es gab dort sogar deutschen Unterricht. Dies betraf auch Fachkräfte, vor allem im maritimen Bereich (Hafen, Schiffbau), da es hier in dem de facto vorherigen Binnenland Polen kaum Erfahrungen gab, lediglich ab 1918 in Gdingen (von 1939-1945 Gotenhafen). Der Prozeß der Vertreibung zog sich also bis 1957 hin.

Die Polen, die sich nun zunehmend in Pommern ansiedelten, kamen zu über der Hälfte aus Zentralpolen und nur zu etwa einem Drittel aus jenen Gebieten, die nun an die Sowjetunion (inkl. Litauen bzw. ab 1940 Litauische SSR) zurückgefallen sind, auch wenn fälschlich oft das Gegenteil behauptet wird.

In den Jahren 1945/46, jedoch sogar bis 1957, fand also ein völliger Bevölkerungsaustausch Pommerns statt. Die Vertreibung der deutschen ansässigen Bevölkerung bedeutete ja nicht, daß hier jene Deutschen vertrieben wurden, deren Vorfahren sich vor 700 Jahren hier angesiedelt hatten, sondern daß mit den Pommern eine Bevölkerung vertrieben wurde, in der die vorher seit 600/700 n. Chr. ansässige wendische bzw. slawische Bevölkerung zu 100 Prozent mit den von den Pommernherzögen ins Land gerufenen deutschen Siedlern verschmolzen ist, was sich auch leichtestens an dem Familien- bzw. Nachnamensbestand der vertriebenen Pommern ablesen lässt. Vertrieben wurden also mit den Pommern auch die Nachkommen der assimilierten slawischen Vorbevölkerung, deren Muttersprache schon im Mittelalter Niederdeutsch geworden war. Angesiedelt an derer statt wurden slawischen Polen, deren Vorfahren nie in Pommern gelebt haben, sondern ständig danach trachteten, Pommern in ihren Besitz zu bringen, etwas, was besonders sinnfällig wird in dem polnischen Mythos von der Vermählung mit dem Meer, was bis heute in Kolberg jährlich rituell nachvollzogen wird. 

Polnische Propaganda der "Wiedergewinnung" des Meeres
Die polnische Propagandalüge von der Wiedergewinnung der alten West- und Nordgebiete ist keinesfalls auf die Ideologie der regierenden Kommunisten beschränkt gewesen, deren Wurzeln sind schon in der nationalen Erweckungsbewegung Anfang des 19. Jahrhunderts zu finden. Auch die polnische Katholische Kirche war mit von der Partie. Aus Sicht der polnischen Katholischen Kirche sind die mit der Reformation vom rechten Glauben abgefallenen Gebiete, auch Pommern, nun wieder dem rechten Glauben zugeführt worden, wenn auch dafür die ganze Bevölkerung ausgetauscht werden mußte, was natürlich hier verschwiegen wird. Es haben also nicht die eingesessenen Gemeinden zum katholischen Glauben zurückgefunden, diese sind vielmehr erloschen, da deren Glieder ja vertrieben wurden. Gebildet wurden völlig neue Gemeinden mit Gliedern, die dort nie verwurzelt waren.

Die Vertreibung der Deutschen, also auch der deutschen Pommern, aus ihren angestammten Siedlungsgebieten wird zumeist mit dem „Potsdamer Abkommen“ begründet. Die Beschlüsse dieses Abkommens widersprechen jedoch jeglichen völkerrechtlichen Minimalstandards, daher findet sich dort im Text der Verweis auf eine Gültigkeitsklausel bis zum Zeitpunkt eines später noch zu schließenden Friedensvertrages (also mit Deutschland am Tisch), den es nie gegeben hat (US-Außenminister Byrnes bewertete das Potsdamer Abkommen in einem Brief vom 15. Januar 1946 an USPräsident Harry Truman so: „In Potsdam wurden wir vor vollendete Tatsachen gestellt und durch die Umstände gezwungen zuzustimmen. Es war ein willkürlicher Gewaltakt.“). 

Proteste gegen die Anerkennung der Oder-Neiße-Linie
Die polnische Rechtfertigung für die Inbesitznahme läuft oft auf die Abwälzung der Schuld auf die Siegermächte hinaus. Dabei war Polen selbst sehr aktiv um möglichst viel deutsches Territorium zu bekommen und zwar nicht nur das Lubliner Komitee, sondern auch der Leiter des Westinstituts Posen Zygmunt Wojciechowski. Wäre es nach ihm gegangen, wäre nicht nur Usedom, sondern auch generell ein 15 Kilometer breiter Streifen westlich der Oder/Neiße (also mit Frankfurt/Oder, ganz Görlitz und ganz Guben, im Norden inklusive Ueckermünde und Lubmin) zu Polen gelangt.

Noch ärger trieben es die polnischen Partner in ihren Verhandlungen mit Stalin. Der hat den Polen schroff das von ihnen geforderte Rügen verweigert („Rügen bekommt ihr das nächste Mal“), dies geht aus polnischen Quellen hervor. Im Raum Stettin hat Stalin offenbar Polen nachgegeben und in einer gesonderten Vereinbarung noch reichlich Land westlich von Stettin und Oder dazugegeben. Der Text des Potsdamer Protokolls gibt das nicht her, danach wäre Stettin deutsch geblieben.

An die Stelle der 1945 im Potsdamer Protokoll beabsichtigten Friedenskonferenz trat 1990 allerdings der Zwei-plus-Vier-Vertrag mit dessen Ratifizierung durch den Bundestag und durch die Volkskammer der "DDR" der Status quo, also der des Potsdamer Abkommens plus weiterer Grenzverträge zwischen der Sowjetadministration sowie der "DDR" (z.B. Görlitzer Vertrag von 1950) mit Polen bestätigt wurden. Erst durch dessen Ratifizierung am 15. März 1991 (nicht früher!) waren Hinterpommern und Stettin sowie ein vorpommerscher Streifen westlich von Oder und Swine nun (faktisch, aber nicht juristisch rückwirkend) aus dem deutschen Staatsverband ausgegliedert und zu Polen zugehörig anerkannt. Der größte Teil Vorpommerns (abzüglich Swinemünde und eines linksodrigen Streifens nach Süden bis vor Gartz) wurde 1945 Teil der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) und des von den Sowjets und deutschen Kommunisten gebildeten Landes Mecklenburg- Vorpommern, eine Verwaltungseinheit von zwei Ländern, die es nie zuvor in der Geschichte gegeben hat. Im Zusammenhang mit der Auflösung des Staates Preußen durch ein Gesetz des Kontrollrates der vier Mächte 1947, tilgte die Sowjetadministration auch den Namen Pommern (da vor der Kapitulation preußische Provinz), folglich durfte ab 1947 Mecklenburg-Vorpommern nur noch Mecklenburg heißen.

Karte Stettins - ganz klar westlich der Oder
Dieser Prozeß der Entpommerung wurde nach Gründung der stalinhörigen "DDR" 1949 fortgeschrieben, in dem das kommunistische Prinzip des Leninschen Demokratischen Zentralismus auf den Verwaltungsaufbau der DDR angewandt wurde. Die fünf Länder auf dem Gebiet der SBZ/"DDR" mit ihren Regierungen wurden 1952 kurzerhand aufgelöst zugunsten der Einteilung dieses Gebietes in 15 ahistorische Bezirke mit den jeweiligen Kreisen. Bei dieser Gelegenheit wurde das unter DDR-Verwaltung gebliebene Restpommern (Vorpommern ohne Swinemünde und ohne den östlichen Teil der Kreise Ueckermünde und Randow) gleich auf drei Bezirke aufgeteilt (Rostock, östlicher Teil; Neubrandenburg, östlicher Teil; Frankfurt, der nordöstlichste Zipfel um die Oderstadt Gartz). Keine der größeren pommerschen Städte wurde Bezirksstadt, auch nicht Greifswald (ein Nordost-Bezirk wäre denkbar gewesen), das damals mehr als doppelt so groß wie Neubrandenburg war. 

IM Tulpe besiegelte 1990 den Verrat an den Deutschen
Damit verschwand die Landesbezeichnung „Vorpommern“ in der "DDR", denn es erinnerte zu sehr an Pommern. Einzig im evangelisch- kirchlichen Rahmen hielt sich der Name Pommersche Evangelische Kirche (eine Gliedkirche der Evangelischen Kirche der Union, EKU) mit neu geschaffenem Bischofsamt und Bischofssitz in Greifswald noch bis 1968! Fortan bis zur politischen Wende 1990 musste sie sich Landeskirche Greifswald nennen, bis dann die Rückbenennung erfolgen konnte. Das Überdauern und Wachhalten des Namens Pommern im kirchlichen Raum durch die Reste des christlich geprägten Bildungsbürgertums war dann eine wesentliche Voraussetzung für die Reanimierung des Namens Vorpommern in der Landsbezeichnung Mecklenburg-Vorpommern. Im säkularen Raum der "DDR" war der Name Pommern/Vorpommern fast mit Erfolg aus dem Bewußtsein getilgt worden, auch wenn er mit Beginn der 1980er Jahre eine Lockerung eintrat, was den Gebrauch im wissenschaftlich/populärwissenschaftlichen Raum angeht (z.B. Demminer Kolloquien).




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