Montag, 3. Januar 2011

König Friedrich Wilhelm IV., ein Romantiker auf dem Königsthron

Friedrich Wilhelm IV. war Künstler, Schriftsteller, Träumer – aber eben auch der sechste König von Preußen

Friedrich Wilhelm IV. von Preußen
Sein eigener Bruder bezeichnete ihn als „Schwätzer“ und „Memme“, Heinrich Heine als einen vor- nehmen Geist mit viel Talent, aber auch als schlechten Regenten. Und für den Historiker Uwe A. Oster war er „ein König in falscher Zeit“. Vor 150 Jahren starb König Fried- rich Wilhelm IV. von Preußen.

In der Nacht auf den 2. Januar 1861 starb der preußische König Fried- rich Wilhelm IV. Seine letz- ten Jahre waren von schwerer Krankheit überschattet. Bereits 1858 hatte er die Regentschaft an seinen Bruder, den späteren Kaiser Wilhelm I., übergeben müssen. Vielleicht war es dem künstlerisch hochinteressierten König zumindest eine kleine Genugtuung, daß er in dieser Zeit noch einmal nach Italien reisen konnte. Erstmals war dieser bereits früh gehegte Wunsch 1828, als Preußen noch von seinem Vater Friedrich Wilhelm III. regiert worden war, in Erfüllung gegangen. Von den nachhaltigen Eindrücken, die diese Reise hinterlassen hat, zeugen Spuren in der regen Bautätigkeit Friedrich Wilhelms IV. 

Bereits als Kronprinz stand er maßgebend hinter der Errichtung des von Karl Friedrich Schinkel entworfenen Alten Museums. Visionär war die zu seinen Lebzeiten nicht zu verwirklichende Idee der Gestaltung der (später sogenannten) Museumsinsel. Eine Synthese von antiker und christlicher Kunst schwebte ihm vor. Eigenhändig und äußerst begabt fertigte der König Landschaftsskizzen an. Allerdings war es auch eine solche Skizze, die Ernst Ludwig von Gerlach ausweislich seines Tagebuchs irritierte: Im November 1848 hatten die Truppen des Generals Friedrich von Wrangel Berlin gerade wieder unter Kontrolle gebracht. Mit dem König und seinen engsten Beratern sollte nun das weitere Vorgehen besprochen werden. Friedrich Wilhelm IV. brachte jedoch der Zeichnung, die er gerade anfertigte, wesentlich größeres Interesse entgegen als der angespannten politischen Lage.

Diese Anekdote ist wohl bezeichnend für den Monarchen, über den Heinrich Heine dichtete:

„Ich habe ein Faible für diesen König.
Ich glaube, wir sind uns ähnlich ein wenig.
Ein vornehmer Geist, hat viel Talent.
Auch ich, ich wäre ein schlechter Regent.“

Wohl in dieselbe Richtung weisend, aber etwas milder nimmt sich die Bezeichnung vom „Romantiker auf dem Thron“ aus, unter der Friedrich Wilhelm am ehesten im Bewußtsein der Nachwelt geblieben ist.

Der 1795 geborene, älteste Sohn der nachmaligen Königin Luise galt als sehr gebildet, was er maßgeblich seinem Erzieher Frédéric Ancillon verdankte. Auf diesen ging wohl auch die klar ablehnende Haltung des Königs gegenüber revolutionären Bestrebungen zurück. Nicht das Willkürliche gelte es in die Welt zu setzen, sondern das organisch Gewachsene fortzubilden.

Die 1823 geschlossene Ehe mit Elisabeth Ludovika von Bayern, die zunächst ihren katholischen Glauben behielt und erst spät zum Protestantismus übertrat, blieb kinderlos. Friedrich Wilhelm äußerte, die ursprüngliche Standfestigkeit Elisabeths bezüglich ihres Katholizismus, die in Preußen auf Widerspruch stieß, mache ihm seine Braut nur noch teurer.

Eine ideale, auch an einem verklärten Mittelalterbild orientierte Weltsicht war zeitlebens typisch für den König. So träumte er beispielsweise von der Wiederherstellung der Einheit der christlichen Kirchen. Ein ausgeprägtes Bewußtsein hatte er für sein Gottesgnadentum. Preußischer König wurde Friedrich Wilhelm IV. im Jahre 1840. Ein Recht des Volkes auf Beteiligung an der Regentschaft existierte in seiner Vorstellungswelt nicht, eine solche Beteiligung war für ihn höchstens als vom Monarchen zugestandener Akt der Gnade denkbar.

Der grüblerische, wenig entscheidungsfreudige König, der zudem dazu neigte, sich auf mehrdeutige Weise auszudrücken, sah sich in den 1840er Jahren mit Herausforderungen konfrontiert, denen er mit völligem Unverständnis gegenüberstand.

Das engste Umfeld beklagte die Handlungsschwäche in klaren Worten, für seinen Bruder und späteren Nach- folger Wilhelm war er ein „Schwätzer“ und eine „Memme“.
 
Bei seinem Regierungsantritt hatte er ursprünglich große, aber auch überzogene Hoffnungen auf Liberalisierung geweckt. So rehabilitierte er etwa Ernst Moritz Arndt und holte die Gebrüder Grimm aus ihrem Kasseler Exil nach Berlin. Auch den Katholiken kam er entgegen: Den bereits 1839 aus der Haft entlassenen Kölner Erzbischof, der auf dem Höhepunkt des Kölner Kirchenstreits festgesetzt worden war, erkannte er offiziell wieder an. Im September 1842 wurde in Anwesenheit des Königs in einem Festakt öffentlichkeitswirksam der Weiterbau des Kölner Doms in Gang gebracht.

Den Erlaß einer Verfassung lehnte Friedrich Wilhelm IV. im Jahre 1847 noch rundweg ab, wie er dem Vereinigten Landtag bedeutete. Auf Zugeständnisse im Zuge der Revolution von 1848/49 ließ er sich nur ein, wenn die Lage völlig ausweglos schien – etwa nach dem unglücklich verlaufenen 18. März 1848, als es in Berlin, verursacht durch ein Mißverständnis, zu blutigen Auseinandersetzungen mit 270 namentlich bekannten Toten gekommen war. Widerwillig und für ihn erniedrigend mußte der König am 21. März mit schwarzrotgoldener Schärpe durch die Hauptstadt reiten. Eine Verfassung ließ sich nun nicht mehr umgehen, doch gelang es, diese in einer Form zu erlassen, die zwar parlamentarische Mitwirkung vorsah, dem Monarchen jedoch einen Großteil seines Einflusses beließ. Die im Dezember 1848 vom Ministerium des Grafen Friedrich Wilhelm von Brandenburg oktroyierte Verfassung wurde Anfang 1850 noch einmal revidiert und blieb bis 1918 in Kraft.

Am 3. April 1849 trug ihm eine Deputation der Frankfurter Nationalversammlung die Kaiserkrone an. Eine Annahme, sozusagen aus Volkes Hand, war für Friedrich Wilhelm IV. also völlig undenkbar. Grundsätzlich war er zwar der Meinung, auch ein Hohenzoller könne die Reichskrone tragen, aber nicht auf diese Weise, verunehrt vom „Ludergeruch der Revolution“.

Der Historiograph des preußischen Staates, Leopold von Ranke, urteilte über den König: „Er hatte vielleicht mehr Gemüth, als der Staat ertragen kann.“ Uwe A. Oster wählte in seiner unlängst erschienen Geschichte Preußens die Kapitelüberschrift: „Ein König in falscher Zeit“. Dies dürfte auf Friedrich Wilhelm IV. auf jeden Fall zutreffen.

Erik Lommatzsch

Preußische Allgemeine Nr. 52/2010

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