Dienstag, 11. Januar 2011

Polnische Ansprüche auf Pommern von 1917 bis zum Zweiten Weltkrieg

Polnische Postkarte aus dem Jahr 1939
Waren, was die konkreten polnischen Ansprüche auf deutsche Ostgebiete angeht, diese zunächst auf jene Gebiete konzentriert, die außerhalb des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation lagen plus Schlesien (auch Niederschlesien), aber ansonsten allgemein gehalten („bis zur Oder“, „bis zur Ostsee“), so wurden gegen Ende des Ersten Weltkrieges auch die Ansprüche auf den größten Teil Pommerns – seit 1232 in das Heilige Römische Reich integriert – sehr konkret. Es war der Arzt und Journalist Bolesław Jakmiak, der im Frühjahr 1917 in Moskau (!) ein Programm entwarf, das 1918 unter dem Titel „Die Westgrenze Polens“ der polnischen Öffentlichkeit vorgestellt wurde. Jakmiak zog die Grenze die Oder hinauf bis zur Swinemündung, östlich davon war nach seiner Vorstellung Polen (also auch die Insel Wollin), westlich davon Deutschland (auch Stettin). Es scheint, als hätte – was den Grenzverlauf betrifft – Jakmiak schon damals den Protokolltext für die Potsdamer Konferenz (siehe unten) vorgegeben, denn auch danach würde Stettin weiterhin zu Deutschland gehören (allerdings – im Unterschied zu Jakmiak – Swinemünde nicht). Die Hinzunahme Pommerns zu Polen begründet Jakmiak sogar vordergründig ethnisch! So zeige die geringe Bevölkerungsdichte der preußischen Provinz Pommern, daß eine massenhafte Besiedlung gar nicht stattgefunden habe und folglich die dortige Bevölkerung eine alteingesessene, eine „pomoranisch-polnische“ sei. Was Jakmiak aus seiner abstrusen Konstruktion ableitet, ist dann noch abenteuerlicher:

Ich bin überzeugt, dass die ethnographisch slawische, aber eingedeutschte Bevölkerung unter günstigen Bedingungen, gestützt auf ein starkes slawisches Umfeld, leicht zur slawischen Familie zurückkehren könnteS. 285 – 

Hat man sich erst einmal so in wirklichkeitsfremden Konstruktionen verrannt, dann ist die Frage zu stellen, welche Schlußfolgerungen Jakmiak in seiner Enttäuschung aus der Uneinsichtigkeit der Pommern abgeleitet hätte? Doch wohl die, daß sie dann gehen müssten, so wie es nach der Veröffentlichung mit den Deutschen aus Westpreußen und Posen real geschehen ist. 

Polnisches Jubelplakat 1931
Der Status der Entwicklung des polnischen Westgedankens vom 19. Jahrhundert bis zu zum Ersten Weltkrieg zeigt den klaren Befund, daß bereits vor Ausbruch dieses Krieges alle ideologischen und mentalen Voraussetzungen für eine Vertreibung vorhanden waren, um bei einer Besitzerlangung preußischer bzw. deutscher Ostprovinzen die ansässige und sich nicht zum Slawen- bzw. Polentum bekennende Bevölkerung zu vertreiben. Dies ist dann auch für die Zeit vor dem Ausbruch des folgenden, des Zweiten Weltkrieges durch Schriftzeugnisse zu belegen. 

Was die Ausdehnungsvorstellungen angeht, wird noch einmal zugelegt. In dem Buch von Josef Kisielewski „Die Erde bewahrt das Vergangene“ wird mit dem Zitat eines Gedichtes von Adam Naruszewicz der Zielhorizont erweitert: Wir waren an der Elbe, man hat uns hinter die Oder gedrückt S.8 Im Blick auf den auch von Polen erwarteten Krieg schreibt Kisielweski 1939: „Günstige Winde der Geschichte beginnen unsere Segel zu blasen [...] Es ist ein ungewöhnlicher Augenblick gekommen, der für ein Volk günstig ist, das durch seine Tapferkeit, seine Arbeit, seinen Mut fähig ist, sich eine unerschütterliche Macht zu schaffen. [...] Es handelt sich nur darum, daß diese Gelegenheit nicht verpaßt wird. – Das Buch erschien in Posen unmittelbar vor Ausbruch des Krieges!

Wie solche Sprache der polnischen Intellektuellen sich auf der Ebene des Volkes ausnimmt, ist am Text eines Flugblattes des Vorbereitungsausschusses der Grunwald-Feier 1939 (Andenken an die Schlacht bei Tannenberg 1410) zu ersehen: „Wir werden zurücknehmen, was uns der Deutsche weggenommen hat an Elbe, Oder und Weichsel.

So weit also die Formulierung von polnischen Territorialansprüchen unmittelbar vor dem Zweiten Weltkrieg. Überaus bedeutsam, was eine Vertreibung von Deutschen aus den mit Gewalt zu erwerbenden Territorien angeht, ist der Klartext des Thorner Blattes Słowo Pomorskie: Deshalb sagen wir Polen heute ganz deutlich: Geht dahin zurück, woher Ihr gekommen seid! Auf Schubkarren, die von Hunden gezogen wurden, kamt Ihr angekarrt. Ihr brachtet nur schlechtes Unterbett mit. Mit einem solchen könnt Ihr wieder losziehen. S. 9 Dies ist faktisch die verbale Antizipation der sechs Jahre später tatsächlich erfolgten Vertreibung. Dazu bedurfte es also der Kriegsgeschehnisse nicht, die folgten dann bald mit schrecklichen Taten von Deutschen, z.B. mit der physischen Vernichtung, also Ermordung der polnischen Elite, aber auch mit Verbrechen von Polen wie z.B. die bis dahin unvorstellbaren Pogrome an der deutschen Minderheit im Bromberger Gebiet (der sogenannte Bromberger Blutsonntag) unmittelbar nach Kriegsausbruch.



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