Stanislaw Staszic |
Es war nur natürlich und legitim, daß Polen nach der Aufteilung auf die Mächte Russland, Österreich-Ungarn und Preußen stets bemüht war, seine Staatlichkeit wiederzuerlangen. Verständlich auch, daß man nach einem Gebietsstand trachtete, wie er vor der Teilung bestanden hatte (Restitution). Dies allerdings schon mußte Konflikte mit Preußen zur Folge haben, vor allem jene Gebiete betreffend, die außerhalb des 1806 untergegangenen Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation gelegen haben. Und so konzentrierten sich zunächst auch polnische Anspruchsformulierungen auf diese Gebiete (Ostpreußen, Westpreußen, Danzig, Posen) plus Schlesien.
Allerdings schon 1828 hatte der polnische Militär Ignacy Pradzinski in einer Denkschrift den Plan gehegt, Preußen im Zusammengehen mit Zar Alexander I. zu besiegen, so daß sämtliche Teile Preußens an Ostsee und Oder „Hauptgegenstand unserer strategischen Kombinationen und unserer Anstrengungen“ sein sollten, „die Besetzung des gesamten Landes zwischen dem Königreich Polen und Ostsee“ S. 55, sei unabdingbar.
Ludwik Bystrzonowski umriß 1836 in der in Paris (im Hotel Lambert) erscheinenden polnischen Emigrantenzeitung Trzeci Maj die natürlichen Grenzen so: Ostsee im Norden, Dnepr im Osten, Schwarzes Meer im Süden und der Oderlauf im Westen. S. 58 Auch im Lager der „Polnischen Demokratischen Gesellschaft“ (TDP) sollte ein föderal verfaßtes Polen 1864 „Von Meer zu Meer“ (od morza do morza) reichen. S.29 Dieser Anspruch war nicht neu, er wurde bereits 1807 von dem in Schneidemühl gebürtigen Stanislaw Staszic in seiner „Statistik Polens“ formuliert. S. 44
Hugo Kollataj |
Eine noch – gerade in Bezug auf die spätere Vertreibung – gravierendere Meinung vertrat bereits 1808 der Reformpolitiker Hugo Kołłątaj, wenn er feststellte, daß das neue Polen an die Oder grenzen müsse, da diese Deutsche und Slawen teilt, und bei der Bemessung des staatlichen Territoriums darauf zu achten sei, daß „der Regierende und der Regierte sich verstehen und ein und derselben Sprache bedienen“ müsse. Also hier schon eine klare Festlegung auf einen monoethnischen Staat. Kołłątaj gibt keine Antwort darauf, was mit denen passiert, die nicht die Sprache der Regierenden sprechen. Er selbst legt einfach fest, daß selbst die Preußen nicht Deutsch sprächen, sondern entweder Litauisch oder Polnisch. Ist erst einmal das Ziel der sprachlichen und dann auch ethnischen Reinheit formuliert, dann ist es nur noch ein kleiner Schritt zur Vertreibung, wenn man diese Einheit anders nicht herstellen kann.Diese Genealogie der Westidee gipfelt dann bereits schon 1899 in eine Radikalität, die man, ins Deutsche übertragen, in der Wortwahl der NS-Ideologie zugeschrieben hätte. Jan Ludwik Popławski erhebt im Przegląd Wszechpolski eine Kampfansage an alle Deutschen, die es in sich hat:
"..: nicht mit einzelnen Parteien, sondern mit der ganzen deutschen Gesellschaft müssen wir den Kampf führen auf Leben und Tod, in dem die stärkere Seite keine Skrupel kennt und die schwächere sogar in ihrer legalen Tätigkeit behindert wird. Die vitalsten Interessen beider Völker stehen in ihm auf dem Spiel" S.203 – Zwei Jahre später äußerte er im gleichen Organ: „Das Land zwischen Oder und Dniepr, zwischen Ostsee, Karparten und Schwarzem Meer bildet eine eigene, organische Einheit, zusammengefügt durch die Gesamtheit territorialer Gegebenheiten, ökonomischer Interessen und nicht zuletzt historischer Traditionen.“ S.195 – Der britische Autor Brian Porter führte Przegląd Wszechpolski in seiner Analyse mit dem Titel: „When the Nationalism Began to Hate“ (Als der Nationalismus begann zu hassen) sicher nicht zu Unrecht an.
Alle diese polnischen Thesen des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts waren gewissermaßen die Pflöcke, innerhalb derer sich die Diskussion fortsetzte. Mit der staatlichen Wiedergeburt nach dem Ende des Ersten Weltkrieges wurde dann ein so massiver Druck auf die in den größeren Städten zumeist mehrheitlich lebenden Deutschen ausgeübt, dass 1,5 Millionen Deutsche sich gezwungen sahen, ihre Heimat (Westpreußen, Posen, Ost-Oberschlesien) zu verlassen, ein großer Teil der in Westpreußen und Posen lebenden Deutschen in Richtung Pommern, wo zahlreiche Siedlungen aus dem Boden gestampft werden mußten. Die Internet-Enzyklopädie Wikipedia stuft diesen Vorgang durchaus mit Berechtigung unter „Vertreibung“ ein. Von polnischer Seite wird in diesem Zusammenhang auf den vorausgehenden Ausweisungsdruck gegenüber den Polen in dem an Preußen gelangten Teil Polens verwiesen. Diesen hat es tatsächlich gegeben, er betraf aber nur die aus Russisch-Polen zugewanderten Polen, was natürlich nichts daran ändert, daßauch dies einem Selbstbestimmungsrecht der Polen entgegensteht.
Quelle: Pommersche Landsmannschaft
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